Die knapp - 60-jährigen Geschichte des Stuttgarter Wahrzeichens ist auch reich an Anekdoten. Schließlich hat der Fernsehturm schon so manchen glamourösen Höhepunkt erlebt und wurde sogar königlich gewürdigt.

Stuttgart - Es geht wieder aufwärts. In 36 Sekunden saust der Aufzug nun wieder mit Besuchern in die Höhe. 36 Sekunden, in denen man sich auch die eine oder Anekdote aus der knapp 60-jährigen Geschichte des Stuttgarter Wahrzeichens erzählen könnte, schließlich hat der Turm schon so manchen glamourösen Höhepunkt erlebt und wurde sogar königlich gewürdigt. Im Mai 1965 trug sich die englische Königin Elizabeth sozusagen als Höhepunkt ihres Deutschlandbesuchs auf dem Fernsehturm ins Goldene Buch der Stadt ein. Damals war es so heiß, dass bereits im Mai das Gras vor dem Eingang verdorrt war. Und es gibt Zeitzeugen, die behaupten, man habe das traurige Gestrüpp extra mit grüner Farbe besprüht.

 

Der Termin von Her Royal Highness in luftiger Höhe war übrigens genau einen Tag nach ihrem legendären Besuch im Städtchen Langenburg, wo der dortige Bürgermeister in bestem Oettinger-Englisch der Queen „traditschinell und oridschinell Biskwit of Langenburg“, schenkte, die man dort „Wibele“ nennt.

Klaus Renz stürzte von der Aussichtsplattform

Sportlich gewagt ging es rund um das Wahrzeichen auch schon zu, aber erst, nachdem Konstrukteur Fritz Leonhardt 1999 gestorben war. Der Altmeister hatte für solche Dinge an und in seinem Turm keinen Sinn. Danach kamen aber die Abenteurer: Der Möhringer Klaus Renz, Weltmeister im Fallschirmspringen, stürzte sich zwischen 2001 und 2004 bei SWR-Events dreimal mit seinem geschlossenen Schirm von der Aussichtsplattform. „Eine Sekunde freier Fall, dann muss der Schirm aber auch schon raus“, erinnert sich Renz. Damit die Show auch jedes Mal gut endete, mussten unten der Parkplatz geräumt und zwei Lichtleitungen über der Fläche entfernt werden. Renz stieg damals über den Fensterwaschkorb auf die Außenseite des Rings. „Danach musste ich ungefähr um ein Viertel des Turms klettern“, erklärt er. Renz würde übrigens „sofort wieder springen“, wenn man ihn denn fragen würde.

Gänzlich ohne Erlaubnis und ohne jede Sicherheitsvorkehrung allerdings sprangen zwei bis heute Unbekannte 2009 mit ihren Schirmen vom Turm, landeten auf der nicht gesperrten Jahnstraße und flüchteten danach zu Fuß in den Wald. Matthias Buck, der Betriebstechniker des Fernsehturms, weiß noch, dass die beiden Basejumper im ganz normalen Wochenendbetrieb in aller Seelenruhe über die Brüstung geklettert waren. Die Besucher hätten damals gedacht, das gehöre sozusagen zum Programm. Buck bekam sogar einen Anruf von einem Mann, der den Sprung für seinen 16-jährigen Sohn als Geschenk buchen wollte.

Als Techniker sollte man schwindelfrei sein

Sportlich ging es aber nicht runter, sondern auch rauf. Beim Fernsehturmlauf hasteten Menschen mit viel Ausdauer die 762 Stufen so schnell wie möglich nach oben. Thomas Dold, einst Seriensieger beim Rennen auf das Empire State Building, gewann den Lauf zwischen 2006 und 2009. Seine Bestzeit von 4:05 Minuten hat bis heute keiner mehr geschafft.

Auch nicht der Techniker Buck, den das ellenlange Treppenhaus sportiv immer gereizt hat. Eine Zeit lang hielt er mit etwas über sieben Minuten die Bestzeit – aber dann kam Dold. Techniker am Fernsehturm ist überhaupt etwas für Menschen, die hoch hinauswollen. Buck, seit 1987 in seinem Amt, ist auch schon im Inneren der Antenne bis ganz nach oben geklettert – und hat dabei auf den letzten zehn Metern die Wolken durchstoßen und in die Sonne geblickt. „Ein gewaltiges Erlebnis“, sagt er.

Schwindelfrei sollte man in dem Amt also schon sein. Manchmal braucht man diese Fähigkeit allein beim Zuschauen. Wie zum Beispiel 2004, als der Hochseilartist Johann Traber mit einem Smart auf zwei Stahlseilen bis auf eine Höhe von 53 Meter den Schaft hochfuhr. Oben angekommen kletterte der Badener dann noch aus dem Autofenster und zeigte einen Handstand auf dem Autodach. Unten durfte er sich dann Weltrekordler im Hochseil-Autofahren nennen. Ein hübscher Titel. Dennoch sagte Traber damals: „War toll, aber das nächste Mal nehme ich wieder den Lift.“

Aber nicht alles, was man so an der Außenseite des Turms versucht hat, war auf Anhieb ein Treffer. 1993 installierte der Künstler Branko Smon sein Objekt „Inter-Info“ am Turm. Dabei wurden vom Korb bis zum Boden Stahlseile gespannt, an denen rote Windsäcke aufgehängt wurden. Am Anfang sah das wegen des starken Windes eher traurig aus, später spotteten manche Stuttgarter über die „Elefantenkondome“ am Turm. Nach drei Monaten wurde das Projekt vorzeitig beendet. „Und dabei ist uns auch noch ein Stahlseil abgestürzt“, erinnert sich Buck.

Die Kosten betrugen „nur“ 4,2 Millionen Mark

Aber auch das ist gutgegangen, niemand wurde verletzt. Auch nicht bei den vielen Security-Einsätzen, wenn mal wieder wichtige Menschen wie etwa der Palästinenserchef Jassir Arafat oder Bundeskanzler Gerhard Schröder Stuttgart von oben sehen wollten.

Von Samstag an ist das wieder möglich. Zum Schluss noch ein Fakt, der keine Anekdote ist, aber wie eine wirkt. Dieses riesige 4500 Tonen schwere Bauwerk hat 1956 lediglich 4,2 Millionen Mark gekostet. Das war damals zwar viel Geld, bezogen auf die heutige Kaufkraft aber auch nur knapp zehn Millionen Euro. Dafür könnte man 2016 nur ein sehr bescheidenes Türmle bauen, das kaum über die Bäume auf der Waldau hinausreichen würde.