Das Wochenende der Sammler steht vor der Tür: In Ludwigsburg bei der 35. Antiquaria heißt das Thema Musik, auch bei der Antiquariatsmesse in Stuttgart finden sich Handschriften, Notenausgaben und Briefe aus dem Bereich der Musik.

Stuttgart/Ludwigsburg - Als an diesen Neujahrsmorgen der Wall-Street-Unternehmer Gilbert Kaplan starb, endete eine kuriose Lebensgeschichte. Berühmt wurde Kaplan als Manager, der das Dirigieren lernte, um Gustav Mahlers zweite Sinfonie aufzuführen, die er erstmals 1965 gehört hatte. Mit gleicher Besessenheit wurde Kaplan zum Sammler. Für seine Stiftung erwarb er das Autograf von Mahlers zweiter Sinfonie, den Taktstock, mit dem Mahler sie einst dirigiert hatte, die Handschrift seines Liedes „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, einen Abguss von Rodins Mahler-Büste, selbst einen Ring, den der Komponist seiner Frau Alma geschenkt hatte.

 

War Gilbert Kaplan ein monothematischer Musiksammler, so war der Schriftsteller Stefan Zweig ein fiebriger Zusammensucher von Handschriften aller Art, mindestens tausend Manuskripte sind in seinem Besitz belegt. Zweig beabsichtigte mehr als das Erhaschen eines Souvenirs von Geistesgrößen: „Der wahre Autografensammler will von einer andern Seite als der Philologe, aber mit der gleichen Leidenschaft, in das Wesen des schaffenden Menschen eindringen, und zuvor in eben jenen geheimnisvollen Augenblick aller Augenblicke, den der Schöpfung.“ Auch die Musik nahm in Zweigs Beständen bedeutenden Raum ein: Allein Mozart war mit mehr als zwanzig Autografen vertreten, dazu kam das Original von Schuberts Lied „An die Musik“ sowie Manuskripte von Beethoven.

Hommage an den Messort: die Musikhalle in Ludwigsburg

All jenen, die wie Zweig in der Handschrift, besonders von Musikern, einen „Zauber“ erkennen, der ein „Geheimnis verrät“, kann jetzt wieder geholfen werden. Beide traditionellen Antiquariatsmessen zu Jahresbeginn haben ein entsprechendes Angebot; die Antiquaria in Ludwigsburg ist in ihrer dreißigsten Ausgabe gar explizit der Musik gewidmet. Im Jubiläumsjahr ist es zugleich eine Hommage an den Messeort, die Musikhalle, in der die von Petra Bewer begründete Antiquariatsmesse seit 24 Jahren zu Gast ist. Auch im Angebot der 25 Jahre länger bestehende Antiquariatsmesse Stuttgart im Württembergischen Kunstverein finden sich von jeher aus dem Bereich Musik Handschriften, Briefe, signierte Fotografien, Bücher, Notenausgaben.

Beim Durchblättern beider Messe-Kataloge stellt man fest, dass Ludwigsburg bei den Musikalien nur in der Quantität leicht vorne liegt. So ist am Stuttgarter Schlossplatz etwa der Erstdruck der in Mozarts Todesjahr 1791 entstandenen Kantate „Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“ für Singstimme und Klavierbegleitung, erhältlich. Er gehört als Anhang zur Ausgabe einer Gesellschaftsutopie des Hamburger Kaufmanns und Freimaurers Franz-Heinrich Ziegenhagen, der dem Logenbruder Mozart vorgeschlagen hatte, seinen Text (wohl gegen Honorar) zu vertonen. Der Band ist mit 5500 Euro angesetzt, für 4000 Euro bekommt man von Mozart den Erstdruck der „Idomeneo“-Partitur, erschienen 1805 bei Simrock. Ein schönes nicht ganz billiges Kuriosum (25 000 Euro) ist ein Pergamentband von 1660, der Kaspar Stieler zugesprochen wird: „Die Geharnschte Venus oder Liebes-Lieder im Kriege gedichtet und mit neuen Gesang-Weisen zu singen und zu spielen gesezzet“. Ein nicht unbedeutendes Zeugnis sogenannter Gebrauchsmusik, was zwei Neuauflagen des Liederbuchs im 20. Jahrhundert belegen.

Richard Wagner ist auf beiden Messen vertreten, in Stuttgart mit zwei signierten Fotografien, die grundsätzlich selten zu finden sind, und preislich entsprechend zuschlagen (15 500 beziehungsweise 7800 Euro) sowie mit einem frühen Brief, in dem er dem Stuttgarter Hoftheater seine Oper „Rienzi“ anbietet (8500 Euro) und in dessen Ton der später geäußerte Satz aufscheint: „Dennoch sei es gesagt: Niemand besser als ich“.

Auch für Bibliophile ist einiges dabei

In Ludwigsburg kommt der Wagner-Sammler mit 800 Euro günstiger weg, allerdings gibt es kein Wagner-Original, sondern nur eine Erstausgabe von Friedrich Nietzsches Buch „Richard Wagner in Bayreuth“. Sehr witzig ist eine Wagner-Karikatur des Franzosen J. Blass: Die Original-Tuschzeichnung, die Wagner einem Pferd aus Notenköpfen die Sporen gebend zeigt, kostet 980 Euro.

In der Musikhalle geht es musikalisch breit gefasst zu, von einem ersten Kompositionsversuch des jungen Wilhelm Furtwängler (1600 Euro) bis zu den Rolling Stones, die 1965 eine BEA-Bordzeitung signierten, nur Keith Richards fehlt, dafür – Pop schlägt Klassik – sind hundert Euro mehr aufzuwenden. Dazu im Angebot: ein Konvolut mit Karten und Briefen des Komponisten Gottfried von Einem, eine signierte Fotografie des Opern-Lyrikers Jules Massenet, ein Anzeigenplakat der Heilbronner Pianofabrik G.L. Nagel, Partitur-Erstdrucke von Mozarts „Zauberflöte“ und dem „Figaro“. Wertvollstes Stück in der Abteilung Musik in Ludwigsburg ist eine Ausgabe des „Bapst’schen Gesangbuchs“. Die Prachtausgabe von 1545 ist der letzte Band geistlicher Lieder, an dem Martin Luthers mitgearbeitet hat und gilt als „Höchstleistung der Buchdruckerkunst im Reformationszeitalter“, so der Katalog; angesetzt ist das Werk mit 42 000 Euro.

Die Musikalien sind allerdings bei beiden Messen nicht das bestimmende Thema der Händler und Käufer, sie werden kaum mehr als fünf bis zehn Prozent des beinahe jede Form von Druckkunst umfassenden Angebots ausmachen. Auch dieses Jahr stechen einige Positionen heraus. Die wertvollste ist die Handschrift „Wigalois mit dem Rade“ von Wirnt von Grafenberg mit traumhaft schönen 31 kolorierten Federzeichnungen, entstanden im Elsass um 1420 und ehemals im Besitz der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek. Angeboten wird sie vom Schweizer Händler Heribert Tenschert, immer wieder die erste Adresse für solche Edelstücke. Da es eines von nur zwei Exemplaren ist, hat das Kunstwerk, seinen Preis: 2,4 Millionen Euro.

Berühmt-berüchtigter „Hexenhammer“

Ein weiteres Stuttgarter Highlight ist eine Erstausgabe von Grimmelshausens „Simplicissimus“ (45 000 Euro). Verlockend für das Marbacher Literaturarchiv ist die Aufsehen erregende Einlieferung von Franz Kafkas letztem Reisepass, für den trotz fehlender Fotografie 75 000 Euro verlangt wird. Das Dokument ist nur eines von mehreren Spitzenangeboten von Kotte Autographs, ansässig in Roßhaupten. Dazu zählen ein lange verschollenes Miniaturporträt von Immanuel Kant (75 000 Euro), das Manuskript eines frühen Thomas-Mann-Gedichtes (9500 Euro), eine Locke von Schiller (15 000 Euro), ein Widmungsblatt von Heinrich Heine (70 000 Euro) sowie, für Historiker von hohem Wert, eine Sammlung von Korrespondenzen des preußisch-französischen Diplomaten Louis Guy Valory, darunter eigenhändige Schreiben von Friedrich dem Großen (65 000 Euro).

Für ultimative Bibliophile gibt es schließlich eines der wenigen vollständigen Exemplare des Erstdrucks von Heinrich Institoris’ „Hexenhammer“, es stammt ebenfalls aus der fürstlichen Bibliothek in Donaueschingen. Das berühmt-berüchtigte, 1487 erschienene Handbuch zur Rechtfertigung der Hexenverfolgung, schlägt mit 175 000 Euro zu Buche. Gut, dass auf beiden Messen Wertvolles auch für sehr viel kleineres Geld zu entdecken ist.