Alexander Fehling in „Helgoland 513“ „Wir sind alle zu den furchtbarsten Dingen fähig“
Alexander Fehling über den Zynismus der Leistungsgesellschaft, den es nicht nur in der dystopischen Serie „Helgoland 513“ gibt.
Alexander Fehling über den Zynismus der Leistungsgesellschaft, den es nicht nur in der dystopischen Serie „Helgoland 513“ gibt.
Robert Schwentke („Seneca“) entwirft mit „Helgoland 513“ eine triste Dystopie, die im Herzen eine antike Tragödie ist. Helgoland ist ein Inselstaat, der sich wegen einer Pandemie vom Rest der Welt abgeschottet hat. Immer, wenn ein neuer Mensch geboren wird, muss sich ein anderer fürs Gemeinwohl opfern und von den Klippen stürzen. Alexander Fehling, einer der „Helgoland 513“-Hauptdarsteller, findet, dass die Serie, die jetzt im Heimkino verfügbar ist, nicht so weit vom Hier und Jetzt entfernt ist, wie manche glauben mögen.
Herr Fehling, wie viel Science-Fiction und wie viel Wirklichkeit stecken in der Serie „Helgoland 513“?
Die eigentliche Serienhandlung ist natürlich Fiktion, aber die Themen, die verhandelt werden, haben schon viel mit der Wirklichkeit zu tun, denke ich, mit den aktuellen Gefahren oder denen der baldigen Zukunft.
In der Serie ist Helgoland ein totalitär regierter Inselstaat. Wer versucht auf die Insel zu gelangen, um der Pandemie zu entkommen, die den Rest der Welt befallen hat, wird an den Grenzzäunen von der Inselmiliz erschossen.
Allein schon, dass oft von einer Flüchtlingskrise gesprochen wird, ist doch eigenartig. Nicht die Flüchtlinge sind der Grund für die Krise, sondern die Krise ist der Grund dafür, dass Menschen flüchten müssen, um irgendwie zu überleben. Die Krise verursachen wir unter anderem dadurch, wie wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen. Diese Ressourcen sind in unserer Welt ungerecht verteilt. Und wir Menschen neigen dazu, alles für uns haben und nichts abgeben zu wollen. Und das, was auf der anderen Seite des Zauns ist, ist so weit weg. Wir sind gut darin, das zu verdrängen. Das ist für mich auf jeden Fall ein Thema der Serie.
Die Inselwelt wirkt aber selbst wie ein Gefängnis, in dem ein perfides Punktesystem festlegt, wie wertvoll man für die Gesellschaft ist. Und nur wer genug leistet, darf weiterleben. Diese Sozialhierarchie wirkt ziemlich zynisch.
Na ja, wir leben ja selbst in so einer Leistungsgesellschaft. Und wir leben in Hierarchien. Die ganze Zeit. Selbst wenn wir nach Hause kommen und auf der Couch sitzen, sind wir den Hierarchien des Fernsehens und des Internets ausgeliefert. Oder wenn ich mich frage: Wie lange kann ich mir eigentlich diese Wohnung hier noch leisten, wenn die Miete schon wieder erhöht wird? In welche Position rutsche ich da eigentlich hinein, wenn die Wohnung jetzt schon wieder kleiner wird oder ich noch weiter an den Rand der Stadt ziehen muss? Natürlich ist das zugespitzt in der Serie. Dadurch wirkt es vielleicht so, als wäre das weit von uns entfernt, aber eigentlich ist es das nicht. Die sozialen Netze, die es in Deutschland noch gibt, sind stets in Gefahr, verkleinert oder ganz eingespart zu werden.
Man hat in „Helgoland 513“ zudem den Eindruck, sich in einer Art sozialpsychologischen Versuchsanordnung zu befinden, einer dystopischen Variation von William Goldings Roman „Herr der Fliegen“: Was passiert, wenn eine Gruppe von Menschen in einer Extremsituation sich selbst überlassen wird? Welche Eigenschaften werden dadurch zutage gefördert?
Ich glaube, viele Filme, Serien, Romane oder Erzählungen handeln deshalb von extremeren Situationen oder heftigsten existenziellen Konflikten, weil man Figuren auf eine ganz andere Weise kennenlernt, wenn sie schwere Entscheidungen treffen müssen, die im Kleinen wie im Großen zeigen, wer man ist. Wenn man in eine Situation gerät, in der man überhaupt nicht mehr darüber nachdenken kann, wie das, was man tun, auf andere wirkt, wenn man nicht mehr den Luxus des Alltags als Sicherheit hat, sondern, wenn es um Leben und Tod geht, dann gibt man schon sehr viel von sich preis. Vielleicht kommen dann auch ein paar unserer besten Eigenschaften zum Vorschein, aber wahrscheinlich zeigen sich doch eher unsere kreatürlichen Eigenschaften. Wenn es nur noch um unseren Selbsterhaltungstrieb geht, glaube ich, sind wir alle zu den furchtbarsten Dingen fähig. Wir müssen nur in eine entsprechende Situation kommen.
Das gilt auch für den Arzt Marek, den Sie spielen?
Was mich an der Figur interessiert hat, ist eigentlich sein Scheitern. All die Entscheidungen und Fehlentscheidungen, die er getroffen hat, haben dazu geführt, dass er nicht nur in einem äußeren, sondern auch in einem inneren Gefängnis eingesperrt ist.
Hat es Ihnen bei Ihrer Arbeit geholfen, dass Robert Schwenke zugleich Showrunner, Autor, Regisseur und Produzent der Serie war?
Das fand ich in dieser Konstellation schon sehr hilfreich. So eine Serie ist ein ganz schönes Biest. Das heißt, es ist eine lange Erzählung, viele Drehbücher, aber meistens zu wenig Zeit. Es muss sich unheimlich viel entwickeln in kürzester Zeit. Einen wie Robert Schwentke als Epizentrum zu haben, zu dem man dann immer kommen kann, war auf jeden Fall hilfreich.
Mögen Sie als Zuschauer lieber Serien oder Filme?
Ich schaue eher Filme. Ich mag die dramatische Form, wenn es einen Anfang und ein Ende gibt. Aber ich habe auch schon viele Serien gesehen, die mich total fasziniert haben. Aber da muss man immer auch sehr viel Zeit mitbringen. Und viele Serien missbrauchen leider die eigene Zeit, und das macht einen irgendwann sauer, und dann guckt man lieber wieder einen Film.
Person
Alexander Fehling (43) wurde unmittelbar nach seinem Schauspielstudium in Berlin durch die Hauptrolle in Robert Thalheims Spielfilm „Am Ende kommen Touristen“ bekannt. Seither war er in zahlreichen Kino- und TV-Produktionen zu sehen – etwa in Robert Schwentkes Filmen „Der Hauptmann“ und „Seneca“.
Serie
Hollywood-Regisseur Robert Schwentke, der aus Stuttgart stammt, ist auch Showrunner des Endzeitdramas „Helgoland 513“, das im Jahr 2039 spielt. An diesem Freitag erscheint die Serie inklusive Extras bei Polyband auf DVD, Blu-ray und digital. Außerdem ist sie weiterhin auf Abruf bei Wow-Streaming verfügbar.
Sky
„Helgoland 513“ ist die letzte deutsche Sky-Originalserie. Der Bezahlsender, der für so hochwertige Serien wie „Babylon Berlin“ und „Das Boot“ verantwortlich war, verzichtet künftig auf deutsche Eigenproduktionen. Wie vor kurzem bekannt wurde, will aber das Erste die Erfolgsserie „Babylon Berlin“ fortsetzen.