„Die Schatzsucher“ heißt Anna Katharina Hahns neues Stück, das jetzt in Heilbronn Premiere hatte. Es kann nicht ganz die Prosaautorin Hahn verleugnen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Heilbronn - Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Sind aber die Kinder aus dem Haus, wissen die Eltern häufig nichts mehr mit sich anzufangen. Elli und Tom zumindest sitzen nur noch auf dem Sofa und glotzen ins Nichts. Manchmal gönnt sich Elli ein Gläschen – „Ein Schlückchen am Nachmittag, da ist doch nichts dabei“, sagt sie und kippt sich einen Likör hinter die Binde. Pfirsichlikör – aus den Pfirsichen von Tillis Pfirsichbaum. Den Baum gibt es noch. Tilli aber ist ausgezogen, geflüchtet vor den Eltern in die „entfernteste Stadt, die sie auf der Landkarte finden konnte“.

 

Da sitzen Elli und Tom nun in ihrem Reihenhaus, das sie doch eigentlich gekauft haben für das Leben zu dritt, für ihre glückliche Kleinfamilie, die sie längst nicht mehr sind. Was bleibt, wenn nichts von den Träumen geblieben ist – das ist die große Frage, die Anna Katharina Hahn in „Die Schatzsucher“ stellt. Das neue Stück der Stuttgarter Autorin ist nun am Theater Heilbronn uraufgeführt worden. Es ist bereits Hahns zweites Auftragswerk für die Heilbronner Bühne, bei dem sie aber doch nicht ganz verbergen kann, dass ihr Literatenherz eigentlich für die Prosa schlägt und ihre Stärke eine bildhafte, poetisch angereicherte Sprache ist.

Elli fühlt sich wie eine Hauszombie

„Die Schaufenster sind mit Flüssigkreide zugeschmiert, wie geronnene Milch läuft es die Scheiben hinunter“, sagt denn auch Elli, diese in die Jahre gekommene Frau, die ihren Job verloren hat. Waschpulver, Seife, Badeschau hatte sie verkauft, bis der Laden schließen musste und sie gekündigt, abserviert, ausrangiert wurde. Wie ein „stinkender, arbeitsloser Hauszombie“ fühlt Elli sich nun, aber noch schlimmer ist, dass sie jetzt die Raten für das Reihenhäuschen nicht mehr zahlen können und einen Untermieter suchen müssen. Er soll in Tillis Zimmer wohnen.

Und da steht er plötzlich: ein junger Mann, dessen ganzes Glück dieses miefige Eigenheim zu sein scheint, der gierig den „Geruch nach Menschlichkeit, nach Geborgenheit“ einsaugt und sagt „Ich habe mich immer in ein Haus wie das Ihre hineingeträumt, in solch ein Zimmer“.

Die ewige Suche nach dem Glück

Es scheint, als seien Elli und Tom in eine Zeitschleife geraten, als sei da wieder ein Kind, das sie hegen und verwöhnen dürfen. Sie feiern Kindergeburtstag und wickeln sich Luftschlangen um den Hals, sie applaudieren, als     der junge Mann die Kerzen  auf dem Kuchen ausbläst, und sie erzählen ihm von dem Tag, als er auf die Welt kam – als Glückskind, als Götterliebling.

Das kann nicht gut gehen – aber Anna Katharina Hahn spannt das Publikum auf die Folter, legt in den „Schatzsuchern“ auch keine klaren Fährten aus, wohin die Reise gehen soll, ob es ihr um ein Rentnerdrama und Reihenhaustrauma geht, ob sie vom sozialen Absteigt des unteren Bürgertums erzählen mag oder ob ihr Stück eine Parabel sein will über die ewige Suche nach dem Glück. Auch der Regisseur Axel Vornam scheint sich nicht sicher gewesen zu sein, wie er den Stoff anpacken soll – und das Bühnenbild von Tom Musch macht ihm die Angelegenheit nicht leichter: es ist Innen- und   Außenraum in einem, Wohn- und Gästezimmer und zugleich Garten – „Handtuch mit Hecke“ wie es im Stück heißt. Die Inszenierung wechselt zwischen Realismus und absurder Übersteigerung – und lässt die drei dann plötzlich über den Rasen rutschen als seien sie auf der Eisbahn.

Ein mitunter langatmiger Abend

Bis zuletzt bleibt ungewiss, wer und was dieser junge Mann eigentlich ist – ein reicher Sohn, der Liebe sucht, ein Krimineller, der im Garten einen Schatz vermutet. Oder aber das personifizierte Schicksal, das Tom und Elli auf die Sprünge helfen will, ihr Leben noch einmal in die Hand zu nehmen, den „Raufaserträumen“ Adieu zu sagen und die „leere Hülle draußen auf dem Acker“ samt Schulden hinter sich zu lassen.

„Das ist kein Käfig, das ist unser Zuhause“, sagt Elli trotzig. Aber am Ende dieses mitunter etwas langatmigen Abends scheint sie so wenig wie die Zuschauer zu wissen, ob ihr Glück womöglich gar kein Glück hat sein dürfen – aber auch nicht, ob ihre ungelebten Träume tatsächlich ein besseres Leben garantiert hätten.