Die Anwältin und Mediatorin Anne Backer kennt die „Geheimsprache“ der Personaler. 2001 schrieb sie den Rechtsratgeber „Arbeitszeugnisse: Entschlüsseln und mitgestalten“. Im StZ-Interview gibt sie Tipps für ein positives Arbeitszeugnis.

Stuttgart - Anne Backer (54) ist Anwältin und Mediatorin im bayrischen Kissing. Die Rechtsanwältin arbeitete nach ihrem Studium zunächst in führender Position bei der Zeitschrift „Recht und Praxis“. 2001 schrieb sie den Rechtsratgeber „Arbeitszeugnisse: Entschlüsseln und mitgestalten“, der inzwischen in der sechsten Auflage erschienen ist.

 

Die Anwältin Anne Backer hat sich auf Arbeitszeugnisse speziallisiert. Foto: privat
Auf knapp 120 Seiten steht in dem Taschenguide alles was man braucht, um ein Arbeitszeugnis beurteilen, oder selbst eines schreiben zu können. Inzwischen beschäftigt sich die Juristin in ihrer eigenen Kanzlei oft mit der Prüfung von Arbeitszeugnissen.
Frau Backer, worauf muss ein Arbeitnehmer achten, wenn er sein Arbeitszeugnis bekommt?
Als Arbeitnehmer habe ich vor allem ein Interesse daran, dass ich ein wohlwollendes Zeugnis ausgestellt bekomme, damit ich wieder eine Anstellung finde. Dabei gibt es einige Reglen bei der Zeugnisausstellung, die beachtet werden müssen. Allein durch den Aufbau eines Zeugnisses trifft der Arbeitgeber eine Aussage über den Arbeitnehmer. Und bei den Formulierungen gibt es klare Auslegungsregeln.
Was mache ich, wenn mein Zeugnis nicht so ausfällt, wie ich mir das vorstelle?
Mein erster Rat lautet immer: Sprechen Sie als erstes direkt mit dem Arbeitgeber und schildern Sie Ihre Sicht. Sehr häufig ist es so, dass manche Arbeitgeber die Zeugnissprache nicht beherrschen – das ist vor allem bei kleineren Betrieben und bei Mittelständlern der Fall, die keine eigene Personalabteilung haben. Wenn sie darüber reflektieren, sind sie oft bereit, Formulierungen zu überarbeiten. Das wirkt meistens in 50 Prozent der Fälle.
Und wenn nicht?
Dann können Sie sich von einem Anwalt beraten lassen oder gehen zum Arbeitsgericht, das geht auch ohne Anwalt und kostet nicht allzu viel. Man muss aber überlegen, was man haben will und ob man sein Begehren beweisen kann. Im aktuell vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist das Gericht seiner Rechtsprechung treu geblieben. Wenn der Arbeitgeber eine durchschnittliche Leistung bescheinigt, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er überdurchschnittliche Leistung erbracht hat.
Und der Arbeitgeber kommt seiner Wahrheitspflicht nach, wenn er „zu unserer vollen Zufriedenheit“ schreibt statt „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ – also die Note drei statt der Note zwei gibt?
Ja, im Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1963 zu Arbeitszeugnissen steht, dass ein Zeugnis wohlwollend und wahr sein muss. Das ist manchmal ein Spagat, der sich in der Sprache wiederfindet. Man darf das Leben eines Arbeitnehmers für die Zukunft nicht erschweren. Das ist manchmal eine schwierige Angelegenheit. Deshalb gibt es die „Geheimsprache“ der Personaler. Auch formale Kriterien wie Aufbau oder Umfang der Ausführungen sind von großer Bedeutung, denn auch durch Weglassen kann man eine schlechte Beurteilung abgeben.
Wirklich geheim ist die „Geheimsprache“ der Personaler nun nicht. Die Formulierungen und deren Übersetzung in Schulnoten sind im Internet oder in Ratgebern nachzulesen.
Ja, das ist leicht zugänglich, aber man muss sich damit beschäftigen. Es gibt dazu genügend Rechtsprechung und Literatur. Man muss wissen, dass es diese Sprache gibt und sein Zeugnis entsprechend lesen.
Was ist wichtiger: Lebenslauf oder Arbeitszeugnis?
Das Zeugnis hat meiner Meinung nach eine höhere Bedeutung, besonders wenn vergleichbare Bewerber zur Auswahl stehen. Dann kann ein Detail wie das soziale Verhalten, das im letzten Arbeitszeugnis gelobt wird, durchaus entscheidend sein. Es kommt aber immer auf den Kontext an – und die Position.