Wie lebt es sich mit besonders viel oder mit besonders wenig Geld in Deutschland? Aminata Belli begibt sich auf Spurensuche und stellt unbequeme Fragen, die nicht jeder beantworten möchte.

Luxusgeschäfte, prunkvolle Villen, teure Autos: Es riecht nach Geld in Wiesbaden. Aminata Belli sitzt auf einem roten Teppich vor dem Kurhaus und blickt sich um. In den nächsten gut 50 Minuten der ersten Folge der ZDF-Reihe „Kiez & Knete“ wird die Moderatorin Menschen treffen, die entweder sehr viel oder sehr wenig Geld haben. Wiesbaden hat eine Kaufkraft von zwölf Milliarden Euro und liegt damit rund ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Einst lebten hier die meisten Millionäre Deutschlands, angelockt durch die 26 heißen Quellen, die unter der Stadt brodeln. Wiesbaden hat heute aber auch eine hohe Kinderarmutsquote. Im Inneren Westend ist jedes zweite Kind von Armut bedroht. Das heißt: Keine Winterschuhe, keine regelmäßigen warmen Mahlzeiten, keine Schulausflüge.

 

Wiesbaden ist nur ein Beispiel für die große Kluft zwischen Arm und Reich, die in vielen Städten Deutschlands herrscht. Belli hat sich für ihre Reihe in einige dieser Städte begeben, um mit den Menschen über Geld zu sprechen. Neben Wiesbaden war sie in Hamburg, der Stadt, in der heute sowohl die meisten Millionäre als auch die meisten Obdachlosen leben. Weshalb ist jemand arm oder reich und was bedeutet das überhaupt?

Über Geld zu sprechen ist ein Tabu

Protagonistinnen und Protagonisten für die Reihe zu finden, war nicht einfach. Manche sind während der Produktion wieder abgesprungen. Über Geld zu sprechen, vor allem in der Öffentlichkeit, ist noch immer ein Tabu. „In Deutschland ist das ein Teil der Kultur, es ist ein Teil der Erziehung“, so Belli im Interview. „Was da sicherlich mit reinspielt ist das Wissen darüber, dass Geld ungerecht verteilt ist. Wer viel hat, möchte eventuell nicht darüber sprechen, weil es auch unangenehm sein kann.“ Mit Geld sind viele Gefühle verknüpft, Scham, aber auch Neid.

In der Sendung stellt Belli allen die gleiche Frage: Wie viel Geld hast du im Monat zur Verfügung? Diejenigen mit weniger Geld haben die Frage häufiger und dann auch präziser beantwortet. „Die, die weniger haben, konnten mir teilweise ganz genau aufschreiben, was sie haben und was sie ausgeben. Das ist zwar auch mit Scham behaftet, aber in die andere Richtung.“

Ein Bild kostet bis zu zweieinhalb Millionen Euro

Da wäre zum Beispiel Patrizia, alleinerziehende Mutter und Studentin. Sie erklärt in der Dokumentation ganz genau wie ihr Leben aufgebaut ist. Wie viel Geld sie vom Staat bekommt und wie viel Geld sie monatlich für sich und ihren Sohn zum Leben braucht. „Die Frage ist ja immer: Was hast du davon, wenn du offen darüber sprichst? Die Person, die nichts hat, hat vielleicht die Möglichkeit gehört zu werden, hat Möglichkeiten auf Veränderung. Was hätte dann die reiche Person davon?“, so Belli.

Auf der anderen Seite des Spektrums trifft Belli auf Familie Rother. Christian Rother ist Millionenerbe. Seit Generationen besitzt die Familie Kunst und Immobilien. In ihrer Galerie Rother an der Taunusstraße arbeiten sie etwa mit Künstlern wie Tim Bengel zusammen. Ein Bild kann bis zu zweieinhalb Millionen Euro kosten. Den Rothers ist anzumerken wie mit dem Erbe auch große Verantwortung einhergeht. Das Erbe muss verwaltet und aufrechterhalten werden. Christian Rother ist das schon von den Großeltern eingetrichtert worden. Mitschüler habe er selten mit nach Hause gebracht, die Villa war ihm unangenehm. Rother ist ein nachdenklicher Mann, der sich auch Gedanken darüber macht, wie er der Gesellschaft etwas zurück geben kann und darüber, woher das Geld eigentlich kommt.

Zwei Millionen Menschen werden von den Tafeln versorgt

„Bei Christian Rother kam total viel Schwere mit dem Geld. Er hat mir erklärt, weshalb das kein Ponyhof ist, und dass da auch Schwierigkeiten für ihn mitkommen“, so Belli. „Doch am Ende des Tages hat man dadurch trotzdem Möglichkeiten. Geld ist ja nicht nur Papier, das ist Macht, das ist Sicherheit.“

Alles Dinge, von denen Andreas nur träumen kann. Der 47-Jährige hat jahrelang auf der Straße gelebt, „Scheiße gebaut“, wie er selbst sagt. Seit einem Jahr arbeitet er in der Teestube. Hier gehen Menschen mit ähnlichem Schicksal ein und aus, bekommen eine warme Mahlzeit, Lebensmittel und auch einen Schlafplatz. Andreas ist einer von zwei Millionen Menschen, die in Deutschland von den Tafeln versorgt werden. Auch wenn er auf Hilfe angewiesen ist, als arm bezeichnet er sich nicht. Belli darf am Ende dabei sein, als Andreas dank einer privaten Initiative ein kleines Holzhaus bekommt. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass er einen Briefkasten mit seinem Namen darauf hat. Ab jetzt soll alles besser werden. „Ich mache das für alle“, sagt er. Also für alle, die wie er einen Neustart brauchen.

Aminata Belli stellt vermeintlich unbequeme Fragen

Die Dokumentation zeigt, wie sehr es manchmal darauf ankommt, welche Startbedingungen jemand hat. Rothers Kinder besuchen Privatschulen, während Patrizias Sohn zumindest in seinen ersten Lebensjahren mit Knappheit umgehen muss. „Er merkt, dass wir immer etwas weglassen müssen“, sagt Patrizia.

Aminata Belli führt empathisch durch die Sendung und ist stets mit ihren Protagonistinnen und Protagonisten auf Augenhöhe. Vermeintlich unbequeme Fragen stellt sie wie nebenbei, nach dem Gehalt zu fragen sei ihr nicht schwer gefallen. „Oft weiß man sowieso, dass man keine Antwort bekommt“, sagt sie lachend.

Über Geld zu sprechen ist zwar noch immer ein Tabu, das zeigt auch „Kiez & Knete“. Dennoch tut sich etwas in der Gesellschaft. „Ich glaube, dass generell mehr über Geld gesprochen wird, über Armut und über die Verteilung des Geldes, weil gerade alles teurer geworden ist“, so Belli. „Man muss nicht armutsbetroffen sein, um das zu merken, deshalb muss man sich mit dem Thema Geld mehr beschäftigen.“

Kiez & Knete: Ab Dienstag 14.11., 20.15 Uhr in der ZDF Mediathek