Medizin bei Rapunzel, Rotkäppchen und Co. Warum Ärzte in Märchenbüchern blättern
In der Märchenwelt gibt es allerlei Medizinisches zu entdecken. In welcher Geschichte der Kaiserschnitt Menschenleben rettet, erklärt ein Heidelberger Forscher.
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Das Märchen „Rotkäppchen“ galt in seiner französischen Urform „Le Petit Chaperon Rouge“ von 1697 als Warnung an Mädchen, sich von Fremden nicht verführen zu lassen.
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Der Flachs (Linum usitatissimum): Der Flachs wird zu Garn gesponnen, aus diesem wird Leinen gewoben – so gesehen ist das Lein das Sinnbild für weiblichen Fleiß. Das zeigt sich auch in der Märchenwelt – etwa bei Frau Holle. Die fleißige Tochter hat sich die Finger blutig gesponnen, möchte die Spindel waschen, fällt aber in den Brunnen und damit in das Reich von Frau Holle. Diese zeichnet das Mädchen aus, indem sie es zur Goldmarie werden lässt. Ähnlich ergeht es den Frauen auch in König Drosselbart, die Schickerlinge und die zwölf Jäger. Nur diejenigen, die spinnen konnten, hatten auf dem Heiratsmarkt die besten Chancen.
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Die Hasel (Corylus avellana): Sie blüht im Frühling, wenn in der Natur sonst noch alles nach Winter aussieht: die Hasel. Kein Wunder, dass die Hasel bei den alten Germanen eine Zauberpflanze war. Ihr Abwehrzauber gegen Vampire, Hexen, Geister und Teufel war Teil in rituellen Bräuchen. Das Vertrauen in die Hasel, die Glück bringt, war so groß, dass man mit einer Gabel des Haselzweigs als Wünschelrute sich auf die Suche nach goldenen Schätzen in der Erde machte. So vertraut im Märchen auch Aschenputtel sein Glück einer Hasel an, die es auf das Grab seiner Mutter gepflanzt hatte: „Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.“
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Die Linse (Lens esculenta): Wenn Aschenputtel von der Stiefmutter eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet bekommt, sieht es nicht so aus, als könne das Mädchen die kleinen Körnchen so schnell wieder auslesen. Doch die Tauben flattern zu Hilfe. Die Linse ist seit jeher Symbol der Kleinigkeit, schreibt Esther Gallwitz in ihrem Buch „Schneewittchens Apfel“ (Insel-Verlag 1999). Diese sollte aber stets geschätzt werden. So gab es im Mittelalter den Brauch, am Heiligabend, um Neujahr, am Gründonnerstag und Karfreitag Linsen zu essen, damit das Jahr über das Geld reichte. „Bescheiden dachte man nicht an Reichtum, sondern an das tägliche Kleingeld“, so Gallwitz.
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Die Nelke (Dianthus species): Im Märchen verwandelt ein Königssohn seine Prinzessin in eine Nelke, um sich auf die Suche nach seinen verschleppten Eltern zu machen. Die Nelke wird also zum Symbol dafür, wie eine Jungfrau einer Blume an Schönheit gleichen kann. Tatsächlich waren Nelken im 15. Jahrhundert die Modeblume in Holland: Die Sucht, sich gegenseitig mit immer noch schöneren Exemplaren zu übertrumpfen – man nennt sie Dianthomanie oder Nelkenwahn –, führte zu einem übersteigerten Nelkenmarkt. Es wurden für Neuzüchtungen der sogenannten Götterblume Fantasiepreise bezahlt, die so manchen ruinierten.
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Die Bohne (Phaseolus vulgaris): Strohhalm, Kohle und Bohne entkommen in einem Märchen aus der Hütte einer armen Frau, die sich eine Bohnensuppe kochen wollte. An einem Bach nimmt die Freundschaft ein jähes Ende: Die Kohle bleibt zu lange auf dem Strohhalm, der als Brücke dient. Er fängt Feuer, zerbricht, und die Kohle fliegt ins Wasser. Die Bohne lacht – und zwar so sehr, dass sie zerplatzt. Ein Schneider erbarmt sich und näht sie wieder zusammen, weshalb alle Bohnen nun eine dunkle Naht haben. Es ist genau diese Naht, an der die Samenschale platzt, wenn die Bohne keimt. Die Magie des schnellen Wachstums, das frühe Reifen des Samens bedeuteten seit jeher Fruchtbarkeit samt Wohlstand.
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Der Apfel (Malus communis): Der Biss in die vergiftete Apfelhälfte brachte Schneewittchen zu Fall. Dabei sagt es schon der lateinische Name der Frucht, dass man den Apfel nur mit Vorsicht genießen sollte. Malus, das dem gotischen smals, dem althochdeutschen smal entspricht und „klein“ bedeutet, ist aus dem Lateinischen mit „schlecht“ und „böse“ zu übersetzen. Ein Hinweis auf den Sündenfall. Im Märchen dient der Apfel auch als Symbol für den Lohn großer Mühen, schreibt die Biologin Esther Gallwitz in „Schneewittchens Apfel“. Angelehnt an die Mühen der Menschen von damals, den Wildapfel als Ertragsobst zu kultivieren. So fängt im Märchen der Eisenhans dreimal den goldenen Apfel – und gewinnt am Ende das Herz der Königstochter.