Während Bundeskanzlerin Merkel dem US-Präsidenten einen Besuch abgestattet hat, tourt die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer durch Deutschland und hört sich die Belange der Basis an. Nach den Auftritten im Südwesten zieht sie ein erstes Fazit.

Berlin - Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat zum Auftakt ihrer „Zuhör“-Tour die Parteibasis im Südwesten besucht und zieht ein erstes Fazit.

 
Frau Kramp-Karrenbauer, welchen Eindruck nehmen Sie mit von der baden-württembergischen CDU-Basis? Gibt es schon ein Thema, das Sie bisher unterschätzt haben?
Ich würde nicht von unterschätzten Themen sprechen, aber ich habe schon ein gutes Gefühl dafür bekommen, wo den Mitgliedern der Schuh drückt. Da ist die Sorge vor Altersarmut sehr präsent, also die Frage nach der Zukunft unseres Rentensystems. Und viele Bürger beklagen sich, dass sich Leistung nicht mehr lohnt und gerade Familien zu stark belastet sind. In Konstanz und Böblingen wurde besonders deutlich, wie wichtig mehr bezahlbarer Wohnraum für sie wäre. In Horb am Neckar spielte eine Rolle, dass die Landwirte besonders von uns mehr Unterstützung erwarten. Und es wurde auch noch mal klar, dass die Menschen in ländlichen Räumen mehr von uns erwarten, was zum Beispiel schnelle Internetverbindungen betrifft.
Sie haben den Anwesenden stets zu Beginn erklärt, dass Sie sich alles anhören und nicht wie bei den CDU-Regionalkonferenzen erklären, warum die Kritiker eigentlich Unrecht haben. Ist die CDU in den letzten Jahren zu sehr von oben herab geführt worden?
Zumindest haben viele Mitglieder genau diesen Eindruck gewonnen. Den Regionalkonferenzen, wo es ja traditionell um die Rückkoppelung der Berliner Regierungspolitik geht, will ich diese „Zuhör“-Tour entgegensetzen, die unabhängig von der Regierungsarbeit den Programmprozess einleiten soll.
Und da ist offene Kritik an der Partei, dem Spitzenpersonal oder der Kanzlerin erwünscht?
Absolut. Denn die Kritik ist da, ob sie nun offen geäußert wird oder hinter vorgehaltener Hand. Aber eine Partei kann nur Lehren daraus ziehen oder, wo nötig, inhaltliche Korrekturen einleiten, wenn miteinander geredet und auch einmal ausführlich die Haltung und Positionen unserer Partei diskutiert werden.
Da denkt man sofort an Merkels Flüchtlingspolitik, die auch die eigene Partei polarisiert hat. Treibt dieses Thema noch immer einen Keil in die Partei oder sehen Sie das als überwunden an?
Das Flüchtlingsthema wird uns noch länger erhalten bleiben, allerdings in anderer Gestalt. Einerseits geht es aktuell kaum noch um die Aufnahme von Flüchtlingen, sondern vor allem um das Zusammenleben mit ihnen, die Integration. Andererseits haben durch die gewaltigen Anstrengungen, die wir unternommen haben, viele normale Bürger den Eindruck bekommen, dass für sie wenig, für andere Gruppen aber besonders viel getan wird. Deshalb ist die Flüchtlingspolitik mit vielen anderen Themen verknüpft, die schon vorher zu wenig energisch angepackt worden sind. Darauf müssen wir Antworten geben.
Sie haben sinngemäß auch zu hören bekommen, dass so manchem ein abgelehnter Asylbewerber, der sich aber anstrengt hatte beim Spracherwerb und im Job, lieber wäre als ein vielleicht rechtmäßig in Deutschland anerkannter Flüchtling, der sich nicht engagiert. Wie gehen Sie damit um?
Wir brauchen eine bessere Integrationspolitik. Das dänische Modell zum Beispiel geht sehr viel weiter als unser Integrationsgesetz. Unsere Nachbarn bieten den Neuankömmlingen mehr an, verlangen dafür aber auch mehr von ihnen. Es ist genau das System des Förderns und Forderns, das wir bei Hartz IV bei unseren eigenen arbeitslosen Bürgern einsetzen, und niemand kann verstehen, warum wir das nicht auch konsequent in der Integrationspolitik anwenden. Ansätze dazu gibt es auch bei uns, aber wir stehen da noch ganz am Anfang.
Parallel zu Ihrem Tourauftakt hat die Kanzlerin in Washington Weltpolitik gemacht. Sie dagegen stellen zusammen mit der Basis, die Sie teilweise schon als Nachfolgerin sieht, die CDU für die Zeit nach Merkel auf. Ist das die verabredete Arbeitsteilung?
Es liegt doch in der Natur der Sache, dass unsere Parteivorsitzende Angela Merkel als Bundeskanzlerin keine Zeit dafür hat, zweieinhalb Monate lang die Basis zu bereisen. Das mache nun ich als Generalsekretärin, die mit der Ausarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms betraut ist. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ich an diesem Wochenende im Vergleich zu Angela Merkels Washington-Reise die schöneren Termine hatte.
Bei der Erneuerung Ihrer Partei geht es Ihnen auch darum, mehr Frauen an die Partei zu binden und in Funktionen zu bringen. Ist der Streit in der Südwest-CDU um das Wahlrecht für Sie vor diesem Hintergrund eine rein landespolitische Geschichte? Oder befürchten Sie negative Auswirkungen über Baden-Württemberg hinaus?
Es treibt viele in der Partei um, dass wir den Frauen gute programmatische Angebote machen. Das ist auch bei den Veranstaltungen an diesem Wochenende in Baden-Württemberg sehr deutlich geworden. Unabhängig von der aktuellen landespolitischen Debatte um die Wahlrechtsreform, die ich nicht abschließend beurteilen kann, muss die CDU aufpassen nicht nach außen den Eindruck zu erwecken, dass sie sich nicht für Frauen einsetzt. Diese Gefahr sehe ich bei dieser Auseinandersetzung schon, auch wenn die Realität eine andere ist. Und natürlich ist es so, dass die CDU immer dann Erfolg hat, wenn sie geschlossen agiert. Insofern setzte ich darauf, dass alle Christdemokratinnen und Christdemokraten in Baden-Württemberg genau daran arbeiten.