Warum es so schwer ist, Niederlagen einzugestehen Vom Glück des Loslassens
Menschen kleben an ihren Ämtern, ereifern sich pausenlos, beharren darauf, immer im Recht zu sein. Wäre es nicht manchmal souveräner, sich zu entspannen und einfach aufzugeben?
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Sich eingestehen, dass man nicht alles beherrschen muss und im Loslassen eine Stärke sehen, dafür plädiert auch die Psychotherapeutin Irmtraud Tarr. Denker und Dichter haben ebenfalls über Distanz, Weltabgewandtheit und Skepsis geschrieben, wie die Bildergalerie zeigt.
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Auch die Philosophiegeschichte ist reich an Denkern, die auf Distanz setzten und nicht jede Aufregung mitmachten. Ein kleiner Überblick. Diogenes: Ähnlich wie die Hedonisten reagieren die Kyniker auf eine politisch schwierige Zeit mit Abkehr vom Politischen, aber sie ziehen andere Konsequenzen. Der griechische Philosoph und Kyniker Diogenes von Sinope (etwa 400 v. Chr. bis etwa 323 v. Chr.) lebte arm, setzte auf Selbstgenügsamkeit, Befreiung von äußeren Zwängen. Berühmt ist diese Anekdote: Als der Herrscher Alexander der Große ihn aufsucht und fragt, welchen Wunsch er ihm erfüllen dürfe, sagt er nur: Geh mir aus der Sonne.
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Epikur: Der von Aristippos von Kyrene begründete Hedonismus zeigte sich in der Abkehr vom politischen Leben. Und in der Annahme, Lust, auch körperliche, entspräche dem natürlichen Zustand des Menschen. Was läge näher als Schmerz zu vermeiden, Lust zu maximieren? Epikur (um 341 v. Chr. bis 270 v. Chr.), der bis heute berühmte Vertreter, führte den Hedonismus tugendhaft weiter: Höchste Lebenslust besteht vor allem in Seelenruhe, einem gelassenen Dasein ohne Angst vor dem Tod.
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René Descartes: Zweifel an der Erkenntnismöglichkeit führt dazu, dass man auf Abstand geht und reflektiert. Berühmtester Zweifler und Skeptiker ist René Descartes (1596 bis 1650). Der französische Philosoph traute nicht einmal seinen Sinnen. Es könnte ja sein, dass ein „Dämon“ das Denken täuscht. Kopf über die Decke und nichts mehr tun, ist aber nicht die Konsequenz. Dass irgendetwas zumindest da ist und denkt, ist für Descartes eine Gewissheit, die zu dem Satz „Ich denke, also bin ich“ führte.
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Arthur Schopenhauer: Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860) bezeichnete das Leben als mühselig. Der Mensch sei dennoch instinktmäßig lebenslustig. Er beschrieb das Dilemma gesellschaftlicher Nähe und Distanz so: Menschen drängen sich auf der Suche nach Wärme wie Stachelschweine zusammen, stechen sich aber und gehen auf Distanz. Mit den Stacheln meinte er „widerwärtige Eigenschaften“ und „unsägliche Fehler“ der Zeitgenossen. Die Lösung sei eine „mittlere Entfernung“, „Höflichkeit“ und „feine Sitte“.
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David Henry Thoreau: Der US-amerikanische Denker und Autor David Henry Thoreau (1817 bis 1862) hielt nicht so viel vom Treiben der Menge, umso mehr von Natureinsamkeit. Zeitweise bewohnte er eine Blockhütte, natürlich selbst gezimmert, beim Walden-See. „Walden“ heißt auch sein Hauptwerk, ein Lob aufs simple Leben, wie die Minimalisten heute fand er, dass man nicht Geld anhäufen, sondern bescheiden leben könnte, weniger arbeiten und mehr Zeit haben fürs Lesen, Denken, Natur erkunden.
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Friedrich Nietzsche: Pathos der Distanz ist ein in Friedrich Nietzsches (1844 bis 1900) späten Schriften auftauchender Ausdruck für das Gefühl vornehmer Überlegenheit. Allerdings setzt der deutsche Philosoph Vornehmheit nicht einfach nur mit Macht oder der Zugehörigkeit zu einer hohen Kaste gleich, sondern verficht eine „geistige Aristokratie“, die hart gegen sich ist. Man nimmt sich das Recht heraus, „Werte zu schaffen“ und vermeidet die Nähe zu allem, was niedrig, gemein oder dumm erscheint.
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Joris-Karl Huysmans: Der französische Autor, Ästhet und Gottsucher Joris-Karl Huysmans (1848 bis 1907) hat die wohl dunkel schillerndste Figur der Weltflüchtlinge erfunden: Jean Floressas Des Esseintes, Prototyp der Décadence. Er zieht sich in dem Roman „Gegen den Strich“ aus der als laut und geschmacklos empfundenen Realität zurück. Er gestaltet sein Zuhause mit extrem verfeinertem Geschmack. Das Leben in einer künstlichen Welt bekommt ihm aber doch eher schlecht.
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Homi K. Bhabha: Der 1949 in Indien geborene Kulturphilosoph und Literaturwissenschaftler Homi K. Bhabha kritisiert das traditionelle Kulturverständnis der Gegenwart. Kulturen gelten als Träger von stabilen, ewig gültigen Werten. Kultur zeichne sich aber vor allem durch stetigen Wandel und Unterschiede aus – die ständig diskutiert werden sollen. Kulturelle Differenz auszuhalten statt sie niederzubrüllen, den anderen in seiner Fremdheit anzuerkennen, statt ihn niederzubrüllen oder auszugrenzen, das wäre ein Anfang.