Kampf der Kleingewerbe Deshalb geben immer mehr Metzger, Schuhmacher und Bäcker auf
In Deutschland gibt es immer weniger Handwerksbetriebe. Sie werben oft vergeblich um Nachwuchskräfte, kämpfen gegen ausufernde Bürokratie und um neue Kunden. Wir haben mit vier Betrieben aus der Region gesprochen.
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In Deutschland sind zwischen 2008 und 2018 29 Prozent der Bäckereien verschwunden.
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Tim Kleinle steht in der Backstube und schneidet eine lange Teigrolle in gleichmäßige Stücke. Seine Schwester Sarah Kleinle legt die Käseschnecken auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech. Er (21) macht derzeit seinen Bäckermeister und arbeitet in dem elterlichen Betrieb in Ludwigsburg-Poppenweiler. Sie (19) absolviert ihre Ausbildung zur Bäckerin in einem Fremdbetrieb. Irgendwann werden sie die Dinkelbäckerei Kleinle ihrer Eltern Volker und Petra Kleinle übernehmen.
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Der 50-jährige Volker Kleinle (Mitte) weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. „Ich habe Kollegen, die raten ihren Kindern, bloß nicht in den Beruf einzusteigen und stattdessen lieber zu studieren.“ Das Bäckermeister ist der Meinung, dass sich Betriebe den veränderten Bedürfnisse junger Menschen anpassen müssten. „Ich gehöre fast noch zu den Babyboomern, meine Kinder gehören zur Generation Z. Da spielt Freizeit eine wichtigere Rolle“, sagt er. Tim Kleinle glaubt, dass das Nachwuchsproblem schon in der Schule angegangen werden müsse. „Man erfährt zu wenig über Handwerksberufe, bekommt aber erklärt, welche weiterführenden Schulen man besuchen kann“, sagt er und ergänzt: „Keiner braucht 50 Anwälte, aber Bäcker braucht man immer.“
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Harald Schlag nimmt die „Gürkleswurst“ aus der Kühltheke und schneidet einige Scheiben ab. Seine Schwester und Geschäftspartnerin Regina Schlag reicht den Aufschnitt über die Theke. „Das Dunkle ist Rindfleischbrät“, sagt Laura Schlag, Harald Schlags Tochter. Die 23-Jährige kennt sich aus. Sie ist selbst Fleischermeisterin, arbeitet in dem Familienbetrieb mit. Ihrem Vater und ihrer Tante gehört die Metzgerei Schlag, die in Stuttgart-Mühlhausen ihr Stammhaus hat. Die Geschwister haben den Laden vor 18 Jahren vom Vater übernommen.
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Laura Schlag könnte irgendwann in ihre Fußstapfen treten. Ob sie das will, weiß sie noch nicht: „Das ist eine riesige Verantwortung, und ich habe keine Unterstützung.“ Vielen Metzgereien fehlt der Nachwuchs. Trotzdem, mutmaßt Harald Schlag, sei nicht das der Hauptgrund für das Metzgersterben, sondern die zunehmende Bürokratie. Ob die EU-Zulassung, die seit neun Jahren Pflicht ist, oder Kassen mit Sicherheitseinrichtung, die ab Januar vorgeschrieben sind: Das seien bürokratische Hürden, die sehr viel Geld kosteten. „Da geben einige vielleicht schneller auf als geplant“, sagt der 52-Jährige.
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Ralf Jaekels Blick schweift zu seinen Schuhen. „Die habe ich 1977 selbst gemacht“, sagt er. Sie sind nicht besonders auffällig, aus braunem Leder, passend zum restlichen Erscheinungsbild des 58-Jährigen. Der Mann mit den weißblonden Haaren und der runden Brille trägt ein dunkles Oberteil, eine Stoffhose und eine abgewetzte braune Lederschürze. „Heute habe ich dafür keine Zeit mehr“, fährt er fort. Der Stuttgarter ist Schuhmacher, in der Neckarstraße betreibt er sein eigenes Geschäft – und das boomt.
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Jaekel weiß nicht wohin mit dem Geschäft. Er arbeite mehr als 100 Stunden pro Woche, habe drei festangestellte Mitarbeiter und trotzdem seien das „viel zu wenige Leute“. Seine Kinder wollten nicht weitermachen, Kollegen ginge es ähnlich. Die Schuld für den Nachwuchsmangel sieht Jaekel bei der Politik und den Medien. Sie hätten „verpennt, für das Handwerk Werbung zu machen“. Stattdessen sei der Eindruck vermittelt worden, wer nicht studiere, sei weniger wert. Meldet sich doch mal potenzieller Nachwuchs, dann sei es der Schuhmacher, der absage. „Ich will keine Lehrlinge, die kosten Zeit“, sagt er. Und die habe er nicht.
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Gerne hätte Fritz Haux, trotz seiner 72 Jahre, noch weitergemacht. Doch gleich mehrere Umstände machten dem Inhaber von Haux Wohntextilien in der Reutlinger Innenstadt einen Strich durch die Rechnung. „Für meinen 1300 Quadratmeter großen Laden hatte ich drei Vermieter“, erzählt der Geschäftsmann. Angeboten wurden dort Kissen, Vorhänge, Tischdecken, Gartenmöbel und Grills. Das Geschäft mit seinen 38 Mitarbeitern war nach eigenen Angaben der deutschlandweit größte Anbieter von Weber-Grills. „Alle Vermieter haben mir zuerst zugesagt, dass die Verträge verlängert werden“, berichtet Haux. Doch dann sprang einer nach dem anderen ab.
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Und verloren hat Haux auch einen großen Lieferanten, der wesentlich dazu beigetragen hatte, dass genug Geld in die Kasse kam: Nachdem die Parfümeriekette Occitane in der Reutlinger Innenstadt ein eigenes Geschäft eröffnet hatte, verkaufte sie ihre Duftwässerchen nicht mehr an den Einzelhändler. Die Geschäfte aber, so berichtet Haux, seien dennoch weiterhin gut gelaufen. Doch da gab es noch ein Problem: Haux betrieb sein Geschäft zusammen mit seiner Partnerin Andrea Blume. Doch einen Nachfolger hatte er nicht. Im März hat er zugemacht. „Die letztenbeiden Jahre waren prekär“, sagt er über die Zeit davor. „Gerne hätte ich noch fünf bis sechs Jahre weitergemacht.“