Der Versandriese gerät unter Druck: Die Verbände rügen die „Machenschaften“ bei Amazon – und Verdi bekommt Zuspruch bei einer Online-Petition.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Zeitarbeitsverbände grenzen sich mit klaren Worten von den kritisierten Zuständen beim Internethändler Amazon ab. „Wo illegale und unethische Machenschaften im Zusammenhang mit Zeitarbeitseinsätzen praktiziert werden, distanzieren wir uns ausdrücklich hiervon“, sagt Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer beim Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Der Verband habe zahlreiche tarifliche und selbstverpflichtende Rahmenbedingungen guter Zeitarbeit geschaffen. Mit dem Ethik-Kodex und der Kontakt- und Schlichtungsstelle würden sich die IGZ-Mitglieder einer Kontrolle unterwerfen und Sanktionen im Falle des Missbrauchs akzeptieren. „Das gibt es so sonst nirgends in der Branche“, so Stolz.

 

Etwa 90 Prozent der bei den IGZ-Mitgliedern angestellten Zeitarbeitnehmer hätten einen unbefristeten Arbeitsvertrag, und jeder dritte Zeitarbeitnehmer werde von den Kunden ins Stammpersonal übernommen. Mit den neuen Zuschlagstarifen, die von der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit mit den Gewerkschaften für bisher acht Branchen abgeschlossen wurden, werde das Entgelt der Zeitarbeitnehmer außerdem zeitlich gestaffelt an die Entlohnung der Stammbeschäftigten angeglichen. Der IGZ vertritt über 2700 Mitgliedsunternehmen.

Online-Petition gegen Amazon hat schon viele Unterstützer

Zuvor hatte der Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), Volker Enkerts, „Fairness als entscheidende Grundlage des Handelns unserer Mitglieder“ herausgestellt und sich „auf das Schärfste“ distanziert. „Wir werden es nicht zulassen, dass das Image unserer Branche so beschädigt wird“, betonte er. Der Verband betreut 1800 meist kleinere Firmen.

Die von der Gewerkschaft Verdi gestartete Online-Petition an die Amazon-Geschäftsführung hat schon mehr als 21.000 Unterstützer gefunden – Ziel sind 30.000 Stimmen. Amazon hätte als wichtiges Unternehmen eine Vorbildfunktion, heißt es im Petitionstext. Jeder verstehe, dass ein Versandhändler in saisonalen Spitzenzeiten seine Belegschaft flexibel halten muss. „Was wir nicht verstehen, ist, dass ein so großes Unternehmen wie Amazon die Schlupflöcher des deutschen Arbeitsrechts ausnutzt“, so die Initiatoren. Amazon solle Druck auf die angebundenen Zeitarbeitsfirmen ausüben. „Lassen Sie faire Löhne zahlen, verlangen Sie angemessene Lebensbedingungen, realistische Fahrwege zum Arbeitsplatz und transparente Vertragsgestaltung.“

Verdi will einen Tarifvertrag durchsetzen

An den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld führt Verdi erste Gespräche mit Amazon, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Ziel ist die Anerkennung des Flächentarifvertrags im Einzelhandel mitsamt den deutlich höheren Stundenlöhnen. Bisher orientiert sich das nicht tarifgebundene US-Unternehmen am Tarifvertrag für die Logistikbranche.

Amazon beschäftigt 7700 fest angestellte Mitarbeiter in sieben Logistikzentren. An drei Standorten gelang es der Gewerkschaft, Betriebsräte zu bilden: in Bad Hersfeld, Leipzig und Graben. Die 2500 Beschäftigten im Zentrum Graben bei Augsburg konnten erst vor Tagen ihren ersten Betriebsrat wählen. Dabei seien die jüngsten Berichte über Amazon hilfreich gewesen, hieß es. Obwohl viele Beschäftigte Druck ihrer Vorgesetzten gefürchtet hätten, habe die Wahlbeteiligung 60 Prozent betragen. Vorbereitet wird eine Wahl in Rheinberg. Noch keine Arbeitnehmervertretung hat Verdi in Pforzheim, Werne und Koblenz gründen können.

Auch der Berliner Internethändler Zalando reagiert auf die Kritik am Online-Versand. „Wir haben Sozialstandards entwickelt, die für unsere eigenen Standorte gelten und für Dienstleister im Bereich Logistik“, sagte ein Sprecher der dpa. Externe Prüfer sollen die Einhaltung kontrollieren. Zalando war im Vorjahr auch nach einer TV-Reportage über Leiharbeit in die Schusslinie geraten. In den selbst betriebenen Logistikzentren hat fast jeder zehnte Beschäftigte einen Zeitarbeitsvertrag. Die Leiharbeiter erhielten als Einstiegslohn mittlerweile genauso 8,50 Euro wie die Festangestellten, heißt es.