Wahltag am Sonntag Zehn Gründe, wählen zu gehen
Wir können Ihnen die Wahlentscheidung nicht abnehmen. Aber wir können Ihnen sagen, warum es so wichtig ist, dass Sie am Sonntag im Kreis Ludwigsburg an die Wahlurne gehen.
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An diesem Sonntag finden gleich vier Wahlen auf einmal statt. Zehn Gründe, warum es sich lohnt, zur Wahl zu gehen, haben die Redakteure des Ludwigsburg-Büros gesammelt.
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Tim Höhn: „Weil Politik mehr Frauen benötigt“: Natürlich sind nicht alle Frauen gute Politikerinnen, Kreisrätinnen, Stadträtinnen. Dass aber Frauen in allen politischen Gremien unterrepräsentiert sind, ist ein Fehler. Und dass Deutschland eine Bundeskanzlerin hat, ändert nichts daran, dass Politik immer noch weitgehend Männersache ist. Dabei sollen Parlamente das gesamte Spektrum der Bevölkerung abbilden, und die Hälfte unserer Bevölkerung ist nun einmal weiblich. Frauen sehen Sachverhalte anders, sind weniger testosterongesteuert, urteilen vorsichtiger – und ihr Alltag sieht oft sehr anders aus als der von Männern. Frauen haben Schwächen und Stärken, wie Männer. Aber dass ihre Schwächen und Stärken kaum Eingang finden in die Politik, ist ein Mangel. Noch immer gibt es Parteien, die alle vorderen Plätze ihrer Wahllisten mit Männern vollstopfen. Das Tolle an der Kommunalwahl ist: Wähler sind nicht an Listen gebunden. Sie können Kreuze verteilen wie sie wollen. Die Chance sollten alle nutzen. Frauen wie Männer.
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Rafael Binkowski: „Weil die Demokratie junge Leute braucht“: Dieser Wahlkampf war so stark wie noch nie von sozialen Netzwerken geprägt. Wer sich für den Gemeinderat bewirbt, braucht eine gute Insta-gram-Story, um Jugendliche zu erreichen. Manche junge Kandidaten haben einen regelrechten Online-Wahlkampf mit Podcasts gemacht, um sich bekannt zu machen. Das ist prima, denn auf diesen Kanälen sind Menschen unter 30 zu Hause, können erreicht werden und nehmen am demokratischen Diskurs teil. Das alles war aber umsonst, wenn am Wahlsonntag oder davor schon per Briefwahl nicht ganz herkömmlich offline die Stimmzettel ausgefüllt werden.Das Durchschnittsalter in den Gemeinderäten und im Kreistag liegt bei Ende 50. Damit sich das ändert und auch junge Leute vertreten sind, müssen die Menschen unter 30 auch wählen gehen, am besten die Vertreter ihrer Generation. Damit es in den kommunalen Gremien in Zukunft einen guten Mix aus Erfahrung und jugendlichem Elan gibt.
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Christhard Henning: „Weil Mächtige der Kontrolle bedürfen“: Es ist nicht so, dass ich immer souverän wähle. Im Restaurant kann es sein, dass ich mit Appetit auf einen Hirtensalat eintrete, aber mit einer Pizza tonno, zwei Hefeweizen und einem knappen Pfund Tiramisu im Bauch heimgehe. Bei der Wahl am 26. Mai ist das anders. Ich war froh, dass die Stimmzettel früh im Briefkasten lagen. In der Wahlkabine meine Kreuze machen, das widerstrebt mir ob der vielen Kandidaten und der Fallstricke, die speziell bei der Kommunalwahl gespannt sind. Ich will Stimmen häufen, Bewerber selbst aus meiner favorisierten Partei ausnehmen von meiner Gunst. Ich verteile Voten an Aspiranten, die Geld für Schulen statt für Parkplätze ausgeben, die Vetternwirtschaft anprangern und für die ein Freibad nicht nur wegen der Gebührenschraube existiert. Ich vergebe Sympathiepunkte an die Listenletzten, weil mir der Platzhirsch zuwider ist. Ich mag diese Souveränität. Fettes Essen ist schnell verdaut, zu wenig Unterstützung für gute Leute in den Parlamenten führt zu jahrelanger Narretei.
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Roland Böckeler: „Weil es ein großes Privileg ist“: Es ist ein dicker Packen Papier mit vielen Listen und Namen, den jeder Wahlberechtigte in die Hände bekommt. Es ist keine Pflicht, sich damit zu beschäftigen. Der Aufruf, am Sonntag Stimmen zu vergeben, ist ein Wahlrecht. Aber ein Recht, das nicht selbstverständlich ist. Bis vor 100 Jahren war es den Frauen in Deutschland verwehrt, und 1945 musste jeder Wähler noch mindestens 21 Jahre alt sein. Zur Demokratie hier gehört auch, dass keiner erfährt, wer wen wählt und warum. Dieses freie Wahlrecht ist ein großes Privileg – das sich Menschen in teils gar nicht so fernen Ländern wünschen würden. In der Türkei etwa behält wohl so mancher Bürger seine Meinung für sich, aus Angst vor Konsequenzen. Auf die Straße gehen, um für ein demokratisches Wahlrecht zu kämpfen? Das muss hier keiner. Wir dürfen auf die Straße gehen und in ein Wahllokal streben, oder im Falle der Briefwahl zum Postkasten. Und dann dürfen wir uns bei der Auszählung der Stimmen freuen. Denn unsere ist mit dabei und bestimmt die Zukunft mit.
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Verena Mayer: „Weil Einmischen wichtig ist“: Ein Großmaul kennt bestimmt jeder. Und bestimmt ärgert sich jeder dann und wann über diese Typen: Reißen die Klappe auf und sagen, wo es lang geht. Während der eigentlich viel sympathischere und klügere Leisetreter gucken kann, wo er bleibt. Aber, so hart es klingt: der Leisetreter ist gar nicht klüger. Es ist sogar ziemlich dumm. Wer seine Stimme nicht nutzt, darf sich hinterher auch nicht beklagen, dass er nicht gehört wird. Schon klar, dass das auch und erst recht bei Wahlen gilt.Wenn mir Radwege wichtig sind, dann darf ich nicht denen das Feld überlassen, die mehr Platz für Autos wollen. Wenn ich will, dass die Stadt mehr Geld für Kinderbetreuung ausgibt, muss ich denen Kontra bieten, denen das Sparen wichtiger ist. Wenn ich günstige Bustickets gut finde, kann ich nicht nichts dafür tun – und dann auch noch maulen, dass „die da oben eh machen, was sie wollen“. Was eh Quatsch ist. Gerade Kommunalpolitiker treffen ihre Wähler immer und überall – und wollen bestimmt keinen Streit mit ihnen.
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Julian Illi: „Weil das Wichtige so nahe liegt“: Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, kreisen meine Gedanken selten um die Frage, wann und ob Großbritannien die EU verlässt oder wer wohl nach Angela Merkel Bundeskanzler werden könnte. Viel öfter ärgere ich mich über den schier endlosen Stau auf der Hauptstraße, wundere mich über die seit Jahren andauernde Baustelle neben dem Bahnhof und ich frage mich, warum in der Fußgängerzone schon wieder ein Laden dichtgemacht hat. Wenn ich ganz ehrlich bin, denke ich viel häufiger über Themen nach, die in der Kommunalpolitik entschieden werden als über die großen Entwicklungen der Weltdiplomatie. Weil mir, zumindest an den meisten Tagen, der neue Kindergarten an der Ecke näher ist als der Länderfinanzausgleich oder die personelle Ausstattung der Bundesmarine. Ich glaube, dass es vielen anderen genauso geht. Auch sie ärgern sich über Staus, Baustellen und das Ladensterben. Zur Kommunalwahl gehen sie trotzdem nicht. Und das ist ein Fehler. Denn: das Wichtige liegt so nah – nicht nur morgens.
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Philipp Obergassner: „Weil meine Stimme mehr Gewicht hat“: Die Wahlforschung kennt ein Paradoxon: Warum sollte ich überhaupt wählen gehen, wenn es doch sehr unwahrscheinlich ist, dass meine Stimme am Ende die Wahl entscheidet? Trotzdem gehen die Bürger wählen, was im Sinne der Theorie dann irrational ist. In diesem System weitergedacht erscheint die Stimmabgabe bei einer Kommunalwahl rationaler: Hier hat meine Stimme mehr Gewicht als beispielsweise bei einer Bundestagswahl, weil es weniger Wahlberechtigte gibt. Extremes Beispiel: Knapp 62 Millionen Personen waren 2017 im Bund wahlberechtigt, 1980 Personen sind es am Sonntag in der kleinsten Kommune im Landkreis, in Freudental. Der Ausgang der Kommunalwahl entscheidet auch ganz konkret über Entwicklungen in meinem direkten Umfeld. So geht es in Asperg beispielsweise darum, ob das Lehrschwimmbecken doch noch gerettet werden kann oder in Vaihingen/Enz könnte die geplante Ortsumfahrung der B 10 in Enzweihingen noch mal auf den Prüfstand kommen.
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Franziska Kleiner: „Weil ich mitgestalten möchte“: Muss eine Region, die schon reich ist, noch reicher werden? Muss eine Stadt noch mehr Millionen im Stadtsäckel ansammeln, weil die schlechteren Zeiten irgendwann ganz bestimmt kommen werden? Selbstverständlich kann ein Ort ohne erfolgreiche Unternehmen nicht sein. Aber ist gerade in guten Zeiten nicht auch einmal der Moment gegeben, in den Vordergrund zu rücken, was in schlechten Zeiten hintanstehen muss? Wann, wenn nicht in guten Zeiten, lässt sich darüber nachdenken – und danach handeln! – ob einer inspirierenden Subkultur im Ort nicht doch Raum gegeben werden kann. Und, vor allem, wie eine Stadt, der Landkreis, die Region wachsen soll. Dass sich die Stadt wandelt, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist unbestritten. Aber wie sie sich ausdehnt und verdichtet– ob in der Fläche zu Lasten der Natur, in die Höhe, im vertrauten Stil – oder aber in einer Architektur, die der Natur und dem sozialen Miteinander ihren Raum lässt: das will und kann ich hierzulande mitentscheiden.
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Susanne Mathes: „Weil ich die Folgen unmittelbar erlebe“: Hymnen auf unser Grundgesetz gibt es aktuell viele. Zum Thema „Unsere Rechte beim Wählen“ singe ich sie gleich noch einmal, im Fortissimo. Artikel 28 sagt: „In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.“ Was für eine großartige Sache! Ich kann souverän entscheiden, dass ich Menschen, die bei Entscheidungen zu Kinderbetreuung oder Schulausstattung eindrucksvoll bewiesen haben, wie sehr sie an den Alltagswirklichkeiten mancher Familien vorbeileben, meine Stimme vorenthalte. Gleichzeitig darf ich konkret einzelne Leute wählen, die ich für unabhängig, uneigennützig, kungel-unanfällig und für widerständig genug halte, selbst wenn die Partei oder Vereinigung, für die sie antreten, nicht „meine“ sind. Das ist Wählen de luxe. Zu hoffen wäre, dass auch neue Kandidaten mit neuen Blickwinkeln zum Zuge kommen. Bekanntheitsgrad, Erfahrung oder Listenplatz bürgen nicht für Qualität.
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Stefanie Köhler: „Weil wir so die Geschicke lenken können“: Bei der Kommunalwahl, wo die Vertreter der Bürger gewählt werden, kann jeder Einzelne ganz konkret das Geschehen vor der Haustür mitbestimmen, das Geschehen also, das einen unmittelbar betrifft. Die Entscheidungen des Gemeinderats wirken sich auf das Leben und Arbeiten im jeweiligen Ort aus. Nicht immer sind sich die Fraktionen bei der Lösung eines Problems einig. Zum Beispiel sucht Korntal-Münchingen nach Ideen, wie sich der wachsende Schuldenberg abbauen lässt. Indem man das städtische Hallenbad in Privathand gibt? Indem die Bürger mitreden, welche Projekte umgesetzt, welche gestrichen werden? Indem man eine Schuldenobergrenze setzt? Auch wenn das Ziel der Stadträte dasselbe ist – weniger Schulden machen – der Weg dorthin kann höchst unterschiedlich sein, gar unbefriedigend für Bürger, etwa wenn das Hallenbad am Ende nicht mehr wiederzuerkennen ist. Wer wählt und seine Stimme gibt – und damit auch die Stärke der Fraktionen beeinflusst – der hat die Geschicke vor Ort mit in der Hand.