Mit der Vereinigung von BRD und DDR sind auch viele Begriffe verloren gegangen. Welcher 25-Jährige versteht noch die Drohung „Geh doch nach drüben, wenn’s dir hier nicht passt“? Das folgende Abc ist unvollendet wie die deutsche Einheit.

Stuttgart - Der Wäschezettel auf dem verblichenen Handtuch von der Konfirmation 1977 zeigt es noch an: „made in West Germany“. West Germany ist vor einem Vierteljahrhundert untergegangen, in Schicksalsgemeinschaft mit der Deutschen Demokratischen Republik. Während DDR eine geläufige Abkürzung blieb, verschwand ihr Zwillingsbegriff BRD vom Erdboden. In Gesamtdeutschland gingen nicht nur die Einrichtungen und damit die Begriffe der DDR wie Politbüro, Reisekader oder Intershop verloren. In dialektischer Verbindung lösten sich auch Transitstrecke, Zwangsumtausch und Begrüßungsgeld auf. Welcher 25-Jährige versteht noch die Drohung „Geh doch nach drüben, wenn’s dir hier nicht passt!“? Das folgende Abc ist zwangsläufig lückenhaft und unvollendet wie die deutsche Einheit.

 

A ntifaschistischer Schutzwall – so nannte der à Arbeiter-und-Bauern-Staat die innerdeutsche Grenze. Bei den Westdeutschen hieß die hochgesicherte Linie im Volksmund à Zonengrenze.

B   egrüßungsgeld – 30 à Westmark (später: 100 Westmark) standen jedem in die à BRD einreisenden DDR-Bürger zu. Ausgezahlt wurde es gegen Vorlage des Ausweises von der Stadtkasse. Umgekehrt wurde beim DDR-Besuch ein à Zwangsumtausch fällig. Ein bestimmter Betrag an Westgeld musste bei der Einreise in Mark der DDR zum Kurs 1:1 umgetauscht werden, zuletzt waren es 25 D-Mark.

C entrum-Warenhaus – so etwas hatten nur die größeren Städte im Osten. Zwar waren zu Besuch angereiste à Wessis von der Warenfülle nicht beeindruckt, aber wer  nur sein à Konsument-Kaufhaus in der Provinz kannte, vielleicht schon. Siehe auch à Exquisitladen für teure Kleider und à Delikat (Feinkost).

D ederon – was für die à Wessis Perlon und für die Amis Nylon war, hieß in der DDR Dederon.

E rnteschlacht – mit dieser militärischen Metapher bedachte die DDR-Presse die arbeitsintensive Zeit der Ernte in den à Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (kurz LPG). Spötter erinnerten in diesem Zusammenhang immer gerne an die „vier größten Feinde der sozialistischen Wirtschaft: Frühling, Sommer, Herbst und Winter“.

F reie Deutsche Jugend, besser bekannt als FDJ – die staatliche Jugendorganisation der DDR. Sie war für so gut wie alle offiziellen Kultur- und Freizeitveranstaltungen zuständig. Die FDJ lieferte den Nachwuchs an Funktionären der à SED. Erkennbar an den blauen Uniformhemden mit dem Sonnenemblem am Oberarm.

G oldbroiler – dieser Begriff für ein gegrilltes Hähnchen war für Westbesucher zuverlässig ein Quell des Amüsements. Dabei hört sich „Göggele“ doch mindestens so komisch an! Siehe auch à Grillette für Hamburger und Ketwurst für Currywurst.

H eld der Arbeit – diese staatliche Auszeichnung in der DDR war nicht nur mit einem Orden, sondern auch mit einer oft stattlichen Geldprämie verbunden. Siehe auch à Werktätiger, à Aktivist, à Feierabendbrigade.

I ntershop – in dieser DDR-Ladenkette konnte nur mit Westwährung bezahlt werden. Wer Devisen hatte, erstand hier Bohnenkaffee, Marlboro, Whiskey und all die anderen Waren, die man aus dem à Westfernsehen kannte.

J ahresendprämie – so hieß das Weihnachtsgeld in der DDR.

K 

osmonaut – bei der Bezeichnung für den Raumfahrer scheiden sich die Geister bis heute: der Osten sagt Kosmonaut, der Westen Astronaut.

L andwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) – eigenständige Bauern gab es in der DDR so gut wie nicht. Bis 1960 war die Landwirtschaft zwangsweise kollektiviert worden. Siehe auch à Volkseigener Betrieb (VEB).

M itropa – in der DDR bewirtschaftete die Mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft (Mitropa) nicht nur Speise- und Schlafwagen, sondern auch Bahnhofsrestaurants, Ausflugsschiffe, Fähren und Raststätten. Hier servierte man den Hungrigen typische Gerichte wie à Soljanka, à Würzfleisch und à Steak mit Letscho.

N ationalhymne – „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“, mit diesen Worten begann die DDR-Hymne. Die Verse schrieb 1949 der Dichter und spätere Kulturminister Johannes R. Becher, die Melodie stammt von Hanns Eisler. Seit 1970 wurde der Text nicht mehr gesungen – wegen des Bekenntnisses zum „einig Vaterland“.

O stpaket – hier hat sich ein echt interessanter Bedeutungswechsel eingestellt. Früher war dieses Paket eine Liebesgabe aus Kaffee, Schokolade und Strumpfhosen an die Verwandten in Leipzig oder Dresden. Heute verbirgt sich darin ein Sortiment typischer DDR-Leckereien (Nudossi, Spreewaldgurken, Clubcola etc.), bei denen „Ostalgiker“ feuchte Augen kriegen.

P olitbüro – das höchste Führungsgremium der à Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), seine Mitglieder wurden formal vom à Zentralkomitee (ZK) gewählt. Außer der SED gab es in der DDR die sogenannten à Blockparteien CDU, DBD, LDPD und NDPD. Nach der Wende schlossen sie sich Westparteien an. Siehe à Blockflöten.

Q  uerwandbau – besser bekannt als Plattenbau – war vor der Wende der Traum fast jeder DDR- Familie. Siehe auch à Altneubau.

R eisekader – das waren Wissenschaftler, Funktionäre, aber auch einige Künstler und Schriftsteller, die regelmäßig ins Ausland reisen durften. Unterschieden wurde zwischen sozialistischem und nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet. Siehe auch à Rübermachen, à Ausreiseantrag, à Goldener Westen.

S ybille – traditionsreiche DDR-Frauenzeitschrift ähnlich wie die „Brigitte“ im Westen. Sie wurde 1995 eingestellt.

T rabant – muss man das erklären? Siehe auch à Wartburg.

U ngarnurlaub – das war eine Möglichkeiten für Deutsche aus Ost und West, gemeinsam am à Balaton in der Sonne zu liegen, à siehe Gulaschkommunismus, à Bruderländer.

V opos – während es im Westen auch schon vor 1989 eine Volksbank, eine Volkshochschule und eine Volksmusik gab, hatte der Osten die Volkspolizei, kurz Vopos. Die Volksarmee nannte sich aus irgendeinem Grund Nationale Volksarmee.

W 

estfernsehen – wurde auch im Osten jeden Abend eingeschaltet, außer im à Tal der Ahnungslosen, wo es keinen Empfang gab.

X  – erster Buchstabe von einigen Kfz-Kennzeichen im Bezirk à Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz).

Z onengrenze – siehe à Antifaschistischer Schutzwall.