Nun ist der Daimler-Aufsichtsrat am Zuge. Er entscheidet wann und zu welchen Konditionen Andreas Renschler das Unternehmen verlassen darf. Laut Gesetz darf eine Sperre aber maximal zwei Jahre betragen.

Stuttgart - Der Aufschrei war riesig: Daniel Vasella schied vor rund einem Jahr als Präsident des Pharmakonzerns Novartis aus und sollte ursprünglich fast 60 Millionen Euro Abfindung bekommen, damit er künftig nicht zur Konkurrenz wechselt. Nach lautstarken Protesten verzichtete Vasella schließlich auf das Riesen-Trostpflaster. Regelungen für mögliche Wechsel zum Wettbewerber sind derzeit auch in der Autobranche ein Thema. Der scheidende Daimler-Vorstand Andreas Renschler soll so rasch wie möglich beim Konkurrenten Volkswagen in Wolfsburg anheuern.

 

Daimler-Chef Dieter Zetsche schließt einen schnellen Wechsel aus. „Ein Wechsel von Andreas Renschler zu einem Wettbewerber ist in absehbarer Zeit ausgeschlossen“, hat Zetsche vor kurzem am Rande des Neujahresempfangs des Verbandes der Autoindustrie (VDA) in Berlin gesagt. Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management schätzt jedoch, dass sich beide Seiten einigen werden: „Ich glaube, dass man sich am Ende des Tages zusammensetzt und etwas aushandelt nach dem Motto: Was gibst Du mir und was gebe ich Dir?“ Denn eine längere Blockade kennt meist keine Gewinner, dies geben Experten zu bedenken, die sich mit Vertragsangelegenheiten auf den Vorstandsetagen der Dax-Unternehmen auskennen. Die Kosten dafür ließen sich nur in Ausnahmen rechtfertigen.

Und wie sieht es rechtlich aus? Vorstandsmitglieder wie Renschler sind Arbeiter auf Zeit. Laut Aktiengesetz hat ein Vorstandsvertrag eine Laufzeit von maximal fünf Jahren. Dann muss er verlängert werden. Trägt sich ein solcher Spitzenmanager mit Abwanderungsgedanken, dann liegt es rein im Ermessen des Aufsichtsrates, ob er ihn ziehen lässt oder nicht. Das Kontrollgremium ist da „völlig frei“, erläutert ein Stuttgarter Arbeitsrechtler, der nicht genannt werden will. Der Aufsichtsrat kann ihn also auch ausbremsen, was in der Praxis eher selten vorkommt. Schließlich will jedes Unternehmen motivierte Führungskräfte. Dass ein Aufsichtsrat sich quasi rächt, den Abwanderungswilligen nicht ziehen lässt, ihn aber degradiert, ist rechtlich übrigens nicht möglich. Vorstandsmitglieder dürfen nicht auf unbedeutende Posten abgeschoben werden, sagt der Arbeitsrechtler.

Wenn ein Vorstandsmitglied wechselt, nimmt es Wissen mit

Wenn ein Vorstandsmitglied wechselt, fehlt vielleicht nicht nur ein verdienter Manager, er nimmt vielmehr auch Detailwissen mit. Wie kann sich ein Unternehmen dagegen schützen? Eine Möglichkeit ist, dass der Aufsichtsrat ihn zwar des Postens enthebt, der Vertrag aber weiter läuft. Doch das ist eine teure Variante, denn der Spitzenmanager bekommt dann weiterhin sein Gehalt, ohne dafür einen Finger zu krümmen. Die Alternative heißt nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Manchmal steht eine solche Klausel bereits im Vorstandsvertrag, häufig beschäftigt sich der Aufsichtsrat aber erst damit, wenn eine Vertragsauflösung ansteht.

Denn auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot erhält ein Unternehmen nicht kostenlos. Die Paragrafen 74 folgende des Handelsgesetzbuches – sie gelten eigentlich für normale Arbeitnehmer, werden aber auch auf Vorstände angewendet – sehen vor, dass eine solche Sperrzeit für maximal zwei Jahre vereinbart werden darf. Dafür erhält der Betroffene dann aber eine Karenzentschädigung, die mindestens 50 Prozent der bisherigen Vergütung ausmachen muss. Heuert ein Vorstandsmitglied in dieser Zeit bei einem branchenfremden Unternehmen an, das also nicht in Konkurrenz steht, muss er sich die Entschädigungszahlung auf sein neues Gehalt anrechnen lassen.