Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)


"Du kommst da nicht raus, das kommt immer wieder", sagt Hans Derer, ein Musikproduzent aus Winnenden. Derer kennt Eltern von getöteten Kindern, er engagiert sich im Elternbeirat und bei Benefizaktionen, die das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden ins Leben gerufen haben. "Es gibt so viele Leute hier, die mit den Betroffenen zu tun haben, dass man täglich mit dem Thema konfrontiert wird."

Dementsprechend groß ist das Interesse in der Stadt an Veranstaltungen, die nach dem Amoklauf nach Erklärungen für solch irrationale Taten suchen oder die Trauernden Hilfe versprechen. Ein Abend mit dem Benediktinermönch und Autor Anselm Grün im Februar war binnen weniger Tage ausverkauft, die Stadthalle füllte sich mit mehr als 700 Besuchern bis auf den letzten Platz. Die Volkshochschule Winnenden, die mit dem Hospizverein den Abend organisiert hatte, will solche Angebote wiederholen. "Diesem Thema muss man sich in Winnenden stellen", sagte Christel Ludwig, die Leiterin der Volkshochschule.

Gudrun Obleser, frühere Konrektorin der Winnender Stöckachschule, hatte sich das auch gedacht und im November den Freiburger Pädagogen Hans-Peter Waldrich eingeladen, der 2007 das Buch "In blinder Wut" über "School Shootings" verfasst hat. Die engagierte Lehrerin ist vom starken Andrang am Veranstaltungsort, der Alten Kelter, überrascht worden. Waldrichs These, die Bindungslosigkeit von Kindern im vom Leistungsdruck geprägten modernen Schulsystem sei eine Ursache für Gewalttaten, ist ein Erklärungsansatz von mehreren möglichen. Doch allein betrachtet überzeugte der Gedanke viele Besucher des Abends nicht. Zu groß ist das Ausmaß der Tat, die 16 Tote forderte, als dass simple Thesen über Ursache und Wirkung plausibel erscheinen. Die Suche nach Erklärungen - sie wird in Winnenden weitergehen.

Der Opfer gedenken - nicht der Tat


Ein Jahr sei kein nennenswerter Zeitraum für die Aufarbeitung eines solch traumatischen Erlebnisses, wie es der Amoklauf war, sagen Psychologen. In Winnenden geht man davon aus, dass Betroffene nach vielen Jahren noch kommen werden, um nach Hilfe, Beratung und Trost zu fragen. "Deshalb wird ein Teil der Spenden aufbewahrt, die nach dem Amoklauf eingingen, um dann finanzielle Hilfe leisten zu können", sagt der Winnender Oberbürgermeister Bernhard Fritz. Nur ein Teil der Bevölkerung, diejenigen, die nicht direkt betroffen gewesen sind, seien heute wieder in der Normalität angekommen. Der Amoklauf aber werde mit Winnenden auf Dauer in Verbindung gebracht werden, meint er. "Der 11.März wird hier immer Bedeutung haben."