Stuttgarts älteste Gebäude In diesen Mauern stecken die meisten Jahrhunderte
Eine intakte historische Altstadt hat Stuttgart nicht. Und doch findet man sie – die ältesten Stuttgarter Gebäude. Eine Spurensuche zwischen Stiftskirche und Schellenturm, Veitskapelle und dem Cannstatter Klösterle.
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Zwei der ältesten Stuttgarter Gebäude prägen die Stadtsilhouette: Das Alte Schloss und die Stiftskirche.
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Der Schellenturm in der Weberstraße aus dem Jahr 1564 war Teil der neu erbauten äußeren Stadtmauer. Die ursprüngliche Stadtmauer entlang der heutigen König- und Eberhardstraße war durch die beiden Vorstädte des 15. Jahrhunderts überflüssig geworden. Der heutige Schellenturm hieß ursprünglich Kastkellereiturm und wurde als Lagerraum genutzt. Erst 1811 wurde er in Schellenturm umbenannt.
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Der Name stammt von den sogenannten Schellenwerkern, Gefangene im Außendienst, die Schellen an der Kleidung hatten, damit die Wachen sie bei möglichen Fluchtversuchen hören konnten. Sie waren hauptsächlich beim Bau und Erhalt der Stadtmauer und des Straßenpflasters eingesetzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schellenturm stark beschädigt und stand in den 1950er Jahren schon auf der Abrissliste. In den 1970ern taten sich engagierte Stuttgarter Geschäftsleute zusammen und finanzierten die Restaurierung des Turms.
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Die Alte Kanzlei am Schillerplatz entstand zwischen 1542 und 1567. Sie diente den Württembergischen Herzögen als Verwaltungsgebäude. Es heißt, Herzog Ulrich habe die Alte Kanzlei aus den Steinen der Heslacher Marienkirche errichten lassen, die er abreißen ließ, um sich bei den Heslachern für einen Verrat zu rächen.
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Über einen Holzsteg, der die Kanzlei direkt mit dem Alten Schloss verband, konnte Ulrich direkt in das Verwaltungsgebäude gehen, um seinen Beamten auf die Finger zu sehen – ohne, dass er sich auf dem Schillerplatz unter das gemeine Volk mischen musste. Diesen Steg gibt es heute nicht mehr.
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So sah die Alte Kanzlei 1942 aus.
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Im historischen Bad Cannstatter Rathaus wurden die Eltern von Albert Einstein getraut und auch sonst atmet das spätgotische Gebäude Geschichte. Datiert wird das Rathaus auf 1491 und es hat viel von seiner Originalsubstanz behalten. Vermutlich diente das Gebäude aber nicht von Anfang an als Rathaus. Erst 1655 wurde es erstmals in dieser Funktion erwähnt.
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Das Gebäude steht nicht auf dem stabilsten Grund: Im 18. Jahrhundert sank das Fundament „um mehr als 2,5 Fuß in den Sulzkessel“ ab und musste aufwendig gestützt werden. Der markante Glockenstuhl, der das Rathaus schon von Weitem sichtbar macht, wurde übrigens erst im 17. Jahrhundert angebaut.
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So sah das Cannstatter Rathaus 1942 aus.
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Die Hospitalkirche gehört zu den drei ältesten Stuttgarter Kirchen. Sie wurde im Auftrag von Graf Ulrich V. zwischen 1471 und 1493 errichtet. Baumeister Aberlin Jörg stellte den schönen spätgotischen Chor fertig. Doch der Dominikanerkonvent, der in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche residierte, hatte kein Glück: Er bestand nur 60 Jahre. 1536 wurde das Kloster im Zuge der Reformation aufgehoben. Es wurde es in ein Spital umgewandelt, was der Kirche später ihren Namen gab. Spitäler waren die Vorläufer der heutigen Altenheime.
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Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Hospitalkirche optisch sehr verändert. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kirchengebäude fast vollständig zerstört und in den 1950er Jahren wieder aufgebaut – deutlich kleiner als zuvor und mit modernen Anklängen. Originalreste sind nur noch im Chor vorhanden. Zwischen 2015 und 2017 wurde die Hospitalkirche umfangreich saniert.
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So sah die Hospitalkirche 1942 aus.
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Die Bad Cannstatter Stadtkirche am Marktplatz ist ein weiteres Werk von Herzogs Ulrichs V. Baumeister Aberlin Jörg. Sie entstand zwischen 1465 und 1471. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie mehrfach umgebaut. Nur das Chorgewölbe besteht heute noch weitgehend aus Originalsteinen.
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Den Turm baute der bekannte Renaissance-Baumeister Heinrich Schickhardt zwischen 1612 und 1613. Das gotische Original war viel niedriger gewesen. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs nahm die Kirche schweren Schaden und wurde Ende der 1950er Jahre wieder aufgebaut.
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So sah die Cannstatter Stadtkirche 1942 aus.
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Die Weilimdorfer Oswaldkirche, wie sie heute aussieht, steht seit 1472 in der Ortsmitte. Davor gab es an derselben Stelle einen Vorgängerbau, der aus dem 12. Jahrhundert stammte. Ende des 16. Jahrhunderts wurde der Turm der Kirche durch einen Blitzschlag schwer beschädigt. Die Weilimdorfer bauten den Turm in nur fünf Monaten wieder auf.
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Die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs trafen auch die Oswaldkirche - der Hahn auf dem Kirchturm erlitt sogar einen „Bauchdurchschuss“ durch einen Bombensplitter. Bemerkenswert ist sie unter anderem auch wegen des von Hans Seyffer um 1510 geschaffenen Reliefs „Beweinung Christi“.
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So sah die Oswaldkirche 1942 aus.
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Das Klösterle (Marktstraße 71, Bad Cannstatt) aus dem Jahr 1463 gilt als Stuttgarts ältestes Wohnhaus – allerdings melden auch andere Gebäude Ansprüche auf diesen Titel an. Sehenswert ist das gut erhaltene alemannische Fachwerkhaus mit Erkerturm aber auf jeden Fall.
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Lange dachte man auch, das Klösterle habe als Unterkunft für die sozialen engagierten Ordensfrauen der Beginen gedient. Inzwischen gehen Historiker aber davon aus, dass das Klösterle ein Wohnhaus wohlhabender Bürger war. Später wurde das Haus arg vernachlässigt, das schöne Fachwerk war unter dicken Schichten Putz verborgen. In den 1980er Jahren hatten engagierte Cannstatter das Klösterle vor dem Abriss bewahrt und aus dem Dornröschenschlaf geholt.
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Teile der Alten Dorfkirche in Hedelfingen gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. 1449 wurde die ursprüngliche Kirche bei Brandschatzungen aber stark beschädigt und ab 1450 im spätgotischen Stil wieder aufgebaut und erweitert. Richtig alt ist inzwischen nur noch der Chor. Der Rest des Gebäudes ist deutlich jünger.
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Die Kirche wurde vom 17. bis ins 19. Jahrhundert mehrmals umgebaut. 1944 wurde die Dorfkirche bei einem Bombenangriff stark zerstört. Als in den 1950er Jahren die Kriegsschäden behoben werden sollten, legte man unter den weiß gestrichenen Wänden Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert frei. Eine Sensation. Leider wurden die Gemälde damals nicht fachgerecht restauriert. Nachgeholt wurde das in den 1990er Jahren.
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Einen Vorläufer der Leonhardskirche gab es schon um 1338 an gleicher Stelle. 1408 wurde dieses Kirchgebäude ausgebaut – von Hänslin Jörg, dem Vater des berühmten Stuttgarter Baumeisters Aberlin Jörg. Der Sohn verewigte sich von 1463 bis 1466 an der Leonhardskirche und entwarf ein neues Langhaus und Chorgewölbe.
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Von da an hatte die spätgotische Kirche in etwa die Ausmaße, wie wir sie heute kennen – samt ihrem schlanken, hochaufragenden Turm. So blieb sie praktisch unverändert, bis sie 1944 von Bomben stark zerstört wurde. 1948 begann man, die Leonhardskirche wieder aufzubauen – allerdings stark vereinfacht.
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So sah die Leonhardskirche 1942 aus.
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Heute sind im Fruchtkasten historische Musikinstrumente untergebracht, doch einst diente das Gebäude am Schillerplatz als Kelter und Kornspeicher. 1393 wird der Fruchtkasten als „große herrschaftliche Kelter hinter dem Stiftskirchhof“ erstmals urkundlich erwähnt. Heute grüßt noch der Weingott Bacchus, der auf einem Fass auf dem First sitzt.
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Als der Baumeister Heinrich Schickhardt elf Gebäude abriss und den Schlossplatz, wie der Schillerplatz damals hieß, Ende des 16. Jahrhunderts anlegte, ragte der Fruchtkasten fünf Meter in den neu geschaffenen Platz hinein. Schickhardt kürzte daraufhin den Bau und setzte die Renaissance-Fassade davor, die er heute noch hat. Im Zweiten Weltkrieg brannte der Fruchtkasten nieder und wurde in den 1950er Jahren entsprechend dem historischen Vorbild wieder aufgebaut.
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So sah der Fruchtkasten 1942 aus.
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Sie ist ein architekturgeschichtliches Kleinod – die Veitskapelle in Mühlhausen. Gebaut wurde das Kirchlein bereits ab 1380 im gotischen Stil. Die Veitskapelle ist die Stuttgarter Kirche, deren originale Wandmalereien am besten erhalten sind – das macht sie kunsthistorisch so bedeutsam.
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Der ursprüngliche Hochaltar der Veitskapelle steht heute in der Staatsgalerie. Glücklicherweise wurde die Veitskapelle über die Jahrhunderte nicht groß verändert und sieht heute praktisch so aus wie zur Zeit ihrer Erbauung. Auch die Bombardements des Zweiten Weltkriegs konnten ihr wenig anhaben. 2010 wurde die Kapelle umfassend renoviert.
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Das Alte Schloss trägt seinen Namen zurecht. Um 1300 wurde mit dem Bau begonnen. An seiner Stelle hatte es vermutlich seit dem 10. Jahrhundert schon eine Befestigungsanlage gegeben. Die zweite Burg mit Wassergraben wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zum Hauptsitz der Grafen von Württemberg.
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So wie wir das Alte Schloss heute kennen, sieht es erst seit einem Umbau Mitte des 16. Jahrhunderts aus. Damals gab Baumeister Aberlin Tretsch dem Alten Schloss sein charakteristisches Renaissanceantlitz. Auch die Schlosskapelle wurde da hinzugefügt. In den Weihnachtstagen des Jahres 1931 brannten Teile des Alten Schlosses aus, im Zweiten Weltkrieg wurde es noch stärker zerstört. Der Wiederaufbau begann erst Mitte der 1960er Jahre und dauerte bis in die 70er.
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So sah das Alte Schloss 1942 aus.
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Auch wenn die Stiftskirche nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut werden musste, nannte sie der legendäre Historiker Hansmartin Decker-Hauff zu Recht „das älteste heute noch in Stuttgart aufrecht stehende Bauwerk“. Damit bezog er sich auf das unterste Geschoss des Südturms, das vermutlich um 1170 entstand. Einst war die beeindruckende Stiftskirche ein frühromanisches Dorfkirchlein, die Anfänge des Gotteshauses liegen vermutlich im 10. oder 11. Jahrhundert. Bei Grabungen konnte die Apsis dieser Kirche freigelegt werden.
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Um 1240 wird aus der kleinen Dorfkapelle eine stattliche Kirche. Weil Stuttgart für die württembergischen Herrscher immer wichtiger wird, bekommt auch die Stiftskirche eine größere Bedeutung. Wie bei so vielen bedeutenden Stuttgarter Bauwerken haben auch hier die Jörgs ihre Hände im Spiel: Hänslin begann um 1430 mit dem Ausbau, sein Sohn Aberlin vollendete ihn. 1534 kam die Reformation. Und in der endlich fertiggestellten Stiftskirche wurde am 16. Mai 1534 die erste protestantische Predigt Württembergs gehalten.
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So sah die Stiftskirche 1942 aus.