Das Chaos bei der S-Bahn und die systematischen Verspätungen auf den Nebenstrecken bringen das Fass zum Überlaufen – die Bahn verprellt ihre letzten Fans, kommentiert Rafael Binkowski.

Kreis Ludwigsburg - Die S-Bahn-Kunden werden zurzeit wieder einer besonders schweren Prüfung unterzogen. Wegen diverser Baustellen gibt es eine Fülle von Verzögerungen auf den Linien S 4 bis S 6, auch die angekündigten Ersatzfahrpläne funktionieren eher leidlich. Nun gehen Baustellen zwar wieder vorbei, doch die S-Bahn-Nutzer sind längst mit ihrer Geduld am Ende. Während die Preise des Verkehrsverbunds Stuttgart VVS ständig ansteigen, verfällt die Infrastruktur. Von Zuverlässigkeit kann bei der S-Bahn in der Region ohnehin nicht mehr gesprochen werden. So mancher steigt trotz Staus notgedrungen wieder auf das Auto um.

 

Statistische Tricks bringen nichts mehr

In dieses Szenario hinein kommt neues Ungemach auf den Nebenstrecken, die die Bahn in Ausschreibungen verloren hat, von der Teckbahn über die Schusterbahn bis zur Frankenbahn nach Heilbronn und Würzburg. Hier sind Verspätungen und Zugausfälle so eklatant, dass selbst die Bahn nicht mehr vom üblichen Rahmen sprechen oder dies durch statistische Tricks verbergen kann. Es ist erfreulich, dass das Verkehrsministerium den Schienenkonzern nun nötigt, alle Verspätungen öffentlich im Internet zu dokumentieren.

Doch das löst das grundlegende Problem nicht. Auf allen Ebenen muss mehr Geld in die Infrastruktur investiert werden, sonst droht dem System von der S-Bahn bis hin zu den überregionalen Zugstrecken der Infarkt. Ohne das Großprojekt Stuttgart 21 zu bewerten: die Strategie, bundesweit auf Prestigeprojekte zu setzen, war nicht unbedingt vielversprechend.

Es müssen alle politischen und wirtschaftlichen Kräfte gebündelt werden, um das Chaos zu bekämpfen. Dies wird seit Jahren versprochen, doch die Lage wird stattdessen immer schlimmer. Die Bahnkunden stehen im Abseits. Vielleicht hat die Bahn nicht grundlos bei vielen Ausschreibungen verloren: Vielleicht löst etwas mehr Wettbewerb das Problem.