Abgeordnete dürfen ihr Wahlverhalten offenlegen, aber nicht per Foto dokumentieren, sagt der neue Landtagspräsident Willi Stächele.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der neue Landtagspräsident plusterte sich mächtig auf. Er habe "Kenntnis von einem ... unerträglichen Vorgang erhalten", verkündete Willi Stächele (CDU) am Tag nach seiner Wahl: Das Wahlgeheimnis als "unabdingbarer Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung" sei verletzt worden, es bestehe sogar "die Gefahr einer Ungültigkeit der Wahl".

 

Den Namen des Delinquenten nannte Stächele zwar nicht, aber jeder im Plenarsaal wusste, wer gemeint war: der Grünen-Abgeordnete Reinhold Pix. Sein "Vergehen": per Handykamera hatte er bei der Präsidentenkür seinen Stimmzettel fotografiert, um für alle Fälle zu dokumentieren, dass er den CDU-Mann brav mitgewählt habe. Für den Breisgauer Winzer Pix diente das dem Selbstschutz, nachdem er immer wieder als möglicher Abweichler bei der am Folgetag anstehenden Wahl des Ministerpräsidenten genannt worden war. Weil er nicht Agrarminister wurde, besagten Spekulationen, könne er Winfried Kretschmann die Stimme verweigern - für Pix eine unerträgliche Verdächtigung.

Die empörung war etwas übertrieben

Dummerweise plauderte er allzu offen über seinen Fotobeweis, und so stand die Sache anderntags in der Zeitung. Doch Stächeles Empörung war, wie sich inzwischen herausstellt, offenbar etwas übertrieben. Er werde den Sachverhalt und mögliche Rechtsfolgen prüfen und im Präsidium ansprechen, kündigte er drohend an.

Über das Ergebnis verlautete seither nichts mehr - es ist nämlich, wie eine Anfrage beim Landtag ergab, ziemlich dünn ausgefallen. Tatsächlich bedeute es einen "Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl ..., wenn das eigene Wahlverhalten dokumentiert und dies Dritten zugänglich gemacht wird", ließ der Parlamentschef ausrichten. Aussagen über das eigene Wahlverhalten davor oder danach seien hingegen unbedenklich. Im Plenarsaal hatte er noch etwas anders geklungen. "Das Wahlgeheimnis ist kein verzichtbares Recht des Wählers", dröhnte Stächele da, durch die Indiskretion Einzelner dürften nicht andere "ebenfalls zu einer Offenlegung ... gedrängt werden". Plaudern ist also erlaubt, fotografieren nicht.

Völlig unbegründet war offenbar die Sorge, die Wahl könne deswegen ungültig sein. Relevanz habe ein Vorstoß nur dann, so ein Landtagssprecher, wenn er Einfluss auf das Wahlergebnis haben könnte. Stächele sei jedoch mit "weit mehr Stimmen als erforderlich" gewählt worden. Viel Aufregung um wenig also. Da verwundert es kaum, dass Pix von seinem Präsidenten in der Sache bis heute nichts mehr gehört hat.