Wohncafés wollen Senioren so lange wie möglich ein eigenständiges Leben ermöglichen. Eine von ihnen ist die 99-jährige Irene Knörzer.

Fasanenhof - Ein Glas Bowle in der Hand, ein paar Freunde am Esstisch, ein Strahlen in den Augen – Irene Knörzer ist 99 Jahre alt und führt ein selbstbestimmtes und geselliges Leben. Und dabei lebt sie noch immer in ihrer eigenen Wohnung. „Es kommt nur morgens und abends jemand, der mir meine Stützstrümpfe anzieht“, erzählt die Urgroßmutter stolz. Sie macht bei verschiedenen Veranstaltungen mit – an diesem Tag bei einer Schlagerparty.

 

Knörzer ist im Stuttgarter Süden aufgewachsen, und bereits seit 85 Jahren wohnt sie in Wohnungen der Gemeinnützigen Wohnungsfürsorge eGmbH (GWF) – zurzeit am Fasanenhof. „Ihre Wohnung liegt im zweiten Stock, und sie nimmt immer die Treppen“, erzählt Daniela Bieneck. Sie ist Quartiersmanagerin der Paritätischen Sozialdienste gGmbH (Pasodi). Die GWF betreibt mit den Kooperationspartnern Pasodi und dem Verein Integrativen Wohnformen zwei sogenannte Wohncafés am Fasanenhof. Diese sollen Senioren dabei unterstützen, länger in ihren eigenen Wohnungen bleiben zu können.

Durch das genossenschaftliche Wohnen hat Irene Knörzer bereits viele soziale Kontakte. „Die Nachbarn fragen oft, wie es einem geht“, erzählt die 99-Jährige. Mit dem Wohncafé wollen die Verantwortlichen diesen sozialen Aspekt noch stärker werden lassen. Den Raum des Wohncafés stellt die GWF zur Verfügung. Für Mittagstisch, Kaffee und Unterhaltung sorgen Mitarbeiter der Pasodi. Es gibt neben dem täglichen Programm zum Beispiel Ausflüge, Filmabende oder Weihnachtsfeiern. „Damit man nicht isoliert ist“, erklärt Bieneck. All diese Angebote sollen dazu beitragen, dass ältere Menschen länger Zuhause wohnen können, denn das sei „ein ganz großes Stück Lebensqualität“, sagt die Quartiersmanagerin.

Auch Knörzer weiß es zu schätzen, in ihren eigenen vier Wänden sein zu dürfen. Anfang des Jahres sei sie gestürzt und danach im Krankenhaus und in der Reha gewesen. Man habe sich zwar gut um sie gekümmert, aber sie sei froh gewesen, als sie wieder in ihre Wohnung zurückkehren durfte. Von diesem Zwischenfall ist ihr heute nichts mehr anzumerken. Wenn sie erzählt, sieht man das Leben in ihren Augen: Was sie alles in ihrem Leben schon gesehen hat und auch das Leben, an dem sie heute noch große Freude zu haben scheint. „Mein Arzt sagt immer, meine ganze Gesundheit sei meine Zufriedenheit. Ich habe viel durchgemacht, aber ich war immer zufrieden und dankbar.“ Im Haushalt bekomme sie viel Unterstützung von ihrem Sohn. „Er macht alles, was zu machen ist.“ Auch dieses gute Verhältnis stärke sie. „Ich bin so froh, dass in meiner Familie alles in Ordnung ist. Das ist ja nicht selbstverständlich.“ Knörzer hat einen Sohn, einen Enkel und zwei Urenkel. „Eine Urenkelin ist schon 18“, sagt sie stolz.

Das Wohncafé am Fasanenhof gibt es seit mehr als vier Jahren. Täglich kommen nach den Worten von Daniela Bieneck circa 15 bis 20 Senioren zum Mittagessen. Einigen werde das Essen nach Hause gebracht – auch Irene Knörzer. Beim Mittagstisch ist immer eine haupt- und eine ehrenamtliche Kraft vor Ort. Auch die Quartiersmanagerin versucht, dabei zu sein, denn „das ist der Weg, wie man an die Leute herankommt“. Die Senioren würden eher Vertrauen zu den Menschen aufbauen, die regelmäßig da sind.

Daniela Bieneck hat außerdem die Aufgabe, Leute zu beraten und ihnen unter anderem zu erklären, was ihnen in ihrer Pflegestufe zusteht. So können Senioren die größtmögliche Unterstützung erfahren und versuchen, sich das „Stück Lebensqualität“ zu erhalten, das Irene Knörzer bis heute hat: ein Strahlen in den Augen und ein Leben in den eigenen vier Wänden.