Lange ließen Joachim Gauck, Winfried Kretschmann und Fritz Kuhn das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle warten. Doch dann folgte am Samstagabend ein würdiger Abschied für Helmuth Rilling, den langjährigen Leiter der Internationalen Bachakademie.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Mann, das war knapp: Eine halbe Stunde ließ die Politprominenz mit Bundespräsident Joachim Gauck an der Spitze am Samstagabend das Publikum im vollbesetzten Beethovensaal der Liederhalle in Stuttgart auf sich warten – prompt machte sich unter den zusehends genervten Zuschauern ein gewisses schwäbisches Urbruddeln bemerkbar. Dabei sollte es doch eigentlich recht harmonisch und feierlich zugehen bei der Verabschiedung von Helmuth Rilling, dem langjährigen Leiter der Internationalen Bachakademie. „Fangt endlich an!“ rief es zwischendurch gar ein bisschen böse und jedenfalls gar nicht feierlich von den Rängen. Und: „Musik!“.

 

Aber als er dann erst mal da war, hat Gauck doch noch alles gut gemacht. Der Mann kann einfach etwas, was zu den zentralen Aufgaben eines Bundespräsidenten gehört: Er kann gut reden. Und so schaffte er es auch hier, stark abweichend vom offiziellen Redemanuskript, sehr persönlich und sehr authentisch auszudrücken, warum dieser Abend so wichtig war: Es ging darum, Helmuth Rilling zu ehren, „einen der großen deutschen Kulturbotschafter“, der 33 Jahre die Bachakademie im Stuttgarter Westen geleitet hat und mit seiner Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Konzerte in aller Welt gegeben hat.

Helmuth Rilling dirigiert ein letztes Mal

Gauck lobte ihn als einen der bedeutendsten Bach-Interpreten unserer Zeit und als einen „Vermittler der Kunst“ aus tiefster Überzeugung. „Sie sind ein Botschafter dieses wunderbaren Kulturlandes Württemberg, dessen Besonderheit es ist, dass es nirgendwo wirklich Provinz ist.“ Der Bundespräsident erinnert sich an seine Zeit als Pfarrer in der DDR, als ein Helmuth-Rilling-Konzert in Rostock die Menschen tief bewegt und ermutigt habe. Gauck schloss mit den Worten: „Als privater Musikliebhaber und als deutscher Bundespräsident darf ich sagen: Danke für alles, lieber Helmuth Rilling“. Großer, langanhaltender Beifall im Beethovensaal.

Die beiden anderen Politikerreden von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn blieben da notgedrungen etwas blasser. Wichtiger war die Musik selbst. Zwei Kantaten von Johann Sebastian Bach erklangen. Zunächst dirigierte Helmuth Rilling ein letztes Mal, nämlich „Herz und Mund und Tat und Leben“, und dann griff sein Nachfolger Hans-Christoph Rademann zum Taktstock: „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe“. Während Rilling nochmals mit aller Ruhe und gediegener Feierlichkeit zu Werke ging, hörte sich die Musik bei Rademann sehr viel energischer und pointierter an. Das Publikum wird sicher noch eine Weile brauchen, bis es sich an diesen neuen Stil gewöhnt hat. Aber der Anfang ist gemacht, auch nach dem Abschied von Helmuth Rilling soll die Bachakademie eine wichtige Rolle im Kulturleben der Stadt spielen. Kretschmann versprach, das Land werde auch künftig seine finanziellen Leistungen bringen. Rilling selbst wünschte seinem Nachfolger in einer bewegenden Abschiedsrede viel Erfolg.

Nach dem Konzert trug sich der Bundespräsident, der begleitet wurde von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt, ins Goldene Buch der Stadt Stuttgart ein. Und das Publikum vergnügte sich noch lang im Foyer der Liederhalle bei einem Empfang mit Wein und Butterbrezeln.