Carl-Uwe und Helga Höger fühlen sich in Bad Cannstatt pudelwohl. Mindestens einmal im Jahr zieht es das Ehepaar aber in die Ferne. Immer führen ihre Reisen in unberührte Gegenden, wo sie mit den eingeborenen leben. Über ihr Erlebnisse berichten sie in Vorträgen.

Bad Cannstatt - Immer wieder streicht der Schamane seinem Vater mit den flachen Händen von den Augenbrauen zum Haaransatz. Es ist keine zärtliche, sondern eine kräftige Bewegung. Der Schamane treibt damit die bösen Geister aus dem kranken Körper des Älteren. Die Bilder, die über den Bildschirm laufen, sind aber nicht Teil einer professionellen Reisedokumentation. Helga und Carl-Uwe Höger aus Bad Cannstatt haben diese Zeremonie auf der indonesische Insel Siberut selbst miterlebt, gefilmt und fotografiert.

 

Vier Wochen lang hat das Ehepaar mit den Eingeborenen auf der Insel gelebt, zu der schon die Anreise das reinste Abenteuer war: „Fünf Stunden waren wir mit einem umgebauten Einbaum mit zwei 40-PS-Motoren auf dem Indischen Ozean unterwegs“, erzählt Carl-Uwe Höger. Auf dem knapp 4000 Quadratmeter großen Eiland vor Sumatra gibt es keine Straßen, geschweige denn ein Hotel. „Wir hatten das große Glück, dass unser Guide uns im Haus eines Schamanen untergebracht hat.“

Mindestens einmal im Jahr in die Ferne

So haben die beiden Cannstatter nicht nur rituelle Tänze und Geisterbeschwörungen miterlebt, sondern auch beobachten dürfen, wie die Eingeborenen das Gift für die Pfeile herstellen, mit denen sie auf die Jagd gehen. „Solche Einblicke bekommt ein professionelles Filmteam nicht“, ist Carl-Uwe Höger überzeugt. „Dafür muss man erst Vertrauen und eine gewisse Beziehung aufbauen.“

Sich an Land und Leute anzupassen und zunächst zurückhaltend zu agieren, ist dem Ehepaar Höger wichtig – und ihr Verhalten hat ihnen schon viele unvergessliche Erlebnisse beschert: „Wir haben als erste Touristen die Kopfjäger im Nordosten Indiens besucht und waren die ersten Ausländer, die die Grenze zwischen China und Vietnam über den Roten Fluss in Hekou überqueren durften.“ Zelt, Schlafsäcke, Moskitonetz, Proviant und natürlich Kleidung haben die Högers damals zu Fuß über die eineinhalb Kilometer lange Brücke geschleppt – und waren damit eine Attraktion: „Als wir angekommen waren, mussten wir zuerst alles auspacken – was aber keine Schikane, sondern bloße Neugier der Eingeborenen war.“ Sich gegenseitig zu bestaunen, das ist eine Erfahrung, die das Ehepaar häufig macht: „Während wir fasziniert sind von den traditionellen Trachten und Tänzen der Einheimischen, sind wir als Weiße für die ebenso besonders.“

Helga und Carl-Uwe Höger wissen, wovon sie sprechen. Seit 1979 reisen die Cannstatter mindestens einmal im Jahr in die Ferne: Nepal, Indien, Vietnam, Iran, Georgien und Libyen sind nur einige der Ziele, bei denen sie sich grundsätzlich die Regionen anschauen, in die sich sonst keine Touristen verirren. Kultur und Sitten eines Landes wollen die Högers erleben, Strandurlaub ist ihre Sache nicht. Heute schmunzelt das Ehepaar über seinen ersten gemeinsamen Urlaub in Gibraltar. 1968, kurz nach ihrer Hochzeit, waren sie dort für drei Wochen und „haben vom Liegestuhl aus sehnsüchtig den Flugzeugen nachgeschaut“. Danach haben sie nie mehr einen reinen Strandurlaub gebucht, sondern sich nach und nach über Trips mit dem Hausboot und in die Pyrenäen an abenteuerlichere Urlaube herangetastet. „Zunächst sind wir in der Gruppe gefahren, inzwischen machen wir aber alle Reisen allein“, sagt Carl-Uwe Höger.

Erlebnisse mit anderen Menschen teilen

Dabei scheuen der ehemalige IT-Manager und die pensionierte Kriminalbeamtin keine Mühen, um wirklich das zu sehen, was sie sich wünschen: „Häufig dauert es Monate, um eine Sondergenehmigung für die Einreise in ein für Ausländer geschlossenes Gebiet zu bekommen.“ Vor allem in Zeiten, in denen es noch kein Internet gab, mussten die Högers viel Zeit für Luftpostbriefe zwischen Deutschland und ihren fernen Reisezielen einplanen.

Die Landschaften, Menschen, Riten und Kulturen, die sie dort kennenlernen, will das Ehepaar Höger nicht für sich behalten: Anhand ihrer Fotos und Filme wollen sie anderen Menschen Einblick in diese fremden Lebenswelten geben. Zunächst haben sie nur Freunden ihr Material vorgeführt, seit einigen Jahren sind Helga und Carl-Uwe Höger Mitglieder im Stuttgarter Filmamateur- und Videoclub (FAVC). „Ich werde jetzt bald 70 Jahre alt. Da wäre es doch ein Jammer, die Aufnahmen jetzt nicht noch der Öffentlichkeit vorzuführen“, sagt Carl-Uwe Höger.

Termin

Am Montag, 10. September, zeigt das Ehepaar Höger einen Film über die Ureinwohner der Insel Siberut. Die Vorführung im Restaurant Keglerklause in der Bowling-Arena Feuerbach, Am Sportpark 9, beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt dazu ist frei.