Mit einem Vergleich endete am Donnerstag das Verfahren am Landesarbeitsgericht. Der Lackierer verzichtet auf Wiedereinstellung im Mercedeswerk.
Sindelfingen - Sympathisch und adrett wirkt Sermet I., als er im achten Stock des Landesarbeitsgerichts in Stuttgart den Gerichtssaal betritt. Kaum vorstellbar, dass dieser nette junge Mann mit gepflegtem Fünftagebart als Terrorhelfer der Al-Kaida zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist. Optisch auffällig ist eher sein Rechtsanwalt, Hasan H. Kayikci, mit seinem wallenden schwarzen Bart, wie ihn viele strenggläubige Muslime tragen. Nervös ist Sermet I. ob der vielen Kameraleute, Tontechniker und Fotografen, die ihm auf Schritt und Tritt folgen. Seine Augen hat er deswegen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Nur während der Verhandlung, wenn Film- und Fotoaufnahmen verboten sind, nimmt er sie ab.
Die Gegenseite – die Daimler AG – kommt gleich mit einer ganzen Armada von Firmenvertretern an. Drei Mitarbeiter der Rechtsabteilung sitzen vorne auf der Bank für die Beklagtenseite. Der Rest nimmt im Zuschauerraum Platz.
17 Jahre bei Daimler gewesen
Fast 17 Jahre hat Sermet I. als Lackierer bei Daimler gearbeitet, die meiste Zeit davon im Sindelfinger Werk. Nun will ihn der Autobauer nicht mehr beschäftigen. Der Grund: Seine Verurteilung als Terrorhelfer vor zwei Jahren in Koblenz. Damals, im Prozess, hatte sich Sermet I. zwar eigenen Angaben zufolge von Al-Kaida abgewandt. Doch sein früherer Arbeitgeber hält das für wenig glaubhaft. Deshalb verweigert die Daimler AG dem 34-Jährigen die Wiedereinstellung, die sie ihm 2007 versprochen hatte, bevor dieser eine berufliche Auszeit nahm und nach Malaysia ging – wo er für das dortige Mercedeswerk arbeitete.
Das Stuttgarter Arbeitsgericht, bei dem Sermet I. die Wiedereinstellung einklagen wollte, gab ihm teilweise Recht. Doch die Daimler AG legte Widerspruch ein. „Wir haben 37 000 Mitarbeiter am Standort. Jeden Tag kommen 1000 Kunden, um ihr Auto abzuholen. Wir gefährden diese Menschen nicht durch einen Mitarbeiter, der als Terrorhelfer verurteilt worden ist“, sagte die Assessorin Mona Herzig. Auch die Zahlung einer Abfindung komme nicht in Frage.
Sie begründete dies mit dem Paragraf 34 des Außenwirtschaftsgesetzes. Demnach dürfen Firmen kein Geld zahlen, das „direkt oder indirekt“ Terrororganisationen zu Gute kommt. „Wir haben Angst, dass Geld von Daimler bei der Al Kaida oder anderen Terrorgruppen landet. Damit würden wir uns strafbar machen.“
Der Vorsitzende Richter Reiner Müller machte klar, dass ein Urteil, das auf dem Außenwirtschaftsgesetz fußt, die Kompetenzen des Landesarbeitsgerichts überschreiten würde. „Das wäre dann vermutlich ein Fall für den Europäischen Gerichtshof.“ Dies sei weder für die Daimler AG noch für Sermet I. empfehlenswert. „Wenn tatsächlich festgestellt wird, dass Sie nicht mehr bei Daimler arbeiten dürfen, dann darf Sie auch keine andere Firma in Europa beschäftigen. Das käme einem Berufsverbot gleich.“
Und Müller ließ durchblicken, dass eine Berufung auf das Außenwirtschaftsgesetz nach Ansicht der sechsten Kammer des Gerichts auch nicht notwendig sei. „Wir sehen, anders als die erste Instanz, durchaus Bezüge von der Unterstützung der Terrorgruppe durch Sermet I. zu seinem Arbeitgeber.“ Denn im Jahr 2006, als Sermet I. die Straftaten beging, für die er verurteilt wurde – die Übergabe von technischem Equipment sowie Bargeld an einen Kurier der Al-Kaida – war er im Sindelfinger Mercedeswerk beschäftigt. Damit habe er dem Ruf der Daimler AG geschadet.
Der Richter empfiehlt einen Vergleich
Sermet I. hingegen beteuerte mehrfach, wie sehr er sich seinem Arbeitgeber verbunden fühle. „Ich bin Sindelfinger und habe im Mercedes-Werk schon mein Schülerpraktikum gemacht.“ Sein Mandant fühle sich „nach so vielen Jahren beim Konzern wie Dreck behandelt“, erklärte sein Anwalt Kayikci. „Man hat ihn einfach fallen lassen.“ „Sie werden sich wohl mit dem Gedanken befassen müssen, sich eine Zukunft ohne Daimler aufzubauen“, meinte der Richter. Er riet dem Kläger zu einem Vergleich: „Ziehen Sie die Klage zurück. Daimler soll dafür die Gerichtskosten tragen.“
Beide Parteien einigten sich schließlich auf diese Entscheidung. Jedoch weigerte sich die Daimler AG – wie von dem Lackierer gefordert –, auch noch dessen Anwaltskosten zu tragen – es handelt sich um einige hundert Euro.