Vier Milliarden Euro will die Stadt jetzt bis 2036 investieren, damit sich ein solches Ereignis möglichst nie wiederholt; zugleich will man die Lebensqualität der Menschen deutlich erhöhen. Bei uns heißt es in steifem Behördendeutsch „Starkregenmanagement“, wenn Städte Flächen anlegen, die große Mengen Wasser aufnehmen und zeitverzögert wieder abgeben können – dies ist ein wesentlicher Teil des Schwammstadtprinzips, das derzeit viele Planer im Munde führen. Die Dänen sagen fast poetisch „Skybrudplan“ dazu, Wolkenbruchplan.
Rund 350 Projekte sind geplant oder zum Teil schon umgesetzt. Bei manchen Straßen soll der Neigungswinkel verändert werden, damit das Wasser in die gewünschte Richtung fließt. Asphaltflächen werden geöffnet, damit mehr Wasser versickern kann. Straßenzüge werden begrünt – die Bäume spenden zudem bei großer Hitze Schatten.
Das „Rückhaltebecken“ ist der neue Mittelpunkt des Stadtteils
Ein fast fertiges Vorzeigeprojekt ist die Karens-Minde-Achse im Stadtteil Sydhavnen, südlich vom Stadtzentrum und etwa ein Kilometer vom Meer entfernt. Dort wurde ein unansehnlicher Grünstreifen in einen 37 Hektar großen Park umgewandelt – es gibt einen Spielplatz, viele Bäume, einen Hundeauslauf-Zwinger, einen See mit schönen Holzstegen, einen kleinen Reiterhof, einen Tanzpavillon und ein Kulturzentrum – für den Stadtteil ist Karens-Minde der neue Mittelpunkt geworden.
Lykke Feld von der dänischen Energiebehörde sagte deshalb vor Kurzem bei einem Besuch der Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) in Sydhavnen: „Klimaanpassung soll Spaß machen und für die Menschen ein Gewinn sein.“ Dass dieser Park ein geheimes zweites Leben hat, sieht der Laie kaum. So ist im Zentrum der Grünfläche eine kleine gekachelte Rinne angelegt, die man zunächst als geneigte Fläche für Skater missinterpretieren könnte. Diese Rinne wird aber immer breiter und tiefer und mündet schließlich in einem See. Schon bei normalem Regen, vor allem aber bei einem Wolkenbruch wird das Wasser über Pumpen aus den umliegenden Quartieren in den Park geleitet und fließt dann von selbst in den See. 15 000 Kubikmeter fasst das Areal. Werden es noch mehr, kann Wasser über eine Leitung in das nahe Meer gepumpt werden.
Die Pläne sind darauf ausgelegt, ein 100-jährliches Hochwasser abfedern zu können. Ziel sei es, dass nirgendwo in Kopenhagen das Wasser höher steigt als zehn Zentimeter, erklärt Jan Rasmussen von der Stadtverwaltung – die Häuser werden so gebaut, dass ihnen das nichts ausmacht. Die Finanzierung ist gesplittet. Alles, was die Aufenthaltsqualität verbessert, übernimmt die Stadt Kopenhagen. Alle technischen Anlagen, die zum Wolkenbruchsplan gehören, bezahle dagegen der Wasser- und Energieversorger Hofor. Allerdings lege er die Kosten auf die Kunden um, so Hofor-Mitarbeiter Peter Larusen – eine Familie mit einem Wasserverbrauch von 110 Kubikmetern im Jahr zahle dafür rund 120 Euro zusätzlich im Jahr.
Doch auch in Baden-Württemberg hat man längst erkannt, wie wichtig ein Wolkenbruchplan ist. So konsequent wie Kopenhagen geht im Südwesten aber noch keine Stadt vor, oft fehlen die Flächen, das Geld oder ein genügend gefestigter politischer Wille.
Aber schon seit 2016 fördert das Land mit 70 Prozent der Planungskosten jede Kommune, die ein Konzept erstellt. Mittlerweile sind 133 Pläne fertig und 296 in Arbeit – knapp die Hälfte der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg) kümmert sich also bereits um das Thema. Steffen Becker, der Sprecher des Umweltministeriums, ist damit sehr zufrieden – der Schutz vor Starkregen werde im Land immer besser.
In Winnenden hat ein Projekt seine Bewährungsproben schon hinter sich
Daneben arbeitet das Land an einer Schwammstadt-Strategie, die mehr beinhalten soll als nur den Schutz vor Starkregen – wie in Dänemark geht es um Klimafolgenanpassung insgesamt, um die Abschwächung von Hitze und Trockenheit und um städtebauliche Aspekte. Laut Becker soll die Strategie im nächsten Jahr fertig werden.
In Stuttgart ist etwa das Neubauviertel Neckarpark in Bad Cannstatt ein großes Pilotprojekt. Dort sollen alle Beläge auf den Straßen wasserdurchlässig werden, damit der Regen versickern kann. Fassaden und Dächer sollen begrünt werden. Und unter einem Parkplatz wurde bereits ein Speicher gebaut, in den das Wasser aus dem Veielbrunnenpark und aus den umliegenden Quartieren geleitet wird – nach und nach wird es in das Grün des Parks gepumpt und verdunstet dort.
In Winnenden wurde schon vor zwölf Jahren in das Wohngebiet Arkadien ein See integriert, der größere Wassermassen aufnehmen kann. Daneben liegen Grünflächen, die bei sehr starkem Regen ebenfalls überflutet werden können. Zwei Millionen Euro wurden in das 3,7 Hektar große Gelände investiert. Es habe schon mehrere größere Regenereignisse gegeben, sagt Franziska Götz, die Sprecherin der Stadt: „Das Prinzip funktioniert, allerdings kann man nasse Füße bekommen.“ Mittlerweile sei das Schwammstadtprinzip auch in weiteren Wohngebieten eingeführt worden.
In Heilbronn ist bei der Bundesgartenschau im Jahr 2019 ebenfalls darauf geachtet worden, das Wasser klug zu nutzen. Ein Teil des Geländes am Neckarbogen war und ist ein See, der Regenwasser speichern kann und mit dessen Hilfe die umliegenden Bäume und Grünflächen bewässert werden. Daneben gibt es dort Flächen, die Regenwasser und verschmutztes Straßenabwasser filtern und reinigen – so wird die Kläranlage entlastet. Die Finanzierung erfolgte wie in Kopenhagen aufgeteilt in Stadt und Versorgungsunternehmen.
Suse Bucher-Pinell, die Sprecherin der Stadt Heilbronn, betont ebenfalls den Freizeitcharakter der Anlage und spricht von einer „multicodierten“ Landschaft. Die Kosten lagen bei knapp acht Millionen Euro. Weitere Projekte sind in Planung: „Bei den großen Stadtentwicklungsprojekten wie dem Bildungscampus West ist der produktive Umgang mit Wasser fester Bestandteil der Planung“, so Bucher-Pinell.
Freiburg erarbeitet gerade ein systematisches Konzept
Recht weit ist mittlerweile die Stadt Freiburg. Schon seit den 1990er Jahren, sagt die Stadtsprecherin Linda Widmann, würden Bausteine wie Dachbegrünung, wasserdurchlässige Straßenbeläge oder verbindliche Baumpflanzungen konsequent umgesetzt. Aus diesem Grund existiere bereits „eine Vielzahl an Baugebieten neueren Datums“, in denen das Regenwasser vollständig zurückgehalten werde und dann versickern oder verdunstet könne. „So entstehen quasi abflusslose Gebiete.“ Zu diesen Gebieten gehörten etwa die Stadtteile Vauban und Rieselfeld sowie das Wohngebiet Richard-Künzer-Straße am alten Wiehrebahnhof.
Derzeit erarbeitet die Stadt Freiburg ein Klimaanpassungskonzept Wasser, das die Aspekte Starkregen und Regenwasserbewirtschaftung detailliert und systematisch betrachtet. Eigene Mittel für Baumaßnahmen gebe es aber nicht, sagt Lindemann. Und gerade bei privaten Vorhaben sei oft das Geld nicht vorhanden.