Am Hochrhein lassen am kommenden Wochenende Schiedsrichter und Bezirksvorstand alle Spiele ausfallen. Am vergangenen Sonntag wurde wieder einmal ein Schiedsrichter auf dem Feld attackiert. Nicht zum ersten Mal.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Der Ball ruht – wenigstens bei den Fußballspielen im Bezirk Hochrhein zwischen Lörrach und Singen. Der Bezirksfußballausschuss Hochrhein hat beschlossen, an diesem Wochenende alle Spiele abzusagen, für die ein Verbandsschiedsrichter eingesetzt werden muss. Weil die verbale und tätliche Gewalt gegen Schiedsrichter, aber auch andere Exzesse rund um den Sportplatz ein unerträgliches Maß erreicht haben, sollen die Vereinsverantwortlichen, die Spieler und auch die Zuschauer die Möglichkeit haben, nachzudenken, „ob die an den Tag gelegten Verhaltensmuster auf den hiesigen Fußballplätzen noch Sinn machen und vor allem richtig sind“. So lautet die Erklärung des Bezirksvorstands.

 

Übelste Beleidigungen – gerne auch auf Facebook

In der Heimat von Bundestrainer Joachim Löw und SC Freiburgs Coach Christian Streich steht der Gedanke des Fairplay offenbar vielerorts im Abseits. Es bleibt längst nicht mehr bei übelster Schiedsrichterbeleidigung, inklusive Morddrohungen – neuerdings gerne auch auf Facebook. Die tätlichen Angriffe haben in erschreckendem Ausmaß zugenommen. Zwei Ereignisse am vergangenen Wochenende brachten das Fass zum Überlaufen: Bei einem Spiel zwischen der SG Wittlingen (Kreis Lörrach) und der SG Niederhof (Kreis Waldshut) in der Bezirksliga der B-Junioren hatte ein Spieler aus Niederhof den Schiedsrichter nach einer roten Karte umgestoßen und getreten, der Schiri musste ärztlich behandelt werden, das Spiel wurde abgebrochen. Die A-Jugend-Mannschaft des Gastgebers Kleines Wiesental (Kreis Lörrach) flüchtete nach dem Spiel in Tegernau vor der handgreiflichen Gästemannschaft aus Friedlingen, einem Ortsteil von Weil am Rhein, in die Kabine.

„Wir mussten mal einen Denkzettel setzen“

„Wir mussten mal einen Denkzettel setzen“, sagte der Bezirksvorsitzende Uwe Sütterlin aus Eimeldingen bei Lörrach der StZ. „Wir haben die Vereinsverantwortlichen seit eineinhalb Jahren aufgefordert, zu handeln“, sagt Sütterlin, es habe aber „null Resonanz“ gegeben. Dabei sei die Gewinnung von Nachwuchs für Schiedsrichter schon jetzt schwer und viele Spiele könnten nicht mehr mit offiziellen Schiedsrichtern besetzt werden. „Wer ist schon bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren, wenn er oder sie zum Dank dafür verhöhnt, bespuckt oder sogar geschlagen wird?“ fragt Sütterlin.

Und wer geht oder lässt seine Kinder künftig noch auf den Fußballplatz? Im Bezirk Freiburg wird ebenfalls seit Jahren von Schlägen und Tritten gegen Schiedsrichter berichtet – vor allem im Jugendbereich. Eine 15-jährige Nachwuchsschiedsrichterin wurde in der ersten Halbzeit sexistisch angepöbelt und trat in der zweiten Hälfte gar nicht mehr an. Ein anderer Jugendschiedsrichter wurde mit Gegenständen beworfen, in eine Ecke gedrängt und mit Bier übergossen. Es war ein Spiel der C-Jugend, von Kindern zwischen 13 und 15 Jahren. In den Spielberichten der Schiedsrichter stehen Drohungen wie: „Du kommst hier nicht lebend raus“ oder „Wir wissen, wo dein Auto steht“. Kampagnen in Facebook kommen dazu.

Eine härtere Gangart der Vereine ist nicht in Sicht

Dem Südbadischen Fußballverband ist das alles bekannt. „Die Spielabsage war mit uns abgesprochen“, sagt der stellvertretende Verbandsgeschäftsführer Thorsten Kratzner. „Wir haben bisher auf Ermahnungen gesetzt, aber das war nicht von Erfolg gekrönt.“ Eine härtere Gangart scheint dennoch nicht in Sicht. „Es gibt Überlegungen, aktiver zu werden“, sinniert Kratzner, doch mehr als die verstärkte Schulung von Platzordnern und weitere Ermahnungen an die Vereine sind derzeit nicht geplant. Bis es zum Ausschluss eines Vereins aus dem Verband komme, müsse einiges passiert sein.

Hoffentlich nicht so etwas wie in Holland: Am 2. Dezember 2012 ist dort ein 41-jähriger Schiedsrichter-Assistent von drei 15- und 16-jährigen Jugendspielern nach dem Abpfiff über den Platz gejagt und zu Tode getreten worden. So weit darf es nicht kommen, dafür müssten alle Seiten Verantwortung übernehmen, mahnt Christian Streich, der Trainer des SC Freiburg. „Natürlich werden beim Fußball Emotionen ausgelebt“, sagt er, „aber die Frage ist, bis zu welchem Grad“. Auch Profi-Kickern müsse sich bewusst sein, dass auf ihr Verhalten gegenüber Schiedsrichtern geschaut wird.