Dass diese Veranstaltung derart brisant werden würde, das hätten sich die Veranstalter vor einer Woche nicht träumen lassen: Im Rahmen des Sonderprojekts „Jüdische Geschichte und Kultur in der Region Stuttgart“ lädt die Kulturregion Stuttgart am 17. Oktober um 19 Uhr ins Kulturcafé Merlin. Dort erhalten die Gäste erstmals die Gelegenheit, bei einer Aufnahme des Podcasts „Kunstundquer“ live dabei zu sein.
Im Gespräch mit dem Leiter des Sonderprojekts, Robert Ogman, und mit Moderator Ingmar Volkmann (Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten) sollen zwei Künstler erzählen, was Jüdischsein für sie bedeutet und wie das ihre Kunst prägt und beeinflusst. Sandra Kreisler ist Sängerin, Schauspielerin, Chansonnière und Autorin des Buchs „Jude sein: Ansichten über das Leben in der Diaspora“. Der zweite Gast ist der Berliner Rapper Ben Salomo, der, darauf verweist die Kulturregion in ihrer Pressemitteilung, einst in Berlin mit „Rap am Mittwoch“ Deutschlands größte Battle-Rap-Bühne aufgebaut habe und in seinen Texten offensiv seine jüdische Identität verarbeite.
Ist der Auftritt sinnvoll?
Für Nichteingeweihte: bei Battle-Rap handelt es sich laut Wikipedia-Definition um „eine Form des Rap, bei der das Diffamieren (Dissen) eines fiktiven oder realen Gegners und die übertrieben positive Darstellung der eigenen Person (Boasting, Bragging) im Mittelpunkt steht“. Da muss sich die Frage aufdrängen, ob angesichts des Krieges in Israel ein solcher Auftritt aktuell sinnvoll erscheint, zumal beide Künstler an diesem Abend live performen sollen.
Auch in der Kulturregion ist intensiv diskutiert worden. Das Ergebnis: die Veranstaltung soll wie geplant stattfinden. Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht, in Personalunion Vorsitzender der Kulturregion, sagt dazu: „Der Rapper Ben Salomo hatte das Veranstaltungsformat ,Rap am Mittwoch´ als eine Bühne für die Kunstform Battle-Rap gegründet. Diese Kunstform hat im Genre Hip-Hop eine lange Geschichte und Tradition. 2018 hat Ben Salomo aber bereits das Ende der Veranstaltungsreihe verkündet und damit auch seine Kritik an der deutschen Rap-Szene geäußert.“
Botschafter für Demokratie und Toleranz
Ben Salomo warne seit Jahren vor antisemitischen Anfeindungen in Deutschland sowie in der Musik- und Jugendszene. Er setze sich in seinen Liedern und gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung an Schulen gegen Antisemitismus ein, sei Botschafter für Demokratie und Toleranz 2023 der Bundeszentrale für politische Bildung und außerdem Träger des Internationalen Friedenspreises der Stadt Pforzheim für seinen Einsatz für Zivilcourage und Friedensarbeit. Das Sonderprojekt der Kulturregion diene dazu, jüdisches Leben und jüdische Identität in der Region sichtbar zu machen. Matthias Knecht wörtlich: „Angesichts der aktuellen, schrecklichen Situation im Nahen Osten – die mich persönlich sehr betroffen macht – sehen wir es sogar als ein Zeichen für den Frieden, an diesem Format festzuhalten.“
Der Eintritt zur Podcast-Aufzeichnung ist frei. Allerdings muss man sich vorher online anmelden. Auf etwaige Störungen werde man sich vorbereiten. Matthias Knecht: „Im Hinblick auf die Sicherheit der Gäste stehen wir in einem engen Austausch mit dem Polizeipräsidium und werden ein gemeinsames Sicherheitskonzept für die Veranstaltung erstellen.“
Schreibmarathon für „Jewish Places“
Einen ganz anderen Charakter hat die zweite Veranstaltung im Rahmen des Sonderprojekts: Am 22. Oktober lädt die Kulturregion von 12 bis 17 Uhr zu einem öffentlichen Schreibmarathon in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs. Ein wesentlicher Baustein des Projekts soll der Ausbau der Internet-Plattform „Jewish Places“ sein. Entstehen soll eine interaktive Karte, die das jüdische Leben in der Region sichtbar machen und dazu einladen soll, die vorgestellten Orte zu erkunden. Mit dem so genannten „Edit-a-thon“, der öffentlichen Schreibwerkstatt, startet die Kulturregion ihre Arbeit an der Website www.jewish-places.de.
Alle Interessenten können mitmachen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Teilnehmenden bekommen Laptops und Informationen über ausgewählte jüdische Orte in der Region gestellt, können aber auch eigene Ideen umsetzen. Auch hierfür ist eine Voranmeldung unbedingt erforderlich.
Karten für die Veranstaltungen
Podcast
Für die Veranstaltung am Dienstag, 17. Oktober, um 19 Uhr im Kulturzentrum Merlin muss man kostenlose Karten vorbestellen und sich anmelden und zwar unter https://eveeno.com/kunstundquer_live.
Schreibmarathon
Auch für den Schreibmarathon am Sonntag, 22. Oktober, von 12 bis 17 Uhr in der Israelischen Religionsgemeinschaft muss man sich vorher anmelden unter https://eveeno.com/edit-a-thon.