Die Hamburger Musikerin Alin Coen kommt mit Begleitung ins Theaterhaus: Sie ist mit einem ehrenamtlichen Sinfonieorchester unterwegs.

Einmal mit großem Orchester auf der Bühne zu stehen – welcher junge deutsche Songwriter träumt nicht davon. Für eine Songwriterin wurde er wahr, der Traum: „Das ist ganz anders, als wenn man dort mit der Gitarre steht“, sagt Alin Coen. „Es hat etwas Erhebendes, zu spüren, wie man von all diesen Musikern getragen wird. Das Orchester ist wie ein Kissen, das alles stützt, was man ausdrückt. Ein bisschen fühlt es sich an, wie fliegen.“

 

All dies wäre auch für Alin Coen ein Traum geblieben – gäbe es die Stüba-Philharmonie nicht. Bei ihr handelt es sich um ein ehrenamtliches, in Vereinsform organisiertes Sinfonie-Orchester. Sämtliche Mitglieder der Stüba sind ausgebildete Musiker; manche von ihnen verfügen über eine Festanstellung in einem Orchester, andere arbeiten freiberuflich, wieder andere haben sich für einen Brotberuf außerhalb der Musik entschieden.

Ein Kreis aus Freunden

Die Stüba-Philharmonie gründete sich vor 25 Jahren als ein Kreis aus Freunden, die sich auf Einladung von Jens Kobe, heute der Orchesterleiter, in einem kleinen Ort in Thüringen traf, in Stützerbach. 2004 kam es erstmals zu einer Crossover-Produktion mit Klassik und Pop: Die Stüba begleitete den Rapper Clueso bei mehreren Konzerten, begleitete ihn auch zum Bundesvision Song Contest. Später spielte das Orchester ein Programm zum 20. Todestag von Rio Reiser, trat auf mit der grandiosen Dresdner Sängerin Anna Mateur, arbeitete mit dem Heidelberger Bandprojekt DePhazz. Schließlich fiel die Wahl der Musiker auf Alin Coen. Die war überrascht.

Alin Coen wurde mit ihrer Band um 2008 durch einen Auftritt bei „TV Noir“ auf ZDFKultur bekannt. Die Band veröffentlichte drei Alben mit deutschen und englischen Texten. Nach 2014 wurde es still um sie, die Songwriterin widmete sich anderen Interessen. 2018 dann rief die Stüba-Philharmonie an. „Wenn eine Künstlerin meiner Größenordnung das Angebot bekommt, mit einem Orchester aufzutreten“, meint Alin Coen, „dann kann sie einfach nicht nein sagen.“ Und also ist sie nun mit der Stüba-Philharmonie unterwegs, in Deutschland. Eine erste Tournee 2018 wurde zum Erfolg, ein Live-Album entstand, erschien 2022, fand großen Anklang. Seither ist das Repertoire um einige Stücke gewachsen, und vor allem sorgte Alin Coen dafür, dass auch vier Komponistinnen mit Arrangements ihrer Songs beauftragt wurden – 2018 noch lag dies allein in Männerhand. „Frauen werden auch in musikalischen Netzwerken leicht marginalisiert“, sagt sie. „Für mich war es wichtig, dass das hier nicht geschieht.“

Der Glanz von Film-Soundtracks

Alin Coens Musik wirkt persönlich, in sich gekehrt; sie denkt nach über Gefühle, Menschen, Beziehungen. Dabei legt die Songwriterin selbst viel größeren Wert auf ihre Musik, als auf ihre Texte: „Ich suche erst im Nachhinein nach Worten, die aus einer intensiven Gefühlswelt stammen“, sagt sie.

Das Tasten, Suchen, das Ausloten von inneren Landschaften, Erwartungshaltungen, hüllen sich nun in den großen Strauß aus Klangfarben und Stilen, die die Stüba-Philharmonie ausbreitet: Rund um Alin Coens zerbrechliche Stimme explodiert der Glanz von Film-Soundtracks, verschmelzen Anleihen aus Klassik, Jazz und Pop. „Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Songs unbedingt ein kleines Gewand brauchen“, sagt Coen. „Es fühlt sich richtig für mich an, mit einem Orchester zu spielen, weil diese Gefühle so intensiv sind.“

Der Orchester-Trip – ein großes Abenteuer

Mit einem Orchester zu spielen, das heißt aber auch: Mit einem Orchester zu reisen. Als die Stüba-Philharmonie Clueso und DePhazz begleitete, gab sie jeweils nur eine kleine Anzahl an Konzerten mit diesen Künstlern. Auf große Tour ging sie erst mit Alin Coen. An diesem Montag, zum Auftritt im Theaterhaus, trifft ein Bus in Stuttgart ein, voll besetzt mit 70 Orchestermusikern im Alter von 18 bis 40 Jahren. Alin Coen selbst reist zumeist mit ihrer Familie im Zug an; auch der Tonmeister kommt auf der Schiene: „Er kann im Bus nicht schlafen.“ Techniker reisen separat an und zur Beförderung der Harfe dient ein PKW. Wo immer die unkonventionelle Sinfoniker-Bande bislang aufschlug, hinterließ sie den besten Eindruck: „Der Türsteher in Hamburg schwärmt von uns.“

Für Alin Coen bleibt der große Orchester-Trip ein Abenteuer. Ob die Songs, die sie eigens für ihre zweite Tour mit der Stüba-Philharmonie arrangieren ließ, veröffentlicht werden, steht noch aus. Vorerst ist kein weiteres Album geplant. Die Stüba wird sich sicher bald neuen Projekten zuwenden, und auch Alin Coen hat schon Pläne. „Als nächstes“, sagt die Songwriterin, die auf orchestralen Pfaden zur Musik zurückfand, „möchte ich eine Platte machen, zu der man tanzen kann.“

Alin Coen & Stübaphilharmonie: Mo., 2.10., 20 Uhr, Theaterhaus