Der ARD-Film „Sternstunde ihres Lebens“ ehrt die von Iris Berben gespielte Anwältin Elisabeth Selbert. Er erinnert an ein Kapitel der jungen Bundesrepublik.

Bonn - Aktuelle Filme über die Nachkriegszeit scheinen derzeit oft wie durch einen Nebel gefilmt, dabei versuchen die Regisseure nur die Tatsache abzubilden, dass damals noch hemmungslos gequalmt werden durfte. So ist das auch in dem Historienstück „Sternstunde ihres Lebens“, das am Mittwochabend im Ersten gesendet wird. Dichte Schwaden diesmal in Bonn am Rhein, allerdings umgeben sie ausnahmsweise nicht hauptsächlich Männer, sondern auch Frauen. Denn es geht da um ein bedeutendes Stück bundesrepublikanischer Geschlechterpolitik, um die Gleichstellung der Frauen im deutschen Grundgesetz von 1949.

 

Fünfundsechzig Jahre sind vergangen, seit es formuliert wurde, ein guter Zeitpunkt also, um daran zu erinnern, dass damals um ein Haar ein Passus, der uns heute selbstverständlich erscheint, nicht Eingang in das Dokument gefunden hätte. „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile ein“, lautet Artikel 3.2 unserer Verfassung.

Der Familienanwältin und gestandenen Sozialdemokratin Elisabeth Selbert erschienen diese Sätze so wichtig, dass sie alles gab, um für sie im Parlamentarischen Rat, der aus 61 Männern und außer ihr selbst nur drei weiteren Frauen, der Sozialdemokratin Friederike Nadig und den Christdemokratinnen Helene Wessel und Helene Weber bestand, eine Mehrheit zu bekommen. Es wurde ein schwieriger Kampf gegen Windmühlen, den sie schließlich gewann.

Unter Kollegen stößt sie auf erbitterten Widerstand

Das ist, historisch betrachtet, ungeheuer bedeutsam, und Elisabeth Selbert, deren Namen inzwischen fast niemand mehr kennt, obwohl sie das Leben der weiblichen Bevölkerung weitaus stärker verändert hat als andere, berühmtere Vorkämpferinnen der Emanzipation, verdient es zweifellos, ein filmisches Denkmal für ihre Hartnäckigkeit und ihren unbeugsamen Mut gesetzt zu bekommen. Leicht im Fernsehen zu erzählen ist ihre Geschichte allerdings nicht. Das wussten wohl auch die Macherinnen von „Sternstunde ihres Lebens“, neben der Produzentin und Politikwissenschaftlerin Juliane Thevissen unter anderem die Drehbuchautorin Ulla Ziemann und die Regisseurin Erica von Moeller.

Und so haben sie sich bei ihrer Darstellung des entscheidenden Zeitraums vom Herbst 1948 bis zum Frühjahr 1949 einerseits an die Chronologie der Geschehnisse gehalten und zeigen, wie Selberts Überzeugungsarbeit unter ihren Kollegen zunächst auf erbitterten Widerstand stieß und sie erst nach einer Kampagne in der Öffentlichkeit die erforderliche Mehrheit für ihr Vorhaben bekam. Da die politischen Ränkespiele um die künftige Ausrichtung gerade des Familienbildes aber nicht sehr viel spannender nachzuerzählen sind als heutzutage ein Grünen-Parteitag, entschied man sich dafür, einen zweiten Erzählstrang einzuflechten, der etwas klischeehaft auf weibliche Gefühle, Sehnsüchte und Enttäuschungen eingeht.

Die Chefin zahlt einen hohen Preis

So spielt nun Anna-Maria Mühe die junge Sekretärin Irma, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst vor allem auf eine glückliche Ehe mit Kindern hofft, dann aber, durch eine schiefgelaufene Affäre geläutert, zur engsten Mitarbeiterin Selberts wird und ihren Witz, ihre Hilfsbereitschaft und ihre praktische Ader im Sinne der weiblichen „Sache“ einsetzt.

Die Chefin ihrerseits zahlt einen hohen persönlichen Preis für ihr leidenschaftliches Engagement: Ihr Ehemann Adam, ein sehr emanzipierter Mensch, hält ihr zwar schon lange den Rücken frei und hat sich auch um die gemeinsamen Kinder gekümmert, nun muss sie den schwer Zuckerkranken aber im heimatlichen Kassel zurücklassen und ruiniert sich fast noch die eigene Gesundheit.

Der unterkühlte Charme einer attraktiven Frau

Iris Berben verkörpert die immer ruhig und sachlich auftretende Juristin, sie macht das nicht schlecht, aber man fragt sich doch, ob es nicht eine wegweisende Entscheidung gewesen wäre, einmal eine historische Frauenfigur, die nachweislich eher herb und nicht dem klassischen Schönheitsideal entsprechend ausschaute, auch von einer ähnlich wirkenden Schauspielerin darstellen zu lassen und nicht von einer Beautyqueen.

Andererseits wird durch diese Besetzung natürlich auch eine große Fangemeinde angesprochen, die sich weniger für die Geschichte der Demokratie als für den unterkühlten Charme der attraktiven 63-Jährigen interessiert. Wer ausschließlich Drama oder Action zur Unterhaltung sucht, kann allerdings trotz des Stars in der Hauptrolle mit dieser eher ruhig gehaltenen Geschichtsstunde sicher nicht viel anfangen. Wer sich aber dafür interessiert, wie die alte Bundesrepublik wurde, was sie war, und warum „das Recht auf Gleichheit und Differenz“, wie ein Buch über Elisabeth Selbert heißt, noch immer eine Utopie ist, sollte unbedingt den Fernsehapparat einschalten.

ARD, 20.15