Das erste dieser in Gemeinschaftsarbeit finanzierten, erstellten und geleiteten offenen Häuser mit Wald- und Grünflächen wurde 1908 in Heslach eröffnet - auf Initiative des Sozialdemokraten Karl Oster, der später als Emigrant aufseiten der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg kämpfen sollte. 1909 folgte Sillenbuch, 1910 Gaisburg, 1912 Wangen und im gleichen Jahr Hedelfingen. 1911 eröffnete das Waldheim Zuffenhausen, das bis zur Machtergreifung der Nazis am Neuwirtshausbahnhof lag. Dort wurde zeitgleich ein sechzigköpfiges Blasorchester gegründet. Wie in den anderen Waldheimen spielten Kultur und Bildung eine große Rolle. Hier konnte man frei durchatmen, Theater spielen, kegeln, es gab Konzerte, Lesungen, Schulungsabende.

 

Manfred Glöck ist in diesem sozialdemokratischen Geist aufgewachsen, in seinen Bücherregalen steht immer noch Marx neben Tolstoi, an den Wohnzimmerwänden hängen fein gearbeitete Zeichnungen von seiner Hand. "Ich wollte Wissen haben, deshalb habe ich immer an mir gearbeitet", sagt er. Wer könnte also besser davon erzählen, wie aus einem Traum von einem eigenen Ort für die Proletarier, an dem sie sich zwanglos mit Gleichgesinnten treffen können, um die Natur zu genießen oder einfach nur mit den Kindern zu schaukeln, Anfang des 20. Jahrhunderts Realität wurde?

Zuffenhausener Waldheim zunächst Erholungsort für kranke Kinder

Am Beginn der Waldheimbewegung, das erschüttert einen Mann wie Manfred Glöck noch heute, standen die Nöte der zahllosen kranken und unterentwickelten Kinder, die in den dreckigen lichtarmen Quartieren der ärmeren Stuttgarter Bevölkerung heranwuchsen. Ihre Eltern verdienten meist zu wenig zum Überleben, und so war Kinderarbeit in der neu angesiedelten Textil-, Glas-, Leder- und Holzindustrie in Zuffenhausen keine Seltenheit. Nach einer Untersuchung des Stadtarztes Dr.Castpar konnte man nur 18 Prozent der Heranwachsenden als gesund bezeichnen. Als die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter am 28. Mai 1911 den Verein Waldheim Zuffenhausen e.V. gründeten, planten sie deshalb den gemeinschaftlichen Kauf eines Grundstücks am Birkenwald, auf dem neben einer Gaststätte ein Kinderspielplatz, ein Sportplatz und eine Theaterbühne unterkommen sollten. Die Festrede zur Eröffnung hielt dann einige Zeit später die Linkssozialdemokratin und spätere Kommunistin Clara Zetkin. Unbeaufsichtigt von Parkwächtern, nicht unter Druck gesetzt von Gastwirten - in den selbst bewirtschafteten Waldheimen gab es keinen Verzehrzwang - konnten dort Alt und Jung nun ihre Wochenenden an der frischen Luft verbringen und Kraft schöpfen für ihren schwierigen Alltag. Bald wurden in den Sommermonaten die Kinderfreizeiten als Stadtranderholung organisiert, die bis heute vielen jungen Stuttgartern die großen Ferien verschönern. Wie heiter und doch diszipliniert es da zugehen konnte, lässt sich auf den vielen historischen Fotos sehen, die Manfred Glöck zusammengetragen hat. Er weiß aber auch zu erzählen, wie schnell diese soziale Utopie von den politischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit eingeholt wurde.

Denn spätestens nach dem Ersten Weltkrieg, der den geregelten Betrieb des Waldheims wegen der vielen eingezogenen Mitglieder und der allgemeinen Not unmöglich machte, und der viele Waldheimaktivisten das Leben kostete, zerbrach die Arbeiterbewegung auch in Stuttgart in unversöhnlich gegeneinander kämpfende Gruppierungen. Hatte man gerade noch versucht, gemeinsam die Ärmsten der Armen durch Notspeisungen und Sommerkolonien zu unterstützen, grenzten sich in den Zeiten der Weimarer Republik Sozialdemokraten und Kommunisten der verschiedensten Schattierungen gegeneinander ab. 

Erstes Waldheim bereits 1908 in Heslach gegründet

Das erste dieser in Gemeinschaftsarbeit finanzierten, erstellten und geleiteten offenen Häuser mit Wald- und Grünflächen wurde 1908 in Heslach eröffnet - auf Initiative des Sozialdemokraten Karl Oster, der später als Emigrant aufseiten der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg kämpfen sollte. 1909 folgte Sillenbuch, 1910 Gaisburg, 1912 Wangen und im gleichen Jahr Hedelfingen. 1911 eröffnete das Waldheim Zuffenhausen, das bis zur Machtergreifung der Nazis am Neuwirtshausbahnhof lag. Dort wurde zeitgleich ein sechzigköpfiges Blasorchester gegründet. Wie in den anderen Waldheimen spielten Kultur und Bildung eine große Rolle. Hier konnte man frei durchatmen, Theater spielen, kegeln, es gab Konzerte, Lesungen, Schulungsabende.

Manfred Glöck ist in diesem sozialdemokratischen Geist aufgewachsen, in seinen Bücherregalen steht immer noch Marx neben Tolstoi, an den Wohnzimmerwänden hängen fein gearbeitete Zeichnungen von seiner Hand. "Ich wollte Wissen haben, deshalb habe ich immer an mir gearbeitet", sagt er. Wer könnte also besser davon erzählen, wie aus einem Traum von einem eigenen Ort für die Proletarier, an dem sie sich zwanglos mit Gleichgesinnten treffen können, um die Natur zu genießen oder einfach nur mit den Kindern zu schaukeln, Anfang des 20. Jahrhunderts Realität wurde?

Zuffenhausener Waldheim zunächst Erholungsort für kranke Kinder

Am Beginn der Waldheimbewegung, das erschüttert einen Mann wie Manfred Glöck noch heute, standen die Nöte der zahllosen kranken und unterentwickelten Kinder, die in den dreckigen lichtarmen Quartieren der ärmeren Stuttgarter Bevölkerung heranwuchsen. Ihre Eltern verdienten meist zu wenig zum Überleben, und so war Kinderarbeit in der neu angesiedelten Textil-, Glas-, Leder- und Holzindustrie in Zuffenhausen keine Seltenheit. Nach einer Untersuchung des Stadtarztes Dr.Castpar konnte man nur 18 Prozent der Heranwachsenden als gesund bezeichnen. Als die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter am 28. Mai 1911 den Verein Waldheim Zuffenhausen e.V. gründeten, planten sie deshalb den gemeinschaftlichen Kauf eines Grundstücks am Birkenwald, auf dem neben einer Gaststätte ein Kinderspielplatz, ein Sportplatz und eine Theaterbühne unterkommen sollten. Die Festrede zur Eröffnung hielt dann einige Zeit später die Linkssozialdemokratin und spätere Kommunistin Clara Zetkin. Unbeaufsichtigt von Parkwächtern, nicht unter Druck gesetzt von Gastwirten - in den selbst bewirtschafteten Waldheimen gab es keinen Verzehrzwang - konnten dort Alt und Jung nun ihre Wochenenden an der frischen Luft verbringen und Kraft schöpfen für ihren schwierigen Alltag. Bald wurden in den Sommermonaten die Kinderfreizeiten als Stadtranderholung organisiert, die bis heute vielen jungen Stuttgartern die großen Ferien verschönern. Wie heiter und doch diszipliniert es da zugehen konnte, lässt sich auf den vielen historischen Fotos sehen, die Manfred Glöck zusammengetragen hat. Er weiß aber auch zu erzählen, wie schnell diese soziale Utopie von den politischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit eingeholt wurde.

Denn spätestens nach dem Ersten Weltkrieg, der den geregelten Betrieb des Waldheims wegen der vielen eingezogenen Mitglieder und der allgemeinen Not unmöglich machte, und der viele Waldheimaktivisten das Leben kostete, zerbrach die Arbeiterbewegung auch in Stuttgart in unversöhnlich gegeneinander kämpfende Gruppierungen. Hatte man gerade noch versucht, gemeinsam die Ärmsten der Armen durch Notspeisungen und Sommerkolonien zu unterstützen, grenzten sich in den Zeiten der Weimarer Republik Sozialdemokraten und Kommunisten der verschiedensten Schattierungen gegeneinander ab. 

Nationalsozialismus prägte Glöck's Kindheit

Der Alltag in den Waldheimen, das Zuffenhausener nicht ausgenommen, war nicht mehr vom geselligen Miteinander, sondern von politischen Streitigkeiten geprägt. Daran zu erinnern, mit welcher Härte sich die Vertreter der unterschiedlichen linken Strömungen teilweise bekriegten, ist für einen überzeugten Gewerkschaftsmann wie Manfred Glöck noch heute schmerzlich. Als dann die Nazis den Staat übernahmen, wurden alle führenden Waldheimaktivisten von der SA verhaftet und eingesperrt, die Waldheimgelände und die Vereinsvermögen beschlagnahmt.

Manfred Glöck war damals gerade drei Jahre alt, seine Kindheit prägte forthin das heimliche Gespräch von Familienmitgliedern und politischen Weggefährten des Vaters über das, was jetzt im Land passierte - "Vernichtung politischer Gegner, Judenverfolgung inklusive", sagt er. Ob ihn diese Erfahrung geprägt hat? Sie liegt wohl seinem umfassenden Engagement zugrunde, das ihn längst zum Ehrenmitglied des Waldheimvereins Zuffenhausen hat werden lassen. 1950 wurde der Verein neu gegründet und auf der Schlotwiese, gleich bei Glöcks nebenan, ein baumbestandenes Gelände bezogen. Bald entwickelte sich wieder ein reges Vereinsleben mit kulturellen und politischen Inhalten. Außerdem wurden dort seither 34 Kinder- und Jugendfreizeiten veranstaltet, wie der jetzige Vereinsvorsitzende Dieter Kupsch betont. Er versucht mit einem festen Kern von Mitstreitern, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Waldheimidee nicht zu verraten, und sie dennoch der veränderten Freizeitwelt anzupassen. Längst wird die dortige Gaststätte nicht mehr in Eigenregie der Mitglieder betrieben, sondern von einer türkischstämmigen Familie, die ganz selbstverständlich Köfte neben Maultaschen anbietet.

Zum 100. Geburtstag eröffnet man diesen Sommer an der Schlotwiese in den hohen Eichen des Geländes einen Waldseilgarten, dessen 60 Kletterelemente in bis zu zehn Metern Höhe künftig wieder mehr Besucher anziehen sollen. Manfred Glöck macht keinen Hehl daraus, dass er diese Veränderungen "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" sieht. "Ich denk halt", sagt der alte Waldheimer, "besonders an die Vögel auf dem Gelände, mit denen ich immer so gerne schwätz."