„Kann den Bauen Sünde sein?“ Die Stuttgarter Weißenhof-Galerie diskutiert am Beispiel des Skandals um den ehemaligen Limburger Bischof Tebartz-van Elst und seinen Amtssitz die Rezeption von Architektur in der Mediengesellschaft.

Stuttgart - Die Bausünde ist hierzulande spätestens seit der Nachkriegszeit ein feststehender Begriff in der Architekturdiskussion. Gemeint sind die Verheerungen, die der Wiederaufbau in den meisten deutschen Städten anrichtete: Wo die Bomben praktischerweise tabula rasa hinterlassen hatten, wurden nach 1945 rücksichtslos Stadtautobahnen durch historische Stadtgrundrisse gefräst, maßstabs- und gesichtslose Neubauten in Altstädte und Schlafstädte auf die grüne Wiese geklotzt. Dass sich die Leute bis heute vor „seelenloser Betonarchitektur“ gruseln, geht zu einem Gutteil auf den rabiaten Funktionalismus dieser Nachkriegsmoderne zurück. Besser ist es seither nur leider nicht geworden – man muss sich bloß in einem x-beliebigen Gewerbegebiet oder Eigenheimrevier neueren Entstehungsdatums umsehen.

 

Wenn nun aber die Stuttgarter Architekturgalerie am Weißenhof in ihrer aktuellen Ausstellung kokett fragt „Kann denn Bauen Sünde sein?“, dann deutet schon die Gesangbuch-Typografie des Titels auf dem Plakat an, dass es um eine andere als die ganz normale, triste, alltägliche Bausünde geht, die wir alle gottergeben hinzunehmen gelernt haben. Verhandelt wird der Fall des unseligen Limburger Bischofs – vielmehr: des gewesenen Limburger Bischofs – Franz-Peter Tebartz-van Elst und seiner Kostenexplosionsresidenz, die in den vergangenen zwei Jahren die Medien und die Öffentlichkeit so ungemein in Rage brachte, dass man schon glaubte, der Teufel persönlich müsse an der Lahn der Katholischen Kirche diesen Image-Gau eingebrockt haben. Das ging so weit, dass ein Pfarrer nach einem Fernsehbericht des Hessischen Rundfunks über das neue Limburger Diözesanzentrum den Architekten kreuzigen wollte, wie er Journalisten gegenüber bekannte – in christlichster Nächstenliebe, kein Zweifel.

Inzwischen ist das Mediengeschrei fast verstummt, die unentwegt empörungsbereite Volksseele echauffiert sich über andere Skandale. Nur die „Süddeutsche Zeitung“ schaute vor ungefähr einem Monat, als das Bistum die Pforten seiner „Luxusimmobilie“ öffnete, in Limburg vorbei und war sich nicht zu blöd die legendäre Badewanne des Oberhirten großformatig abzubilden. Badewannen sind in der kleinbürgerlichen Fantasie ja zugleich unfehlbarer Gradmesser für Schöner-Wohnen-Träume und die haarsträubende Verschwendungssucht von Würdenträgern aller Art.

Die Badewanne als Inbild der Verschwendungssucht

Und so wurde auch über Limburg kolportiert, dass allein die bischöfliche Badewanne 15 000 Euro gekostet habe. Die stinknormale Wanne – Kostenpunkt 1500 Euro –, die die „SZ“- Reporterin dann tatsächlich vorfand, konnte sie von ihrem Entrüstungswillen über den „skandalös teuren Bischofssitz“ jedoch nicht abbringen, obgleich sie goldene Wasserhähne vermisste, denn immerhin gab es auch noch die „äußerst großzügige Wellness-Dusche und ein Bidet“. Die beleuchteten Treppenstufen wiederum brandmarkte ein Journalist vom „Spiegel“ als „obszön“.

Die Weißenhof-Galerie will mit der Schau nun nicht den „Prunk-Bischof“ rehabilitieren, sondern den Fall Limburg zum Anlass nehmen, „nach dem Umgang mit Architektur im öffentlichen Diskurs zu fragen“. Merkwürdig ist schon, so schrieb die „Süddeutsche“ an anderer Stelle, „welcher Thrill sich mittlerweile mit der sonst so spröden Thematik der Baukosten herstellen lässt“. Täglich explodieren irgendwo Baukosten, ob in Berlin, Hamburg oder Stuttgart, wo nicht nur die Kosten für S 21, sondern – unter anderem – fürs städtische Klinikum aus dem Ruder laufen. Die Ausstellung hält andere Beispiele parat, wie öffentliche Gelder verpulvert werden: Eine Fotoserie von Wilfried Dechau etwa zeigt die Itztalbrücke, die 2005 für 18 Millionen Euro auf der Bahnstrecke Nürnberg-Erfurt errichtet wurde und noch immer auf Anschluss wartet. Zwar nahm der Bund der Steuerzahler die nutzlos in der Gegend herumstehende und die Landschaft verschandelnde Brücke 2006 in sein Schwarzbuch auf, doch niemand wurde deswegen zur Verantwortung gezogen. Verglichen mit dem Shitstorm, der über den Limburger Bischof niederging, reagiert die Öffentlichkeit auch auf die Fantastilliarden, die etwa der Berliner Flughafen an Mehrkosten verursacht, geradezu passiv.