Frauen, Kinder und Männer: Amnesty International wirft dem Iranischen Regime landesweite und systematische sexuelle Gewalt gegen Protestierende vor. Der Bericht stützt sich auf 45 mutmaßliche Opfer.

Das iranische Regime bekämpft die Protestbewegung offenbar brutaler als bekannt. Amnesty International veröffentlichte jetzt die Aussagen von Frauen, Männern und Kindern, die nach ihrer Festnahme wegen Teilnahme an Demonstrationen gegen die Islamische Republik von Revolutionsgardisten, Polizisten und Milizionären vergewaltigt wurden. In manchen Fällen fielen zehn Täter über ein Opfer her. Der Bericht legt nahe, dass die Vergewaltigungen systematisch als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wurden.

 

Proteste gewaltsam niedergeschlagen

Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 löste landesweite Proteste gegen das theokratische Regime aus. Amini war von Religionspolizisten festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht korrekt gebunden hatte, und starb im Polizeigewahrsam. Millionen Iranerinnen und Iraner protestierten für politische Reformen wie die Abschaffung des Kopftuchzwangs. Mehr als 500 Menschen starben, Zehntausende kamen in Haft, acht Menschen wurden hingerichtet. Inzwischen gibt es kaum noch Proteste. Für das Regime waren die Demonstrationen ein Alarmzeichen. Revolutionsführer Ali Khamenei und Präsident Ebrahim Raisi ließen die Proteste niederschlagen. Das Regime klammere sich mit allen Mitteln an die Macht, so Amnesty-Chefin Agnes Callamard bei Vorlage des neuen Berichts. Die Aussagen der Vergewaltigungsopfer deuteten darauf hin, dass sexuelle Gewalt für die Führung Irans eine der wichtigsten Waffen des Regimes bei der Unterdrückung der Proteste gewesen sei.

Amnesty stützt sich auf die Aussagen von 45 Opfern, darunter 26 Männer, zwölf Frauen und sieben Kinder; das jüngste Opfer war ein 14-jähriges Mädchen. Sexuell missbraucht wurden die Demonstranten in Polizeibussen, auf Wachen und in Schulen, die als provisorische Haftanstalten genutzt worden waren. Eine Frau namens Maryam berichtete, sie sei von mehreren Revolutionsgardisten vergewaltigt worden. Danach hätten ihre Peiniger gehöhnt: „Ihr seid doch alle verrückt nach dem Penis, jetzt haben wir’s euch gut besorgt. Das versteht ihr doch unter Befreiung, oder?“ Einige festgenommene Demonstranten seien mit Schlagstöcken, Glasflaschen oder Gummischläuchen vergewaltigt worden, so Amnesty. Manche Opfer hätten schwere Analblutungen erlitten. Auch mit Schlägen, Stromstößen oder Nadelstichen in die Geschlechtsteile sei gefoltert worden. Kein Täter sei wegen der Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen worden. Zudem habe die Justiz unter Folter abgepresste Geständnisse benutzt, um Demonstranten zu Gefängnisstrafen oder zum Tode zu verurteilen, erklärte Callamard.

Berichte über Vergewaltigungen gab es schon vorher

Amnesty legte den Bericht nach eigenen Angaben am 24. November der iranischen Regierung vor, erhielt aber keine Antwort.

Berichte über Vergewaltigungen von Demonstranten im Iran hatte es schon in den vergangenen Monaten gegeben; ein junges Mädchen soll nach einer Vergewaltigung an schweren Blutungen gestorben sein. Der Amnesty-Report ist die erste Untersuchung, die auf einen systematischen und landesweiten Einsatz von sexueller Gewalt gegen Mitglieder der Protestbewegung schließen lässt.