Am Sonntagabend spielt die Rockband AC/DC auf dem Cannstatter Wasen. Ein Versuch, das Phänomen der legendären Combo zu erklären.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)
Stuttgart - Irgendetwas werden sich die Verantwortlichen des VfB Stuttgart gedacht haben, als sie sich vor einigen Jahren entschieden, nach jeder Heimniederlage im Stadion ausgerechnet den Song "Ride on" von AC/DC spielen zu lassen. Hoffentlich haben sie nicht gemutmaßt, dass sich viele Arenabesucher gut mit dem versoffenen Puffgänger identifizieren können, um den es im Text dieses Lieds geht. Vielleicht trieb sie der Gedanke, bei den Zuschauern die Sehnsuchtsfeder nach dem Daumen zu spannen, den der Loner in "Ride on" in den Wind hält, auf der Suche nach dem Truck, der ihn zu unbekannten Ufern mitnimmt. Oder aber sie haben das wunderbare Stück "Ride on" deshalb ausgewählt, weil es eine der schönsten und kitschfreiesten Balladen ist, die jemals in der Rockgeschichte geschrieben wurden.

I'm a Rocker, I'm a Roller, I'm a right out of controller, I'm a Wheeler, I'm a Dealer, I'm a wicked Woman Stealer

AC/DC: "Rocker"


Mit dem freiheitsliebenden Tramp und dem Outlaw-Image wären die VfB-Marketingfritzen jedenfalls schief gewickelt. Denn der durchschnittliche AC/DC-Fan trampt nicht. Er ist fortgeschrittenen Alters, und vor der Garage seines abzubezahlenden Reihenmittelhauses im Speckgürtel einer Metropole steht ein geleaster Mittelklassewagen. Eskapaden hat er sich versagt, seit er Verantwortung für eine junge Familie trägt. Und dass er das so herrlich nach Lenor duftende AC/DC-T-Shirt nur daheim und nicht im Büro trägt - je nun, die Verhältnisse, sie sind nicht so. Wenn man der Band AC/DC eine wirklich extraordinäre künstlerische Leistung bescheinigen will, dann ist es diese: Sie hat nicht etwa einer randständigen kulturellen Spielart einen Platz in der Mitte der Gesellschaft verschafft, sondern ganz im Gegenteil bilden die Menschen, die mit der dann doch sehr bodenständigen Musik von AC/DC groß geworden sind und diese Band noch immer schätzen, heutzutage die bodenständige Mitte der Gesellschaft.

Ridin' down the Highway, Goin' to a Show, stop in all the By-ways, Playin' Rock 'n' Roll, gettin' robbed, Gettin' stoned, gettin' beat up, Broken boned, gettin' had, gettin' took, I tell you Folks, it's harder than it looks

AC/DC: "It's a long Way to the Top"


Das 1976 erschienene Debütalbum "High Voltage", dessen Eröffnungsstück "It's a long Way to the Top" ist, landete auf Platz 146 der amerikanischen Billboard-Charts. Doch die Zeiten, in denen AC/DC für zehn Mark im Stuttgarter Siegle-Haus spielte - siehe die Eintrittskarte oben -, sind längst vorbei. Sie währten auch nicht lange. Die folgenden Alben "Dirty Deeds done dirt cheap", "Let there be Rock" oder "Highway to Hell", allesamt in den siebziger Jahren erschienen, setzten bereits die Wegmarken, von denen AC/DC noch heute zehrt. Und zehren darf. Aus diesem Repertoire, Stücken wie "The Jack", "T.N.T." oder "Whole lotta Rosie", speist sich noch heute jedes AC/DC-Konzert. Es sind Songs, die seit 35 Jahren Bestand haben, jeder von ihnen ist so prägnant, dass er allein reichen würde, um für eine Band lebenslangen Ruhm zu begründen. Vorgebracht werden sie von einer Band, die in all den Jahren nur einen nennenswerten Personalwechsel - jenen des Sängers Brian Johnson, der den 1980 an leider deutlich mehr als drei Glas Bier gestorbenen Bon Scott beerbte - und eine zwölfjährige Auszeit des Schlagzeugers Phil Rudd nötig hatte. Sie sprechen, in jeder Hinsicht, eine deutliche Sprache.

We rock at Dawn on the front Line Like a Bolt right out of the Blue The Sky's alight with the Guitar Bite Heads will roll and rock tonight

AC/DC: "For those about to rock"