American Football Wo spielt Stuttgart Surge in Zukunft?

Kaum zu halten: Wo spielen Yannick Mayr und Stuttgart Surge in der nächsten Saison? Foto: Baumann

Wegen der Fußball-EM muss das Team aus der European League of Football (ELF) nach Alternativen zum Gazi-Stadion suchen – was ganz neue Perspektiven eröffnet.

Es hört sich an wie eine Geschichte, für deren Erfindung viel Fantasie vonnöten ist. Da gibt es eine Mannschaft, die eine Saison lang jedes (!) Spiel verliert, im Jahr darauf aber durchstartet, ihre Hauptrundengruppe gewinnt, in den Play-offs weiter siegt und erst im Finale knapp scheitert. Es ist die Geschichte von Stuttgart Surge, doch wie im Märchen kommt sich Suni Musa nicht vor. „Natürlich hatten wir nicht erwartet, so erfolgreich zu sein“, sagt der Manager des Clubs, der die European League of Football (ELF) aufmischt, „aber das Ergebnis ist das Produkt harter Arbeit.“

 

Viel zu tun gibt es auch weiterhin, denn der Ehrgeiz ist groß. Riesengroß. „Wir sind nicht zufrieden“, erklärt Suni Musa, „wir wollen an die Spitze.“ Aller Herausforderungen zum Trotz.

Sportlich müssen sich die Verantwortlichen wenig Sorgen machen. Jordan Neuman bleibt, und dass der Cheftrainer einen Kader zusammenstellen und aus diesem das Maximum herausholen kann, hat er oft bewiesen. Drum herum? Gibt es eine große Baustelle.

Das Team aus der Schweiz trainiert unterm Fernsehturm

2024 findet in Deutschland die Fußball-EM statt, Stuttgart ist nicht nur Spielort, sondern auch das Basislager für das Team aus der Schweiz. Die Mannschaft, die von Ex-VfB-Profi Murat Yakin trainiert wird, steigt im Waldhotel in Degerloch ab. Ihre Trainingsstätte ist das Gazi-Stadion, in dem normalerweise den Sommer über Stuttgart Surge spielt. Also mussten sich die Footballer für den ersten Teil der Saison auf die Suche nach Alternativen machen – was zugleich zu grundsätzlichen Überlegungen führte.

Fakt ist, dass das Gazi-Stadion frühestens im Juli zur Verfügung stehen wird, die ELF-Saison aber schon am letzten Mai-Wochenende beginnt. Der Traum von Stuttgart Surge ist, irgendwann einen großen Auftritt in der MHP-Arena zu haben, doch diese Bühne wäre noch überdimensioniert. Was am Wunsch, das erste Heimspiel zu einem besonderen Event zu machen, nichts ändert. Suni Musa bestätigt, sich mit zwei Stadien von Fußball-Bundesligisten näher beschäftigt zu haben. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich um Heidenheim und Sinsheim. Attraktiver, was die Größe, die Infrastruktur und die Wirtschaftskraft der Region angeht, wäre sicher die Arena, in der die TSG Hoffenheim zu Hause ist. Konkrete Gespräche mit den Verantwortlichen soll es bereits gegeben haben. Es wäre ein mutiger Schritt. Und womöglich auch ein wegweisender.

Zu wenig Sitzplätze im Gazi-Stadion

Stand heute würde Stuttgart Surge dann nach dem Saisonauftakt (in Sinsheim?) für zwei Partien ins Stadion an der Kreuzeiche nach Reutlingen ausweichen und anschließend nach Degerloch zurückkehren – obwohl das Gazi-Stadion für die eigenen Ansprüche alles andere als optimal ist. Denn bei Heimspielen stehen laut Suni Musa nur 2100 Sitzplätze zur Verfügung, was in einer Sportart, in der eine Partie länger als drei Stunden dauern kann, durchaus ein Faktor ist. „Viele Zuschauer wollen sitzen“, sagt Musa, „im Vorverkauf sind die Sitzplätze meist schnell vergriffen, danach stagniert es.“ Ein entsprechend großes Potenzial sieht der Surge-Manager. Nach seiner Rechnung ließe sich der Zuschauerschnitt – mit mehr Sitzplätzen – ohne großen PR-Aufwand auf bis zu 10 000 Fans pro Partie mehr als verdoppeln: „Doch so eine Spielstätte existiert in Stuttgart nicht.“ Weshalb es sogar Überlegungen gibt, die Landeshauptstadt ganz zu verlassen.

In Reutlingen, zum Beispiel, fallen nur zwei Drittel der Kosten an, dafür können 5200 Sitzplatz-Tickets verkauft werden. Weitere Alternativen sind laut Suni Musa denkbar, der natürlich weiß, wie das Spiel funktioniert – und deshalb den Druck auf die Stadt erhöht, in der es bislang auch kein eigenes Trainingsgelände für das ELF-Team gibt. „Es ist definitiv so, dass wir für Stuttgart ein positives Image schaffen“, sagt der Surge-Macher, „die Sportstadt Stuttgart sollte einen Sport, der so im Kommen ist, nicht vernachlässigen. Denn wir sind nicht zwingend an die Stadt gebunden. Surge wird über kurz oder lang eine sehr, sehr starke Marke in ganz Baden-Württemberg werden.“

Unterstützung durch die Stadt?

Das traut Daniela Klein den Footballern durchaus zu, konkrete Zusagen aber kann sie trotzdem keine machen. „Surge ist in einer aufstrebenden Sportart ein Sympathieträger, dessen Entwicklung wir gespannt beobachten“, sagt die Leiterin des städtischen Sportamts, „wir sind in Gesprächen über ein Trainingsgelände, aber es ist kein Geheimnis, dass der Platz in Stuttgart begrenzt ist und viele Vereine ähnliche Wünsche haben.“ Was das Gazi-Stadion angeht, verweist Klein auf den Masterplan Sportgebiet Waldau, der in ein bis zwei Jahren konkretisiert werde, und auf den geplanten Neubau der Gegengerade, die im Winter 2025/26 abgerissen werden soll: „Es ist normal, dass eine Arena für eine gewisse Zeit mal nicht zur Verfügung steht. Dass Surge deshalb Stuttgart ganz verlassen wird, befürchte ich nicht.“

Wie die märchenhafte Geschichte ausgeht? Ist offen. Fest steht nur, dass das nächste Kapitel ziemlich spannend wird.

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