Wie mietet man eine Wohnung, wie geht eine Steuererklärung und was bleibt vom Bruttolohn? Experten der gemeinnützigen Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung geben Schülern in Bad Cannstatt Auskunft – und die finden das durchaus nützlich.

Vor Rumeysa und ihren Mitschülern liegt eine fiktive Abrechnung von Brutto-Netto-Abzügen. „Ich wusste gar nicht, wie viel Steuern und Abgaben vom Lohn abgezogen werden“, staunt die 17-Jährige Schülerin des Johannes-Kepler-Gymnasiums in Bad Cannstatt. Eine Expertin einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erklärt es den beiden Jahrgängen der Oberstufe in einem Workshop. Der ganze Unterrichtstag steht im Zeichen des Zukunftstags, bei dem Profis den Jugendlichen Grundlagen zu Themen wie Wohnen, Finanzen, Steuern und Krankenkassen vermitteln.

 

Die einen haben noch Zeit, für die anderen steht dieses Jahr das Abitur an. Viele werden studieren gehen, müssen sich ein Zimmer oder eine Wohnung suchen, sich erstmals mit einer Krankenkasse auseinandersetzen oder ein Girokonto eröffnen. Auf dieses Erwachsenenleben will der Zukunftstag vorbereiten.

Vieles ist Alltagswissen, das für die Jugendlichen wichtig wird

Finanzbildung für Schulen, das klingt erst mal trocken. Dass das für die Jugendlichen aber gar nicht so langweilig ist, wird schnell klar, denn vieles ist Alltagswissen. „Ich will studieren und dafür aus Stuttgart weg“, sagt Victor (17), der gerade aus dem Workshop zum Thema Wohnen kommt. „Ich wusste schon einiges, aber Dinge wie Ablöse und Kaution waren mir neu“, sagt er. Zwei Immobilienprofis haben auch auf die Feinheiten hingewiesen. Etwa, wie wichtig es sei, ordentlich angezogen zur Besichtigung zu erscheinen, die Gehaltsabrechnung oder die Eltern eben dabei zu haben. Victors Mitschüler Simon sagt, auch er konnte noch etwas mitnehmen, obwohl er schon einiges wisse, da seine Großeltern Wohnungen vermieten. „Rauchmelder habe ich neulich bei Mietern installiert, aber Tipps zur Wohnungssuche konnte ich auf jeden Fall mitnehmen“, ergänzt er. „Ich finde es gut, dass es Experten sind und keine Lehrer. Und es ist wertvoll für Mitschüler, die nichts zu den Themen wissen, weil familiär vielleicht kein Hintergrund da ist“, sagt Victor und spricht damit einen Punkt an, der den Initiatoren wichtig ist.

Wer viel Finanzwissen hat, wagt sich eher an Investitionen

Denn das Finanzwissen hängt oft von der sozialen Herkunft ab. Untersuchungen haben längst erwiesen, dass wer viel Finanzwissen hat, sich auch eher an Investitionen wagt, eher Vermögen fürs Alter aufbaut und häufiger klügere finanzielle Entscheidungen trifft. Deshalb sind die ehrenamtlichen Referenten auch Profis auf ihrem Gebiet. Sie kommen von großen Banken, Versicherungen oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und haben sich verpflichtet, während der Projekttage auf jegliche Eigenwerbung zu verzichten.

Hunderte Schulen nehmen das Angebot jedes Jahr wahr. Dabei hat alles 2015 mit einem kleinen Tweet der Schülerin Naina K. begonnen. Sie postete, sie sei fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern und Miete, könne aber eine Gedichtanalyse in vier Sprachen verfassen. Ihr Tweet löste deutschlandweit Diskussionen aus. Die beiden Gymnasiasten Juri Galkin und Lorenzo Wienecke sponnen den Gedanken weiter und entwarfen in Kassel die Grundidee für den Zukunftstag.

Die Nachfrage nach den Projekttagen steigt

Ein paar Jahre später ist aus der Idee die gemeinnützige Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung (IWJB gGmbH) entstanden, die sich durch Stiftungen, öffentliche Förderung und Spenden finanziert. 2023 veranstalteten rund 400 Schulen, hauptsächlich in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz den Projekttag. „Die Nachfrage steigt stetig. Für dieses Jahr planen wir 600 Projekttage umzusetzen“, sagt Anna Wienecke, Pressesprecherin der Initiative.

Auch wenn nach ein paar Stunden die Konzentration hier und da mal nachlässt, sind die Schülerinnen und Schüler begeistert. „Man kann die Experten vielmehr fragen, als die Lehrer, weil sie so viel Berufserfahrung haben. Die Projekttage sollte man unbedingt weiterführen“, sagt Rumeysa. Sie möchte auf Lehramt studieren und weiß nun, worauf es ankommt.