Ein offenbar aus dem Staatsministerium stammender Sprechzettel wirft neue Fragen zum Einsatz im Schlossgarten vom 30. September auf.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ein offenbar aus dem Staatsministerium stammender Sprechzettel wirft neue Fragen zum Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten auf. Das der StZ zugespielte Papier beinhaltet den "Vorschlag einer Sprachregelung" (so die Überschrift), wonach die Politik keinerlei Einfluss auf das Vorgehen der Polizei genommen habe. Während das Staatsministerium eine solche abgestimmte Kommunikation als normal bezeichnete, sieht die Opposition darin neue Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Regierung. Zudem will sie wissen, warum das Dokument nicht dem Untersuchungsausschuss des Landtags zum "schwarzen Donnerstag" vorgelegt wurde.

 

Der halbseitige Vermerk soll unmittelbar nach dem Polizeieinsatz in der Staatskanzlei angefertigt worden sein. In sechs Punkten wird darin die später auch verfolgte Argumentationslinie empfohlen. Danach habe es vor und während der Demonstration "keinerlei Einflussnahme der Politik auf die operative Vorgehensweise der Polizei" gegeben. Diese sei ausschließlich Sache der Polizeiführung, "grundsätzlich und auch in diesem Fall". Einsatzentscheidungen könnten schließlich nur vor Ort getroffen werden. Offenbar im Blick auf Besprechungen mit der Polizei im Staatsministerium wird festgehalten: "Also: Informationen über die geplanten Baumaßnahmen und die in diesem Zusammenhang zu erwartenden Rahmenbedingungen ja; Einsatz auf die polizeiliche Einsatztaktik nein". Zur Rolle des Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf heißt es: "Dementsprechend erklärte auch PP Stumpf, dass er keinerlei Anweisungen bekommen hat und für den Einsatz die volle operative Verantwortung trägt."

Notwendigkeit für eine Sprachregelung?

Die StZ legte den Vermerk dem Staatsministerium mit der Frage vor, welche Notwendigkeit es für eine Sprachregelung gebe, außer der, dass die Darstellung des Geschehens nicht dem tatsächlichen Geschehen entspreche. Dazu erklärte ein Regierungssprecher: "Das Zusammenfassen von Ergebnissen nach komplexen Beratungen ist üblich. Es dient dazu, die Informationsstränge aller Beteiligten auf gleiches Niveau zu bringen und die Ergebnisse widerspruchsfrei zu kommunizieren." Auf die Frage, warum das Papier nicht dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt wurde, hieß es: "Der Landtag hat Festlegungen zur Übermittlung von Akten getroffen. Diese wurden von der Landesregierung in vollem Umfang eingehalten."

Die Opposition reagierte empört auf das Vorenthalten des Dokuments. Die SPD erklärte, sofern es echt sei, unterstreiche es die Annahme, dass die Regierung den Polizeieinsatz massiv beeinflusst habe. "Die Sprachregelung demonstriert, wie die Landesregierung nachträglich versucht hat, sich aus der Verantwortung zu stehlen", sagte der ehemalige SPD-Obmann im Ausschuss, Andreas Stoch. Es sei nicht zu fassen, dass die Regierung das Papier nicht dem Landtag übermittelt habe. Dies werfe die Frage auf, "welche Dokumente die Landesregierung dem Ausschuss darüber hinaus nicht zur Verfügung gestellt hat". Offenbar hätten Erkenntnisse des Gremiums gezielt verhindert werden sollen.

Die Grünen verlangten von der Regierung umgehend Auskunft über den Sprechzettel. Ihr ehemaliger Obmann Uli Sckerl nannte es "ein starkes Stück, wie hier wohl Beteiligte und mögliche Zeugen aus Ministerien und anderen Landesbehörden, unter Umständen auch Angehörige der Polizei, beeinflusst werden sollen". Wenn die Sprachregelung dazu verwendet worden sei, müsste dies nicht nur politische, sondern auch disziplinar- und strafrechtliche Folgen haben. Sckerl verwies darauf, dass es entgegen dem Sprechzettel bei der entscheidenden Runde mit Ministerpräsident Mappus am Vortag nicht um "geplante Baumaßnahmen" gegangen sei, sondern um Zeitpunkt und Strategie des Einsatzes.