In und um Leonberg ist vieles im Wandel, ein Neubaugebiet „jagt“ das nächste. Damit die Natur nicht zu kurz kommt, müssen die Verantwortlichen – seien es Bauherren oder Kommunen – für den nötigen Ausgleich sorgen.

Altkreis - Thymian sprießt auf den Hängen bei Höfingen, grazil fließt der Rankbach in weiten Kurven durch Malmsheim, überall im Altkreis gedeihen Streuobstwiesen. Viel ist in den vergangenen Jahren für die Natur getan worden. Doch warum eigentlich? Das Zauberwort lautet: Ausgleichsmaßnahmen. Denn wird mit dem Bau einer Straße oder einem neuen Gewerbegebiet das Bild der Landschaft verschlechtert, müssen die Verantwortlichen einen Ausgleich schaffen. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen.

 

Grünes Innenleben „Der Grundsatz lautet eigentlich, jeden Eingriff möglichst auch in dem betreffenden Gebiet auszugleichen“, erklärt Peter Müller, Erster Beigeordneter im Rathaus Renningen. Deshalb gibt es häufig besondere Auflagen für Hauseigentümer, dass diese zum Beispiel ihre Flachdächer begrünen müssen, Anwohner in Gärten einen Baum oder Büsche pflanzen oder Gewerbebetriebe Grünflächen um ihr Gelände herum anlegen und pflegen müssen. „Das ist eigentlich Standard“, so Müller. Der Ausgleich funktioniert aber auch in größerem Stil. Im Neubaugebiet Schnallenäcker wird ein umfangreicher Stadtteilpark angelegt – in der Größe von drei Fußballfeldern, wie Müller erklärt. „Das ist schon etwas Besonderes in dieser Größe.“

Streuobstwiesen und Pflanzenvielfalt Ein naheliegender Weg, die Versiegelung einer Fläche auszugleichen, ist, an einer anderen Stelle eine Fläche wieder zur Natur zurückzuführen. Das funktioniert zum Beispiel durch das Anlegen von Streuobstwiesen, wie im Falle von Rutesheim und dem Gewerbegebiet am Autobahnanschluss. Statt neue Naturflächen zu schaffen, können auch bereits bestehende aufgewertet werden. Werden verwilderte Gebiete ausgelichtet, haben Pflanzen, die viel Platz und Sonne brauchen, überhaupt erst eine Chance, zu gedeihen. Und das erhöht die Artenvielfalt – wie im Fall eines Hangs bei Höfingen, wo die Stadt Leonberg als Teilausgleich für das Gewerbegebiet Leo West Büsche entfernt hat, um Pflanzen wie Silberdistel, Thymian und Oregano ein neues Zuhause zu geben.

Gerade Streuobstwiesen bilden jedoch immer ein zweischneidiges Schwert. Sie kommen zwar der Pflanzen- und Tierwelt zugute, Landwirte leiden jedoch doppelt darunter. „Erst verlieren sie Flächen wegen eines neuen Baugebiets, dann müssen sie auch noch welche für die Streuobstwiesen hergeben“, meint Daniel Hartmann vom Ordnungsbauamt Weissach. Oft bemühe man sich deshalb um Ausgleichsprojekte, die mit den Interessen der Landwirte nicht kollidieren oder ihnen letztlich sogar zugute kommen. Tier- und Artenschutz Ein besonderes Augenmerk legen die Naturschutzbehörden auf den Tierschutz. Würde durch ein Bauprojekt der Lebensraum einer gefährdeten Art zerstört, „kann man nicht einfach mit Bauen anfangen und hinterher ausgleichen“, erzählt Peter Müller. Allerdings darf man die Tierchen vergrämen – das heißt, ihr Lebensraum darf belegt werden, sofern man ihnen woanders eine passende Alternative bietet. So hat die Stadt Renningen gemeinsam mit Bosch für die Projekte Forschungszentrum, Gewerbegebiet Raite und Schnallenäcker ein neues „Domizil“ für Feldlerchen geschaffen. Denn die brüteten bislang in den genannten Gebieten.

Selbst wenn durch ein Bauprojekt unmittelbar keine Tierart bedroht wird, können Ausgleichsmaßnahmen trotzdem den Tierschutz im Fokus haben. Für den Bau des neuen Kinos in Leonberg zum Beispiel bekommt die Kreisstraße 1008 einen fest installierten Amphibienzaun, der dafür sorgen soll, dass Kröten und Co. die Straße nur durch die dafür vorgesehenen Tunnel überqueren. Und für das Bosch-Entwicklungszentrum ließ das Unternehmen eine Fischtreppe am Strudelbach in Weissach anlegen. „Damit wurde wieder eine Durchgängigkeit für Fische geschaffen, die zum Laichen stromaufwärts schwimmen müssen“, erläutert Daniel Hartmann vom Ortsbauamt Weissach. Dafür wurde neben dem Bach eine ganz neue Trasse angelegt, mit vielen Zwischenbecken, in denen die Fische quasi verschnaufen können. Eine ähnliche Fischtreppe ist in Leonberg an der Fleischmühle entstanden.

Wasser Renaturierungen von Flüssen und Bächen sind als Ausgleich zwar sehr aufwendig, bieten aber ein ganzes Füllhorn an positiven Auswirkungen – angefangen mit den optischen Vorzügen. Die Flora und Fauna in und um die Gewässer profitierent, zudem wird die Entwässerung verbessert, da die – vielfach begradigten – Bäche wieder mehr Kurven erhalten und so mehr Wasser fassen können.

In Malmsheim hat so der Rankbach nach der Renaturierung ein ganz neues Gesicht erhalten. Das Projekt bildete den zweiten großen Batzen in Sachen Ausgleich für Schnallenäcker. Denn mit dem Stadtteilpark wäre der Ausgleich nicht erledigt gewesen. Auch für das Gewerbegebiet Egelsee in Heimsheim hat die Verwaltung direkt in dem Gebiet „den Bachlauf sehr naturnah umgestalten lassen“, sagt Bauamtsleiter Paul Moch. Unübersehbar auch das noch immer laufende Großprojekt: die Renaturierung des Glemstals bei Leonberg. Sie ist der Ausgleich für den 2008 abgeschlossenen sechsspurigen Ausbau der A 8 zwischen Leonberg und Heimsheim. Damit hat dieses Projekt im Altkreis – zuständig ist hier das Regierungspräsidium – eine gewisse Sonderstellung. Denn eigentlich sollen Ausgleichsmaßnahmen zeitnah an das Projekt erfolgen, das sie erforderlich macht. Wald Man sieht: Die meisten Ausgleichsprojekte sind relativ flexibel. Viele Wege führen letztlich zu dem Ziel, die Eingriffe in die Natur irgendwie aufzufangen. Geht es um Wälder, ist die Regelung jedoch ganz klar: Sobald ein Waldstück für einen Bau gerodet wird, muss es an anderer Stelle wieder aufgeforstet werden. Hier gibt es keine Alternative – oder zumindest nur in bestimmten Ausnahmefällen. Beispielsweise musste die Stadt Heimsheim für die Ausweisung des Gewerbegebiets Egelsee südlich der Autobahn etwa vier Hektar Wald fällen lassen. Dafür leitete sie eine Aufforstung nördlich der Autobahn in die Wege. „Allerdings hatten wir keine ausreichend große Fläche zur Verfügung, einen letzten Teil mussten wir deshalb finanziell ausgleichen“, erklärt Haupt- und Bauamtsleiter Moch. Dieses Geld wird dann aber in entsprechenden Bereichen wie dem Waldschutz eingesetzt.

In Weissach musste Porsche für seine große Westerweiterung ebenfalls neue Waldflächen entstehen lassen. Als idealer Platz dafür erwies sich ein Gebiet südlich der L 1177. Dort waren ehemalige Landwirtschaftsflächen bereits verwildert und werden nun in einen richtigen Laubwald umgewandelt – allerdings nur teilweise. Auf einer Fläche von rund 1,7 Hektar ist etwas ziemlich Außergewöhnliches entstanden, erklärt Daniel Hartmann: eine Waldweide, in der die Bäume sehr licht stehen – was wieder der Artenvielfalt zugute kommt – und die von Schafen als Weidefläche genutzt werden kann. „Im Juni waren schon die ersten da“, erzählt er.