Schon vor der Erfindung des Autos war es auf den Straßen der Großstädte voll. Doch mit dem Auto wurde es noch gefährlicher. Am 5. August 1914 wurde in Cleveland daher die erste elektrische Ampel installiert. Heute gibt es allein in Deutschland etwa 1,5 Millionen.

Stuttgart - Rotes Ampellicht stoppt die Autofahrer in Würzburg und in Abu Dhabi, in Taiwan und in Singapur, in Israel und in Mexiko. Das Farbentrio Rot, Gelb und Grün ermöglicht weltweit und auch im größten Verkehrschaos, dass wenigstens noch irgendetwas fließt. Rot ist oben und heißt „Halt!“. Grün ist unten und gibt freie Fahrt. Nur die Übergänge über das Gelb regelt jedes Land nach eigenen Vorstellungen. Und die Chinesen haben einmal in den Zeiten der Kulturrevolution versucht, der Farbe Rot auch im Straßenverkehr zum Durchbruch als Signal des Fortschritts zu verhelfen. Der Versuch endete im Fiasko.

 

Chaos, Unfall und Stau – dieses andere Trio stand an der Wiege der Verkehrsampel. Manche verorten den Ort der Wiege in London. Doch es wurde eine Fehlgeburt. Noch war das Auto gar nicht erfunden, da standen die Abgeordneten vor den Londoner Houses of Parliament an einer Straße, die sie kaum überqueren konnten vor lauter Fußgängern, Fuhrwerken, Pferdeomnibussen und Droschken, die immer schneller und aggressiver fuhren. Am 10. Dezember 1868 machte man eine Anleihe bei der Eisenbahntechnik. Eine Konstruktion mit zwei beweglichen Flügeln, die ein Polizist bedienen musste, signalisierte Rot für Halt und Grün für freie Fahrt. Für die dunklen Stunden des Tages erhielt die erste Ampel der Welt auf ihrer Spitze eine drehbare Gaslaterne mit roten und grünen Scheiben. Doch schon am 2. Januar des Folgejahres meldete die Londoner „Times“ eine Gasexplosion, die nicht die erste war. Als der Polizist das Gas für die Nacht abdrehen wollte, verbrannte die Explosion ihm das Gesicht. Das Experiment Ampel war tot.

Vorläufig jedenfalls. Der Straßenverkehr nahm weiter zu und wurde noch gefährlicher durch das Auto. Allmählich verstand man auch die Segnungen der Elektrizität zu nutzen. Und so schlug heute vor hundert Jahren, am 5. August 1914, die Geburtsstunde der ersten elektrischen Verkehrsampel. Die American Traffic Signal Corporation installierte an allen vier Seiten der Kreuzung East 105th Street und Euclid Avenue in Cleveland, Ohio, Schilder, die, elektrisch beleuchtet und bewegt, die Signale STOP und MOVE zeigten. Gesteuert wurde von Hand aus einem Häuschen neben der Straße. Eine elektrische Sperre verhinderte, das aus Versehen allen vier Straßen das Signal MOVE gegeben wurde. Später erhielt der Erfinder James B. Hoge dafür das Patent. Die Zeitschrift des Automobilclubs von Cleveland, „The Motorist“, war sich der Sache in ihrer Ausgabe vom August 1914 noch nicht ganz sicher: „Vielleicht ist es die Bestimmung dieses Systems, den Umgang mit dem Verkehr auf überfüllten städtischen Straßen zu revolutionieren. Verkehrskomitees sollten einen generellen Einsatz ernsthaft prüfen.“

Ampeln mit den Farben Rot und Weiß

Später meldeten sich andere mit ähnlichen Ideen. Aus Salt Lake City berichtet das Utah Department of Transportation von einer Erfindung des Polizeioffiziers Lester Wire von 1912. Sie sah aus wie ein Vogelhäuschen mit übereinander angeordneten, roten und grünen Lichtern in den Seitenwänden. Ein Polizist bediente die Ampel von Hand.

Die ersten Ampeln mit drei Farben seien 1919 oder 1920 in Detroit und New York aufgestellt worden, heißt es in einem historischen Rückblick aus dem Hause Siemens. Rot stand für Halt, Grün für Vorsicht und Weiß für freie Fahrt. Die Farbwahl bewährte sich nicht: War das rote Glas kaputt, sahen die Ankommenden Weiß – ein fataler Fehler.

1922 kam die Ampel mit den drei Farben Rot, Gelb und Grün nach Europa, zunächst nach Paris und Hamburg. 1924 stieg Siemens in das Geschäft ein – mit einem berühmten Ampelturm auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Der Turm zeigte außer den Ampeln auf vier Seiten Uhren und bot hoch über dem Verkehr einen Unterstand für einen Polizisten, der beobachten und eingreifen konnte.

Heute gibt es in Deutschland etwa 1,5 Millionen Ampeln (amtlich: Signalgeber) und rund 50 000 Kreuzungen mit teils Dutzenden von Ampeln (Lichtsignalanlagen). Marktführer Siemens bestückt Ampeln seit 2010 ausschließlich mit LEDs, die 90 Prozent weniger Energie brauchen als Glühbirnen.

Konkurrenz für die Ampeln

Auch von handgesteuerten Rot- und Grün-Phasen ist heute keine Rede mehr. Ampelanlagen orientieren sich automatisch am Verkehrsfluss und schalten auf grüne Welle oder geben die Fahrt frei für Busse, Bahnen und Einsatzfahrzeuge. In Potsdam ist ein System in Betrieb, das aus Wetter, Wind, Temperatur und Bebauung ein Schadstoffprofil eines Straßenabschnitts errechnet und bei hohen Feinstaub- und Stichoxidwerten den qualmenden Kolonnen grüne Welle gibt oder sie mit verkürzten Grünphasen auf andere Strecken umleitet. Und zur Wartung muss zu einer modernen Ampelanlage meist niemand mehr hinfahren. Auch Ampeln sind heute per PC, Smartphone oder Tablet erreichbar.

Trotzdem werden manchmal zwei Entwicklungen genannt, die der Ampel den Garaus machen könnten. Die eine ist das autonom fahrende Auto, das nur noch elektronische Signale braucht. Dessen Zukunft liegt aber in weiter Ferne – und für Fußgänger wird man weiterhin eine Ampel benötigen.

Die andere Konkurrenz zur Ampel ist der Kreisverkehr. Er ist älter als die Ampel, war in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weit verbreitet, kam aus der Mode und erlebt seit den neunziger Jahren eine neue Blüte. Er hat seine Vorteile, vor allem dort, wo viel Platz ist. Doch Wilke Reints, Entwicklungsleiter Intelligent Traffic Systems bei Siemens, nennt auch einen Nachteil: „Sobald ein Kreisverkehr überstaut ist, kommt der Verkehr in allen Richtungen vollständig zum Erliegen. Daher können Kreisverkehre nur dort eingesetzt werden, wo das Verkehrsaufkommen immer unter der Kapazitätsgrenze der Straßen bleibt.“ Solange also die weltweite Liebe zum Auto weiter wächst und die Blechströme an immer neue Kapazitätsgrenzen der Straßen bringt, hat die Ampel eine große Zukunft vor sich.