Angelique Kerber, Deutschlands beste Tennisspielerin, muss vor dem Saisonfinale die plötzliche Trennung von Erfolgscoach Wim Fissette erklären. Nur langsam sickern Hintergründe durch.

Singapur - Wenn Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber beim Medientag am heutigen Samstag auf der Bühne in Singapur Platz nimmt, werden weder der bevorstehende Saisonabschluss, die WTA-WM, noch ihr überragender Wimbledon-Erfolg im Sommer das beherrschende Thema sein. Vielmehr fragen sich Fans, Experten und Journalisten, was es mit der am Dienstag verkündeten Trennung von Ex-Coach Wim Fessette auf sich hat. „Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit seit Beginn der Saison wurde dieser Schritt aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bzgl. der zukünftigen Ausrichtung erforderlich“, hieß es in der vom Kerber-Management verschickten Mitteilung. Genauere Gründe wurden nicht genannt, Antworten auf eventuelle Nachfragen von vornherein auf die Zeit nach der WM in Singapur verschoben.

 

Trennungen auf der Tour keine Seltenheit

Nun sind Trennungen zwischen Spielerinnen oder Spielern und ihren Coaches auf der Tour keine Seltenheit. Der Zeitpunkt der Kerber-Trennung, vier Tage vor dem Saisonabschluss in Singapur, ist allerdings bemerkenswert. War es doch der Belgier, der Kerber nach einer missratenen Saison 2017 in diesem Jahr zurück in die Weltspitze führte. Unter seiner Regie gelang der ehemaligen Nummer eins der Welt der erste deutsche Wimbledon-Sieg seit Steffi Graf 1996 und die Rückkehr unter die Top-10 der Welt. „Es ist viel passiert in den letzten zwei Jahren und Teil davon war es, einige schwierige Entscheidungen zu treffen, um auf das nächste Level zu kommen“, kommentierte Kerber auf Instagram vor ihrer Abreise zur WTA-WM, ohne dabei näher auf die Trennung von Fissette einzugehen.

„Bild“-Erklärung offenbar falsch

Die „Bild“-Zeitung verkündete einen Tag nach der Presseerklärung des Kerber-Managements, es gehe bei der verwendeten Formulierung „unterschiedlichen Auffassungen“ um die Jahresplanung der Kielerin für die kommende Saison. Das „Tennismagazin“ widerspricht und will seinerseits erfahren haben, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Fissette und Kerber nicht mehr gestimmt habe, weil Fissette ohne Rücksprache mit anderen Spielerinnen über ein Engagement verhandelt habe. Nachfragen seitens des Magazins blieben offenbar sowohl vom Kerber-Management als auch von Fessette unbeantwortet. Zudem berichtet das Fachblatt, das Kerber-Team habe ursprünglich geplant, den Vertrag mit dem 38-jährigen Belgier zu verlängern – allerdings sei man sich bei der Vergütung nicht einig geworden, worauf Fissette den Markt sondiert habe, was wiederum zum Bruch mit Kerber und ihrem Umfeld geführt haben soll.

Wie plötzlich und massiv das Vertrauensverhältnis offenbar gestört war, verdeutlicht die Tatsache, dass Kerber und der Belgier noch am vergangenen Wochenende gemeinsam für den Jahresabschluss in Singapur trainiert hatten, wo Kerber ab Sonntag um den letzten Titel der Saison spielt.

Kein Losglück in Singapur

Das Losglück war der einzigen deutschen Teilnehmerin im Vorfeld der WM nicht hold: Die Nummer drei der Welt bekommt es in der Roten Gruppe mit US-Open-Gewinnerin Naomi Osaka (Japan), French-Open-Finalistin Sloane Stephens (USA) und Debütantin Kiki Bertens (Niederlande) zu tun. Kerber ist in Abwesenheit der verletzten Weltranglistenersten Simona Halep (Rumänien) an Position eins gesetzt. In der Weißen Gruppe treffen Vorjahressiegerin Caroline Wozniacki (Dänemark), Petra Kvitova (Tschechien), Jelena Switolina (Ukraine) und Karolina Pliskova (Tschechien) aufeinander. Für Kerber ist es die fünfte WM-Teilnahme. Drei Mal war sie in der Gruppenphase ausgeschieden – in ihrem Traumjahr 2016 hatte sie nach den Grand-Slam-Titeln in Melbourne und New York sowie Olympiasilber erst im Finale von Singapur verloren. Es folgte das Seuchenjahr 2017 und die Trennung vom langjährigen Trainer Torben Belz, der die Kielerin fast ein Jahrzehnt gecoacht hatte.

Rittner fordert Fokus und Ruhe

Barbara Rittner, enge Vertraute der Linkshänderin, langjährige Fed-Cup-Kapitänin und Frauentennis-Chefin beim Deutschen Tennis-Bund, wollte sich nicht zur jüngsten Trennung ihrer Spitzenspielerin äußern: „Angie braucht jetzt ihre Energie für den Endspurt einer super Saison. Danach wird sie weitersehen.“ Wer Kerber kennt, weiß, wie wichtig ihr ein funktionierendes Umfeld und ihre Rituale sind. Das spricht für die Recherchen des „Tennismagazins“. Denn: Wäre es „nur“ um die Turnierplanung für das Jahr 2019 gegangen, hätten sich Fessette und Kerber wohl auch noch eine Woche zusammenraufen können, um der Saison mit dem WM-Titel in Singapur die Krone aufzusetzen. So sitzt Kerber nun ohne Trainer in Singapur und wird Fragen beantworten müssen, die nach dieser grandiosen Saison eigentlich in die Winterpause gehört hätten.