Das Künstlerduo Teresa Hubbard / Alexander Birchler hatte in den neunziger Jahren an der Akademie Schloss Solitude ein Stipendium. Dem verdanken die beiden auch ihren Erfolg.

Kultur: Adrienne Braun (adr)
Stuttgart – - Die Akademie Schloss Solitude feiert am Wochenende ihr 25-jähriges Bestehen. Das erfolgreiche Künstlerduo Teresa Hubbard und Alexander Birchler hatte hier ein Stipendium. Inzwischen lebt das Paar in Texas, von wo aus sich Birchler im Gespräch gerne an die Zeit in Stuttgart zurückerinnert.
Herr Birchler, können Sie sich noch erinnern? Wir haben vor zwanzig Jahren schon mal ein Interview geführt, als Sie mit Teresa Hubbard an der Solitude waren.
Nein, das weiß ich nicht mehr, aber es freut mich, dass wir das jetzt noch einmal machen. Ich habe keine Erinnerung mehr.
Sie sind gerade in Austin in Texas, was hat Sie dorthin verschlagen?
Wir leben hier seit 2000. Teresa hat eine Professur an der Universität Austin, das ist der Grund, weswegen wir hier hingezogen sind. Wir dachten eigentlich, dass wir nur kurz bleiben, aber es gefällt uns.
Vor fast zwanzig Jahren waren Sie Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude. Hat Ihnen im Rückblick der Aufenthalt für Ihre Karriere etwas gebracht?
Natürlich. Damals hatten wir erst eine große, wichtige Ausstellung im Kunstmuseum Basel gehabt. Gerade wenn man jung ist, ist es ganz wichtig, sich ein Jahr lang ausschließlich der Kunst widmen zu können. Das gibt einem die Möglichkeit, richtig zu arbeiten.
Was ist wichtiger: Zeit und Geld? Oder sind es die Kontakte, die entstehen?
Es ist beides. Grundsätzlich ist es das Finanzielle: man muss nicht jobben und kann sich sieben Tage die Woche der Kunst widmen. Wenn man jünger ist, hat man keine Professur, sondern irgendeine schlecht bezahlte Arbeit. Man hat nur spät am Abend oder am Wochenende Zeit für die Kunst. Aber die Kontakte sind auch wichtig, dass man im Diskurs ist mit Gleichgesinnten. Dass man sieht, dass man nicht der Einzige ist mit Zielen und Idealen. Und natürlich ist es auch die Anerkennung.
Wie zeigt sich diese Anerkennung?
Uns hat Jeff Wall ausgewählt. Die Juroren der Solitude sind arrivierte Künstler, und es ist eine große Anerkennung, wenn sie die eigene Arbeit schätzen. Darum geht es eben auch bei Stipendien, dass man sieht, man ist auf dem richtigen Weg.
Aber gab es auch ganz konkrete Kontakte, die sich ausgezahlt haben?
Der Aufenthalt an der Solitude ermöglichte uns erste Kontakte zum Württembergischen Kunstverein, der Staatsgalerie Stuttgart und der Villa Merkel. Ich erinnere mich auch noch gut an einen Atelierbesuch an der Akademie von Philipp Kaiser, dem ehemaligen Direktor des Museums Ludwig in Köln. Daraus ergaben sich Ausstellungen, wenn auch teilweise erst Jahre später.
Sie kommen aus der Schweiz, Teresa Hubbard aus Irland, Sie haben sich beim Studium in Halifax kennengelernt. Woher wussten Sie, dass es die Solitude gibt?
1993 sind wir von Kanada in die Schweiz gezogen. 1995 haben wir in Basel einen Preis bekommen. 1997 waren wir dann auf Solitude. Ich erinnere mich nicht mehr genau, woher wir das wussten. Heutzutage kennt man Solitude sehr gut, damals hat mir das wohl jemand gesteckt. Ich kannte auch niemanden, der dort gewesen war.
Sie hatten beide mehrere Stipendien, unterscheidet sich die Solitude von den anderen Häusern?
Solitude ist anders, die Situation ist eine andere. Man ist auf dem Schloss ziemlich isoliert, man ist weg von der Stadt. Damals waren wir vielleicht zwölf Stipendiaten, man lebte eng aufeinander, aß täglich zusammen.
Und das war zum Beispiel im Künstlerhaus Bethanien in Berlin anders?
In Bethanien haben die Künstler Ateliers an verschiedenen Orten, man trifft sie vielleicht zwei Mal pro Woche. In Berlin gibt es viel Ablenkung, die Künstler haben mehr Kontakte außerhalb. In Stuttgart bleibt man auf der Solitude. Die Solitude ist aber auch bekannt dafür, ein sehr großzügiger Ort zu sein.
Inwiefern?
Ich erinnere mich, dass man uns damals nicht nur den Aufenthalt bezahlt hat, sondern auch die Miete unserer Wohnung. Normalerweise muss man sich nach dem Jahr, das man weg ist, eine neue Wohnung suchen. Die Solitude gilt gemeinhin als sehr großzügig.
Einige Stipendiaten tun sich am Anfang schwer damit, dass die Solitude so abgelegen liegt und der Bus nur selten fährt. Plötzlich ist man in der Fremde und Einsamkeit und ganz auf sich selbst zurückgeworfen. Haben Sie das auch so erlebt?
Nein, ich weiß, dass es für andere ein Problem war, aber für uns nicht. Wir haben vorher schon an isolierten Orten gearbeitet. Wir haben das geschätzt, weil man dadurch viel arbeiten kann.
Sie machen Foto- und Videoarbeiten, für die sie aufwendige Szenerien bauen. Ließ sich das auch auf der Solitude realisieren?
Wir sind damals nur mit einer Kamera gereist, da wir keine anderen finanziellen Möglichkeiten hatten. Auf der Solitude hatten wir ein ziemlich großes Atelier. Das ging schon, sich dort einzurichten und eine Infrastruktur aufzubauen, damit man arbeiten kann.
Ist das System der Stipendien und Residenz-Programme aus Ihrer Sicht also sinnvoll?
Stipendien sind ganz wichtig. Wir sind ein Musterbeispiel. Wir haben uns bei einem Residenzprogramm kennengelernt. Wir waren an vier, fünf Orten, ohne die wir nicht geworden wären, was wir heute sind. Wenn man als Künstler arbeiten will und keine reichen Eltern hat, geht es nicht anders. Aber der Diskurs ist auch wichtig. Solitude ist da besonders. Es gibt viele Residenzprogramme, da geht man hin, hat ein Atelier – und ist allein. Solitude hat dagegen einen Diskurs und ist interdisziplinär angelegt.
Der Direktor Jean-Baptiste Joly erwähnt gern sein weltweites Netzwerk. Haben Sie noch Kontakte zur Solitude oder ehemaligen Stipendiaten?
Teilweise. Teresa war später noch mal als Jurorin auf der Solitude. Unter denen, die sie ausgewählt hat, gibt es ein größeres Netzwerk. Wir sind hier in Austin relativ weit weg, aber wir treffen immer wieder Leute, die auch mal auf der Solitude waren.
Erinnern Sie sich an ein besonderes Erlebnis damals auf der Solitude?
Nein, nur eines: Solitude ist ganz toll. Das ist schon eine Ausnahme, gerade bei den ganzen Sparprogrammen in der Kunst. Solitude ist der Mercedes der Künstlerresidenzen.