Beim HTC Stuttgarter Kickers wird das 100-jährige Bestehen gefeiert – ganz ohne Auszeichnungen. Der Verein ist durch und durch ein Familienverein.

Stuttgart-Degerloch - Eigentlich ist alles für ein großes und rauschendes Fest angerichtet. Die Einladungen sind in alle Welt verschickt. Das Programm steht, und die optische Erscheinung des Jubilars – sprich das Vereinsgelände an der Hohen Eiche – ist bestens präpariert. Den Feiern zum 100-jährigen Bestehen des HTC Stuttgarter Kickers an diesem Wochenende steht im Grunde genommen nichts im Weg.

 

Aber gibt es überhaupt einen Grund zum Feiern? Zwar gründeten der zugezogene Berliner Hans Netzband und fünf Kollegen am 6. August 1913 im Stuttgarter Charlottenhof eine Hockeyabteilung unter dem Dach des Sportvereins Stuttgarter Kickers. Eigenständig – und dann auch mit dem heutigen Namen Hockey und Tennisclub versehen – wurde der HTC aber erst 1957.

„Genügend Anlass zum Feiern“

„Es gibt Stimmen im Verein, die sagen, es gebe keinen Grund zum Feiern, aber das ist aus meiner Sicht falsch. Wir sind nicht der einzige Verein, der nicht unter dem heutigen Namen gegründet wurde. Kickers-Hockey ist 100 Jahre alt; deshalb gibt es für mich genügend Anlass zum Feiern.“ Das sagt Wolff Aichinger. Er ist ein Mann, dessen Wort in dem Verein mit 900 Mitgliedern noch immer Gewicht hat. Ein offizielles Amt hat der 77-Jährige nicht mehr; allerdings hat seine Familie – ausgehend von seinem Vater Karl „Aich“ Aichinger, dem langjährigen Vereinsvorsitzenden – den Hockeysport und das Clubleben über acht Jahrzehnte geprägt. Die Neefs, die Roths, die Brandensteins, die Wüterichs und die Aichingers – diese und viele andere Familien waren über Generationen erfolgreiche Trainer und Funktionäre.

„Der HTC war immer ein Familienverein. Einzelne Familien haben den Club getragen, aber wir waren auch eine große und starke Sportfamilie“, sagt Albert-Hugo Stinnes. Er ist Anfang der 80er-Jahre aus Mühlheim an der Ruhr nach Stuttgart gekommen und war von 1988 bis 2003 der Vorsitzende.

Jedes Mitglied gleich behandeln

Wie in jeder anderen Familie wurde während der vergangenen 100 Jahre beim führenden württembergischen Hockeyclub gemeinsam gefeiert, gejubelt, diskutiert und gestritten. Karl „Aich“ Aichinger war 1928 von Augsburg nach Stuttgart gezogen. Er hat den Verein 15 Jahre lang geführt und sechs Jahrzehnte lang geprägt. Eine seiner Maximen war es, jedes Mitglied gleich zu behandeln. Heute sagt sein Sohn Wolff Aichinger: „Mein Vater hasste es, Orden oder Auszeichnungen für besondere Leistungen oder langjährige Mitgliedschaften zu verteilen. Deshalb gibt es so etwas bei uns bis heute nicht; genauso wenig wie eine Aufteilung nach sportlichen Abteilungen; bei uns sind alle HTC-ler gleich viel wert.“

Wolff Aichinger hat gemeinsam mit seinem Bruder Utz – dem späteren 59-maligen Nationalspieler – im Jahr 1945 sein erstes Spiel für die damalige Hockey-Abteilung innerhalb des SV Stuttgarter Kickers bestritten. Sportliche Erfolge, Meisterschaften, eine Vielzahl von Nationalspielern in der Jugend und bei den Aktiven, die Teilnahme an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sind nur ein Teil dessen, was den HTC auszeichnet.

„Was mir Sorgen bereitet, ist der sportliche Teil“

Genauso große Bedeutung hat das Vereinsleben. Dazu zählen Turniere, Feste und die langjährigen Kooperation mit der Merz-Schule sowie mit der Familie Merz. Der Zusammenhalt wird auch durch die vielen Arbeitsstunden am Clubheim, an der Anlage, am Schwimmbad oder an der Hockeyhalle immer wieder dokumentiert.

„Mir hat in den vergangenen Jahren gefallen, dass die Jugendarbeit eine immer größere Rolle spielt“, sagt der Ex-Vorsitzende Albert-Hugo Stinnes. „Was mir Sorgen bereitet, ist der sportliche Teil, besonders im Damenbereich.“ Stinnes beklagt den zunehmenden Verlust von Sponsoren. Außerdem fehlen aus seiner Sicht sportliche Konzepte.

Insgesamt sei der Verein im Jubiläumsjahr gut aufgestellt, betont Wolff Aichinger. Er begleitet den Club seit nunmehr 70 Jahren. Die Vereinsadresse hat mehrfach gewechselt: von Degerloch und Vaihingen über Bad Cannstatt. Seit 1958 hat der HTC seinen Sitz in den Bopseräckern. Bis zum Jahr 2006 hat Aichinger noch in der dritten Herrenmannschaft gespielt. „Es gibt mittlerweile Vereine in anderen Bundesländern, aber auch in Baden-Württemberg, die unsere Talente mit Geld oder beruflichen Möglichkeiten locken und ihnen bessere sportliche Perspektiven bieten. Es ist natürlich, dass uns jemand verlässt; ich selbst habe während des Studiums auch drei Jahre in Zürich gespielt. Wichtig ist, dass wir weiter zusammenhalten und jeder irgendwann zurückkehren kann, wenn es die Situation zulässt“, sagt Wolff Aichinger ganz in der Tradition seines Vaters „Aich“.