Der AfD-Fraktionschef hat zwei gemäßigte Abgeordnete verloren und muss seinen Sturz fürchten. Gibt er deshalb im Richtungsstreit mit den radikaleren Kräften nach? Diesen Schluss legt eine wichtige Personalie in der Fraktion nahe.

Stuttgart - Der jüngste Aderlass der AfD-Landtagsfraktion setzt die gemäßigten Kräfte in der nur noch 18-köpfigen Fraktion unter Druck. Nach dem Doppelaustritt von Stefan Herre und Harald Pfeiffer, die Fraktion und Partei verlassen haben, zählt ihr Lager noch sieben Abgeordnete, Fraktionschef Bernd Gögel inklusive. Das Lager um den Fraktionsvize Emil Sänze kommt auf elf Parlamentarier, die sich mehr oder weniger offen zur völkisch-nationalen Gruppierung „Der Flügel“ bekennen. Die Zwei-Drittel-Mehrheit, die es Sänze erlauben würde, die Macht an sich zu reißen, liegt greifbar nahe – zumal es in Gögels Lager zumindest einen Wackelkandidaten geben soll.

 

Gögel, der mit Dirk Spaniel auch die Landespartei führt, scheint sich unter diesen Bedingungen gezwungen zu sehen, sich auf Sänze zuzubewegen. Schon auf der Fraktionsklausur in Bad Herrenalb im September hätten beide sich in auffälliger Weise ausgetauscht, berichten Teilnehmer. Jetzt spricht eine überraschende Personalie dafür, dass Gögel versöhnliche Signale an die radikaleren Kräfte senden möchte. Nach Informationen unserer Zeitung steht seit Kurzem Christiane Christen, frühere AfD-Landesvizechefin von Rheinland-Pfalz, in den Diensten der AfD-Landtagsfraktion. Die PR-Unternehmerin aus Speyer soll die Fraktionskanäle auf sozialen Medienplattformen wie Facebook bespielen.

Eine Ikone der Völkisch-Nationalen

Christen, Mitinitiatorin des Bündnisses „Kandel ist überall“, bei dessen Märschen sich Rechtsextremisten zeigen durften, ist eine Ikone der AfD-Hardliner. Die von Uwe Junge geführte rheinland-pfälzische Landespartei hat ein Ausschlussverfahren gegen sie angestrengt, weil sie Kontakte zu Rechtsextremisten gepflegt haben soll. Der völkisch-nationale „Flügel“ sieht Christen dagegen zu Unrecht am parteiinternen Pranger, ebenso wie Stefan Räpple und Doris von Sayn-Wittgenstein. Nach der Lesart des „Flügels“ geht die Partei in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Verfassungsschutz gegen sie vor. Die Säuberungsaktion diene letztlich auch eigenen Machtinteressen der gemäßigten Kräfte in der AfD.

Gögel wollte die Beschäftigung Christens gegenüber unserer Zeitung nicht bestätigen. Er spreche schon aus rechtlichen Gründen nicht über Fraktionsmitarbeiter. Mit Sänze führe er „strategische Gespräche über den Weg zum maximalen Erfolg“ bei der nächsten Landtagswahl, räumte er aber ein. Das könnte als Hinweis auf Gögels Zukunft zu verstehen sein. Der AfD-Kreisverband Pforzheim/Enz ist fest in der Hand des „Flügels“. Wenn Gögel keine Zugeständnisse macht, wäre dort eine erneute Nominierung als Landtagskandidat ausgeschlossen.

Vorwürfe gegen Herre und Pfeiffer

Auch Stefan Herre (KV Zollernalb) und Harald Pfeiffer (KV Böblingen) hatten das für sich kommen sehen und wohl auch deshalb zurückgezogen. Beide haben erklärt, der Rechtsruck in der AfD habe es ihnen als Gemäßigten nicht erlaubt, ihre Arbeit in Partei und Fraktion fortzusetzen. In der AfD ist dagegen von verschiedener Seite auch zu hören, Herre und Pfeiffer hätten die Basisarbeit schleifen lassen. Dafür hätten sie die Quittung bekommen und seien als Kreisvorstände abgewählt worden.

Tatsächlich warnen Insider davor, den Rückzug der beiden als Resultat eines Rechtsrucks in der Fläche zu interpretieren. In Mannheim etwa hat Robert Schmidt seine Machtbasis im Kreisverband systematisch ausgebaut. Schmidt war lange Mitarbeiter Pfeiffers im Landtag und Wortführer der gemäßigten AfD-Mitte-Gruppierung im Land. Die Folge ist, dass sich der Mannheimer AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos, der fest im Sänze-Lager steht, einen anderen Kreisverband suchen muss, um nominiert zu werden. Er soll auf Vermittlung Sänzes fündig geworden sein und voraussichtlich in Donaueschingen/Tuttlingen gegen die gemäßigte Abgeordnete Doris Sänger antreten.