Die Menschheit wird immer klüger. Das könnte daran liegen, dass so viel Musik gehört wird. Sie regt das Gehirn an, sagen Experten – unsere Kolumnistin Adrienne Braun regt sie eher auf.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Unter mir ziehen gerade neue Mieter ein. Ich habe sie noch nicht gesehen. Aber ich höre sie schon. Es scheinen Dilli-Dilli-Dilli-Menschen zu sein. Vielleicht sind sie auch ein bisschen Jau-Jau-Jau-Jau. Ich kann nicht sagen, was mir lieber wäre. Aber ich bin beruhigt, dass sie nicht wie meine Nachbarn sind. Die gehören nämlich in die Kategorie Umpf-Umpf-Umpf-Umpf-Umpf.

 

Als „Flynn-Effekt“ wird die Tatsache bezeichnet, dass die Menschheit immer intelligenter wird. Der IQ steigt und steigt und steigt. Bisher wusste man nicht genau, warum das so ist. Ich habe die Antwort jetzt gefunden: Es liegt daran, dass so viel Musik gehört wird. Unter der Dusche und an der Käsetheke. Bei der Gartenarbeit, auf dem Rad und im Ruheabteil. Das macht sich zivilisatorisch natürlich bemerkbar: Er gibt heute praktisch nur noch kluge Menschen.

Mit Mozart lässt sich Papier besser falten

Denn Musik, das ist bewiesen, regt die Aktivität des Gehirns messbar an. Studenten, die zehn Minuten Mozart hörten, konnten in einem wissenschaftlichen Experiment plötzlich ganz schön Papier nach Origami-Art falten.

Umpf-Umpf-Umpf-Umpf-Umpf.

Die Nachbarn einer Freundin sitzen gern auf dem Balkon. Wahrscheinlich machen sie Origami-Bastelarbeiten, weshalb sie sehr laute Musik hören müssen. Kürzlich rief die Freundin nachts um zwei rüber, ob sie nicht drinnen feiern könnten. Aber es kam nur zurück: „Geh doch selber rein!“

„Du bist einfach zu alt“, habe ich der Freundin erklärt. Junge Menschen sind den Älteren nämlich nicht nur in Sachen Intelligenz bereits haushoch überlegen. Sie haben auch die Fähigkeit entwickelt, Musik gar nicht mehr zu hören. Wissenschaftler behaupten, sie hätten eine Art Hornhaut auf den Ohren. Deshalb können sie auch problemlos bei lauter Musik ihre Hausaufgaben machen.

Umpf-Umpf-Umpf-Umpf-Umpf.

Ich bin in Sachen Dilli-Dilli-Dilli, Jau-Jau-Jau-Jau und Umpf-Umpf-Umpf in jedem Fall ganz entspannt. Denn die Zeit arbeitet für mich. Es ist nämlich erwiesen, dass durch das Hören von Musik das Hören von Musik geschult wird. Je mehr Musik man also hört, desto intensiver reagiert man auf Klänge. Man hört sie differenzierter. Man wird feinsinniger. Meine diversen Nachbarn müssen also nur lang und vor allen laut genug Umpf-Umpf-Umpf-Umpf hören, dann werden sie irgendwann selbst feststellen, dass das gar keine Musik ist – sondern einfach nur dilli-dumpfes Umpf.