Das Vorweihnachtsgeschäft in der Stuttgarter Innenstadt ist vergleichsweise ruhig angelaufen. Das erwartete Verkehrschaos rund um die Mall Milaneo ist ausgeblieben. Ein Rundgang durch die Stadt.

Stuttgart - Es ist das erste Adventswochenende im Zeichen der neuen Einkaufsmalls Milaneo und Gerber. Und Breuninger hat mit seinem Outlet im City Plaza ebenfalls ein weiteres Einkaufsziel geschaffen. Nach verhaltenem Beginn drängten die Kunden gegen Mittag in die City, doch das vielfach befürchtete Verkehrschaos blieb aus. Unsere Reporter waren mitten drin im Einkaufsgewühl.

 

9.45 Uhr

Wer früh aufsteht, kommt ohne Gedränge in der Stadtbahn oder Stau in die City und findet problemlos einen Parkplatz. Zumindest bei Breuninger, im Gerber und im Kaufland treten sich die Kunden um diese Zeit noch nicht auf die Füße. Nur in der Königstraße drängeln sich um diese Zeit schon mehr Leute als sonst. Grund: der Wochenmarkt musste dem Weihnachtsmarkt auf dem Marktplatz weichen und hat seine Stände auf der Königstraße aufgeschlagen. Vor der Karstadtfiliale hat sich ein Saxofonist positioniert in der Hoffnung auf ein Trinkgeld der Shoppenden, die Johanniter sammeln mit ihren Rettungshunden Spenden. Die Ruhe vor dem Sturm?

11.21 Uhr

Null freie Parkplätze zeigt die Tafel hinter dem Bauzaun des Milaneo seit 11.02 Uhr an. Mutig reihen sich dennoch Autos mit zwei- und dreistelligen Kennzeichen ein in die Abbiegeschlange an der Wolframstraße zum Parkhaus. Wohl dem, dessen Wagen eine Start-Stopp-Automatik hat: Die Rotphasen der Ampel sind es nicht allein, die den Verkehr hier aufhalten, meist wird es mehrmals rot und grün, bevor es wieder drei Autolängen weitergeht. So schleicht man allmählich voran – nicht ohne dass sich im Rückspiegel kleine Dramen abspielen. Im Wagen eins weiter hinten bahnt sich eine Grundsatzdiskussion an, die man auch ohne Worte versteht: Er, am Steuer, findet die Idee gar nicht glorios, samstags ins Milaneo und dann auch noch ins Parkhaus zu fahren. Sie, schick gestylt, ist die Urheberin derselben. Bei der nächsten Rotphase heißt es dann: Frauen und Teenager zuerst, sie stürmen die Einkaufsmall – und der Papa sucht genervt eine Parklücke. Etwa 47 Minuten dauert das vom hinteren Ende der Schlange bis zum Aussteigen.

12.38 Uhr

Die Parkhäuser in der Innenstadt sind jetzt voll, und das Geschiebe geht los. Die ersten schleppen ihre Einkaufstüten zum Auto und manch einer macht hernach Station auf dem Weihnachtsmarkt, um sich bei einem Glühwein aufzuwärmen. Es duftet nach Zimt und Lebkuchen. Frank (37) will seiner Freundin eine Winterjacke unter den Weihnachtsbaum legen. „Ich bleib’ lieber in der Innenstadt, das Milaneo ist mir zu chaotisch“, sagt er. Im Gerber wird gebummelt, im Breuninger-Outlet tummeln sich ebenfalls zwei Dutzend Schnäppchenjäger. Brechend voll ist es aber nirgends.

15.45 Uhr

Jetzt brummt es auch in der Innenstadt. Der Verkehr auf dem City-Ring wird dichter, und auf dem Weihnachtsmarkt herrscht Hochbetrieb. „Ein leichter Rückstau auf der Heilbronnerstraße, einerseits weil die Parkhäuser jetzt voll sind, andererseits wegen einer Demo in der Innenstadt“, fasst ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale das Geschehen zusammen. Ein wenig überrascht sind die Verkehrsüberwacher schon, dass der Adventeinkäuferansturm so reibungslos in die Stadt drängt. Amra Majdanovic (16) und Antonia Cobanovic (17) sitzen um diese Zeit schon wieder im Fernbus zurück nach Zürich. „Es ist hier so günstig, deswegen sind wir gekommen“, erklärt Amra, die für 103 Euro drei Tüten mit Klamotten gefüllt hat. Der Kumpel Ihsan Padzic gibt den Gentlemen: „Ich habe nichts gekauft und 40 Minuten an der Kasse auf die Taschen aufgepasst." Dass man im Milaneo sieben Minuten länger auf einen Parkplatz wartet, beruhigt ihn nur bedingt.

18.17 Uhr

Noch immer ist viel los in der Stadt, aber auch nicht mehr als an einem normalen Samstag. Im Gerber und bei Breuninger flanieren die Menschen noch immer durch die Weihnachtsdekoration, in den Parkhäusern werden wieder Stellplätze frei. Nur auf dem Weihnachtsmarkt herrscht jetzt drangvolle Enge, die Kälte kurbelt den Glühweinkonsum an. Die Sprecherin des baden-württembergischen Einzelhandelsverbands, Sabine Hagmann, sprach in einer ersten Bilanz dennoch von einem „verheißungsvollen Auftakt des Weihnachtsgeschäfts“. Auch Breuninger-Sprecher Christian Witt sieht für sein Haus keinen „Milaneo-Effekt“. Die neue Konkurrenz habe nicht geschadet. Bettina Fuchs von der City-Initaitive (CIS) befindet kurz und bündig: „Es war gut voll in der Stadt .“ Schon um 17 Uhr hat die Milaneo-Centermanagerin Annette Poul rund 60 000 Besucher gemeldet – drei Stunden vor Geschäftsschluss.

Die Nachbarn des Milaneo sind auch versöhnt: Am Freitag hatten sie noch über Chaos an den vorangegangenen Wochenenden geschimpft, als Milaneokunden das Wohngebiet zwischen Wolfram- und Friedhofstraße zugeparkt hatten. Mit Schranken und Schildern schuf die Stadt dort eine Anliegerzone. „Wir mussten etwa 70 unberechtigte Autofahrer abweisen“, so ein Sprecher des städtischen Vollzugsdienstes. Die Anwohner seien voll des Lobes über den Weihnachtsfrieden in ihren Straßen.