Der Skandal um manipulierte Abgaswerte schlägt sich beim Wolfsburger Autobauer mit bis zu 3,5 Milliarden Euro Verlust im dritten Quartal nieder. Damit fährt der Konzern den ersten Verlust seit 20 Jahren ein.

Wolfsburg - Der Abgas-Skandal drückt VW erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder in die roten Zahlen. Im dritten Quartal musste der Konzern wegen der hohen Rückstellungen für die Folgen der Diesel-Manipulationen einen Milliardenverlust ausweisen. Das Drama beendet abrupt eine jahrelange und zuletzt immer rasantere Rekordfahrt - und die Verluste zwingen die Wolfsburger auch, ihre Jahresziele zu kappen.

 

Vor Zinsen und Steuern (Ebit) stehen im dritten Quartal rund 3,5 Milliarden Euro Minus, und auch unter dem Strich ist das Ergebnis mit minus 1,7 Milliarden Euro tiefrot. Das teilte Volkswagen am Mittwoch mit. Neben den Verlusten in Milliardenhöhe verliert auch noch China als wichtigster VW-Motor an Fahrt und fällt seit Sommer bei seiner Gewinnkraft zurück.

Die Kosten für die Folgen der weltweit elf Millionen Diesel mit manipulierten Abgaswerten verdecken, dass sich Europas größter Autobauer eigentlich im dritten Quartal wacker schlug. Trotz der Krisen in Brasilien und Russland und Gegenwinds in China greifen die laufenden Bemühungen um mehr Kostendisziplin. So lief es etwa beim Sorgenkind VW-Pkw besser. Waren vor Zinsen und Steuern im Herbst 2014 nur 2,30 Euro je 100 Euro Umsatz geblieben, sind es nun 2,80 Euro. Selbst der Verlustbringer Seat schreibt schwarze Zahlen.

Marktforschung zeigt Vertrauensverluste

VW-Konzernchef Matthias Müller hatte denn am Mittwoch zur Bilanz auch ein zweigeteiltes Fazit: „Die Zahlen zeigen einerseits die starke Substanz des Volkswagen-Konzerns, andererseits treten erste Auswirkungen der derzeitigen Situation klar zutage. Wir werden alles daran setzen, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.“

Vertriebschef Axel Kalthoff betonte, dass der Skandal bisher weder Absatz noch Bestellungen in Summe negativ beeinflusse. Gleichzeitig räumte er ein, dass die jüngste Marktforschung Vertrauensverluste zeige. Unklar sei, ob und falls ja wann sich das im Verkauf zeige.

Die zentrale Erklärung für den milliardenschweren Quartalsverlust sind rund 6,7 Milliarden Euro hohe Rückstellungen für die Folgen des Skandals. Jedoch gibt es auch ein Gegengewicht: Die Wolfsburger hatten sich im Sommer endgültig vom früheren Partner Suzuki getrennt. Durch den Verkauf der gehaltenen Suzuki-Anteile konnte Volkswagen 1,5 Milliarden Euro als positiven Sondereffekt im Finanzergebnis buchen.

Weltweit 11 Millionen Autos betroffen

Dass das Nachsteuerergebnis nicht noch schlechter ausfiel, liegt am China-Geschäft der Wolfsburger. Da Volkswagen im Reich der Mitte mit Partnern arbeitet, fließen Gewinne von dort als Beteiligung ins Finanzergebnis und tauchen somit vor Zinsen und Steuern (Ebit) nicht auf. Für die ersten neun Monate 2015 wirkt China fast stabil.

Aber: Nach zuletzt sinkendem Absatz wird es auch dort schwieriger. So liegt das anteilige Joint-Venture-Ergebnis aus China nach neun Monaten mit 3,8 Milliarden Euro knapp vier Prozent unter Vorjahr. Damit drehen sich jüngst die Vorzeichen, denn zur Halbjahresbilanz hatte China noch mehr abgeworfen als zur selben Zeit des Vorjahres. Der VW-Konzern verkauft gut jedes dritte Fahrzeug im Reich der Mitte.

Im September hatte das Unternehmen eingestanden, bei Abgas-Tests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel manipuliert zu haben. Die Software schaltet in Testsituation in einen Sparmodus.

Weltweit geht es um etwa 11 Millionen Autos der Marken VW-Pkw, VW-Nutzfahrzeuge, Audi, Seat und Skoda. Allein in Deutschland müssen 2,4 Millionen Diesel ab Januar 2016 in die Werkstatt. EU-weit sind 8,5 Millionen Fahrzeuge betroffen. Neben Ausgaben für die Rückrufe drohen Kosten etwa für Klagen und Schadenersatz. Laut dem Konzern steht der Zeitpunkt für weitere Rückstellungen noch nicht fest.

Fünf-Punkte-Plan als Reaktion auf den Skandal

Seine Jahresprognose kappt der VW-Konzern wie erwartet. Das Ergebnis soll 2015 deutlich unter Vorjahr liegen. Der VW-Finanzvorstand Frank Witter sagte, die Folgen der Abgas-Affäre seien „enorm, aber zu managen“. Die Rückstellungen von 6,7 Milliarden Euro teilten sich in drei Blöcke: Einerseits geht es um die Kosten für die Nachbesserungen, bei denen neben Software-Updates auch neue Bauteile zum Einsatz kommen. Zudem rechne der Konzern auch mit einem Risiko für den Restwert der betroffenen Diesel, die finanziert über die VW-Bank zum Konzern zurückkommen. Und drittens plane VW auch ein, „unsere Händler in diesen schwierigen Zeiten“ zu unterstützen.

Konzernchef Müller kündigte einen Fünf-Punkte-Plan als Reaktion auf den Abgas-Skandal an. Priorität genieße dabei sowohl die Hilfe für Besitzer manipulierter Diesel-Autos als auch die Aufklärung der Manipulationen. An dritter Stelle folge der Konzernumbau und das Sparprogramm. Punkt vier sei eine neue Unternehmenskultur, bei der sich die Arbeitsatmosphäre und das Führungsverständnis ändern sollen.

Als letzten Punkt kündigte Müller an, die Ziele für das Jahr 2018 zu einer „Strategie 2025“ auszubauen. „Dem „Höher, Schneller, Weiter“ wurde vieles untergeordnet, vor allem die Umsatzrendite“, sagte er mit Blick auf die beiden großen Rivalen Toyota und General Motors.