Die „Sportschau“ in der ARD feiert 50. Geburtstag. Moderator Ernst Huberty war die erste Ikone des Sportfernsehens.
 

Köln - Das Bild hat sich eingeprägt, natürlich in Schwarz-Weiß, und selbst bei jemandem, der vor fünfzig Jahren noch gar nicht auf der Welt war. Ein Mann mit Klappscheitel sitzt am Schreibtisch. Das Studio, in dem dieser Schreibtisch steht, ist schlecht ausgeleuchtet. Eine riesige Kamera steht vor dem Mann, vom oberen Rand des Fernsehschirmes hängen Scheinwerfer ins Bild. Der Mann spricht langsam und er spricht nicht viel. Es ist der 4. Juni 1961, ein Sonntag, die Uhr zeigt 21.30 Uhr. Der Sender heißt  ARD2, ein Programm, das bis 1963 betrieben wurde, ehe das ZDF die Frequenzen übernahm.

 

Das Sendeprotokoll der Premiere: ein Feld-Handballländerspiel der Frauen in Leverkusen, Trabrennen in Gelsenkirchen, Amateur-Straßenradrennen in Wiesbaden, Ruderregatta in Mannheim und ein EM-Lauf der Sandbahnfahrer. Wird der Mann mit dem Klappscheitel heute gefragt, ob er sich je hätte vorstellen können, dass die "Sportschau" irgendwann ihren fünfzigsten Geburtstag feiere, sagt er: "Daran gab es keine Gedanken angesichts der Filmchen, die da gezeigt wurden."

Der Mann heißt Ernst Huberty, ist inzwischen 84 Jahre alt, hat die Sendung von 1961 bis 1982 moderiert und gilt als Mr. Sportschau, immer noch. Huberty ist das Gesicht einer TV-Institution, die gerne als Flaggschiff des Fernsehsports bezeichnet wird. "Huberty war die erste Ikone des Sportfernsehens!", sagt Reinhold Beckmann in einem gemeinsamen Interview mit dem "Bundesliga"-Magazin der Deutschen Fußball-Liga.

 Anfangs durfte die "Sportschau" nur zwei Bundesligaspiele à fünfzehn Minuten zeigen

Heute kann man in der "Sportschau" allenfalls noch eine Ikone des Fußballfernsehens werden. Restsport, wie die Sportjournalisten Leibesübungen außerhalb des Planeten Fußball sarkastisch nennen, erinnert in Zeiten des Eventkickertums nicht zufällig an das Wort Restmüll. Frauenfeldhandball? Sandbahnrennen? Alles Dinge aus einer Zeit, in der man beim Autofahren noch Zwischengas geben musste.

Am 4.Juni 1961 war der Fußball nicht einmal Restmüll. "Weil die Saison in den Oberligen im Juni schon beendet war", wie Huberty sich erinnert - und vor allem: weil die Bundesliga erst 1963 erfunden wurde. Man sollte aber diese schwarze-weiße TV-Vergangenheit nicht beschwören, um sich damit gratismutig von heutigen Sportshows abzugrenzen, zu denen die "Sportschau" nach wie vor nicht richtig gehört in ihrer grundspröden Sachlichkeit. "Der Unterhaltungseffekt resultiert aus der Dramatik der Spiele", sagt dazu Heribert "n Abend allerseits" Faßbender, in der Reihe der Mr. Sportschaus die Nummer zwei.

Blöd nur, wenn man von dieser Dramatik nichts mitbekommt. Anfangs durfte die "Sportschau" nur zwei Bundesligaspiele à fünfzehn Minuten zeigen und diese beiden Begegnungen mussten schon am Montag zuvor ausgewählt werden. "Oft genug haben wir die falschen Spiele erwischt", sagt Ernst Huberty. Das lag auch an den Produktionsbedingungen. Die schweren Zelluloid-Filmrollen mussten noch per Motorradbote oder Hubschrauber aus dem Stadion in die Kölner Kopieranstalt transportiert und später im WDR-Funkhaus nachträglich mit Stadionatmosphäre unterlegt werden. "So fiel der Jubel bei einem Gästetor manchmal überraschenderweise lauter aus als der bei einem Treffer der Heimmannschaft", wie Ernst Huberty erzählt.

 "Er brachte Schwiegermütter dazu, ein Eckenverhältnis nicht mehr für einen Scheidungsgrund zu halten"

Man hätte das selbst beim allerersten Tor der Bundesligageschichte gerne in Kauf genommen, sogar ganz ohne Ton. Aber es gab keine Bilder vom Treffer des Dortmunders Timo Konietzka am 24. August 1963 bei Werder Bremen - weil es keine Kameras im Stadion gab. "Ein Treppenwitz der Geschichte", sagte Huberty einmal - und beschrieb damit indirekt auch die Jahre 1992 bis 2003, als nirgendwo mehr ARD-Kameras im Stadion standen, weil Sat 1 die Senderechte hatte.

Unter dessen Sport-Programmdirektor Reinhold Beckmann wurde dann das vorangetrieben, was bei den echten, wahren, richtigen Fans immer noch ein Würgen auslöst: die Boulevardisierung des Fußballs. Aber auch in der "Sportschau" werden die Spielpaarungen längst nicht mehr auf laubgesägten, runden Holzscheiben angekündigt. Auch in der "Sportschau" werden die Gewinner beim Tor des Monats unter den Zuschauern nicht mehr dadurch ermittelt, dass ein Nationalspieler wie Rainer Bonhof Lederbälle auf Säcke voller Karten drischt. Und auch die "Sportschau" ist übers Ziel hinausgeschossen - mit einer von Dieter Bohlen in 20 Sekunden fabrizierten Titelmelodie etwa.

An jene 15 Millionen Zuschauer, die das Flaggschiff in frühen Jahren auch mangels Konkurrenz ("Daktari" im ZDF) angeguckt haben, kommt die "Sportschau" nicht mehr heran. Aber 5,62 Millionen Zuschauer haben in der abgelaufenen Saison im Schnitt eingeschaltet - die beste Quote seit Jahren. Das wird auch Huberty freuen, über den der "Stern" einmal schrieb: "Er brachte Schwiegermütter dazu, ein Eckenverhältnis nicht mehr für einen Scheidungsgrund zu halten." Dass Mr. Sportschau 1982 wegen einer Spesenaffäre ins dritte Programm verbannt worden war? Soll die Jubelfeier nicht weiter stören.

Die Jubiläumsshow, ARD, Samstag, 18 Uhr