Schichtwechsel in den Ämtern (Teil I): Drei langjährige Amtsleiter der Stadtverwaltung gehen in den Ruhestand. Heinz Steidle leitete 41 Jahre lang das Kultur- und Sportamt – und lernte dabei viele Künstler samt ihrer Marotten kennen.

Bietigheim-Bissingen - Würde Geld keine Rolle spielen, hätte Heinz Steidle den einstigen Startenor Luciano Pavarotti nach Bietigheim-Bissingen geholt. Denn der Leiter des Kultur- und Sportamtes ist ein großer Fan der großen Stimme. Doch dafür reichte selbst das stattliche Kulturbudget der Doppelstadt nicht. Beklagen will sich der 64-Jährige aber keineswegs: Er habe immer das Gefühl gehabt, etwas bewegen zu können.

 

Das Budget steigt von 100 000 Euro auf 6,4 Millionen Euro

In der Tat hat Steidle in den 41 Jahren als Amtsleiter einiges geschafft: Als er 1971 anfing, umfasste das Kulturprogramm der Stadt gerade einmal sechs bis acht Veranstaltungen pro Saison, heute sind es rund 60. Entsprechend stieg das Budget von umgerechnet 100 000 Euro auf 6,4 Millionen Euro. Das macht sich bemerkbar: Viele der Künstler sind keine Unbekannten, manche stehen nach dem Besuch in Bietigheim auf Bühnen in Stuttgart, München, Paris oder New York. Das ist auch der Haltung Heinz Steidles zu verdanken: „Ich habe immer Wert auf Qualität gelegt, banale Dinge und platte Geschichten wollte ich nicht.“ So holte er Künstler wie Konstantin Wecker, den Kabarettisten Gerhard Polt, den Bariton Hermann Prey oder den Bachtrompeter Maurice André nach Bietigheim.

Jüngst gelang ihm ein Coup, auf den er besonders stolz ist: Steidle konnte die weltberühmte Pianistin Mitsuko Uchida verpflichten. Wie fast alles in der Branche sei ihm das nur mit Hilfe seines Netzwerks gelungen, das er mit den Jahren aufgebaut habe, erzählt er. Er kannte den Klavierstimmer Uchidas und nutzte diesen Kontakt kurzerhand. Anfang des neuen Jahres wird die Starpianistin zum dritten Mal in Bietigheim auftreten.

Die kuriosen Begegnungen machen den Reiz aus

Es sind überraschende Momente wie dieser, die Heinz Steidle für seine Arbeit begeistert haben. Und es sind die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen – auch wenn manche der Künstler seine Nerven mit ihren Marotten strapazierten. Manche hätten seitenlange Listen mit Lebensmittelwünschen erstellt, andere orderten mehrere teure Instrumente zur Auswahl oder bestanden auf einer Schnapsflasche vor dem Auftritt.

An einen als Wunderknaben hochgelobten Pianisten erinnert sich Steidle besonders gut: „Der hat mich mit seinen Sonderwünschen fast in den Wahnsinn getrieben“, sagt er. Im edelsten Restaurant habe er auf Pommes mit Ketchup bestanden, kein Klavierstuhl sei ihm recht gewesen, und auch sonst nichts – bis zum Konzert: „Als er am Klavier saß, war er wie ausgewechselt“, erzählt Steidle. Danach habe er nur noch Dankbarkeit, Freude und Überschwänglichkeit verbreitet.

Doch der Leiter des Kultur- und Sportamts – der im sportlichen Bereich im Prinzip nur administrative Aufgaben hatte – interessierte sich nicht nur für große Namen. Die Kleinkunst wurde geradezu ein Spezialgebiet von ihm. Schon in den 70ern, als es in der Region quasi nur im Stuttgarter Renitenztheater Kabarett zu sehen gab, setzte er auf das Genre, das heute allerorten zu finden ist. Der Erfolg gibt ihm recht: Bis heute sind die Kleinkunst-Veranstaltungen in Bietigheim im Durchschnitt zu 97 Prozent ausgelastet.

Anders sieht das beim Sorgenkind Bietigheims aus, dem Theater. Da laufen die Besucher davon. Weshalb, kann Steidle nicht sagen. Er habe versucht, gegen zu steuern. Doch das sei nun eine Aufgabe für seinen Nachfolger Stefan Benning (siehe Text unten), falls er dies wolle.