ARD-Themenabend zum Wassermangel Deutschland droht auszutrocknen
Das deutsche Wasser wird knapp – wie dramatisch die Lage bereits ist, zeigt der investigative Regisseur Daniel Harrich in einem Spiel- und einem Dokumentarfilm.
Das deutsche Wasser wird knapp – wie dramatisch die Lage bereits ist, zeigt der investigative Regisseur Daniel Harrich in einem Spiel- und einem Dokumentarfilm.
Ulrich Tukur verkörpert den manipulativen Wassermanager im SWR-Spielfilm „Bis zum letzten Tropfen“, Sebastian Bezzel den naiven Bürgermeister, der das Grundwasser verkauft. Im zugehörigen Dokumentarfilm zeigt der investigative Filmemacher Daniel Harrich einen realen Fall aus Lüneburg, wo Wasser bereits knapp wird. Im Interview spricht er über Versäumnisse, die Konzerne und Politiker, die sich wegducken.
Herr Harrich, hierzulande alarmieren uns Tiefstände des Bodenseewassers, wie sind Sie auf das Thema gestoßen?
Es ist uns in Lateinamerika begegnet, in Nahost, in Afrika, in Asien – weit weg. Im Hitzesommer 2017 hatte dann mein Onkel, der in Norditalien lebt, kein Wasser mehr. Die Landwirtschaft hat das hart getroffen, erst in Italien und Spanien, dann in Franken, im Hunsrück, in der Lüneburger Heide.
Wie dramatisch ist die Lage?
Wir waren mit dem US-Hydrologen Jay Famiglietti am Grand Canyon, durch den der Colorado River fließt. Der ist nur noch ein Schatten seiner selbst, weil zu lange zu viel Wasser entnommen wurde. Jay sagt: Wir bringen etwas zum Erliegen, das sich über Jahrmillionen aufgebaut hat. In ein paar Millionen Jahren landen hier vielleicht Aliens, finden Reste unserer Zivilisation und fragen sich: Haben die versucht, sich umzubringen? Waren die irre? Oder waren sie einfach nicht klug genug?
Wo steht Deutschland – und wieso haben Sie in Weikersheim im Taubertal gedreht?
Nach den Nasa-Daten, die wir von Jay bekommen haben, sind Baden-Württemberg, Bayern und die Region Lüneburg am stärksten betroffen. Deutschland hat in 20 Jahren das Volumen des Bodensees verloren, Franken könnte zu einer Art deutscher Sahelzone werden. Das ist kein Witz. In vielen betroffenen Regionen ist viel Industrie angesiedelt.
Was kommt auf uns zu?
Wir nähern uns irreversiblen Kipppunkten wie in Saskatoon in Kanada, wo alles vertrocknet ist. Der Hydrologie-Professor Martin Grambow vom bayerischen Umweltministerium sagt: Ein kranker Mensch kann wieder gesund werden – wenn er tot ist, ist er tot. Der Wasserforscher Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz/Landau sagt: Das Grundwasser geht kaputt. Bislang ist Grundwasser aus der Tiefe nachgeströmt, wenn Oberflächenwasser knapp wurde, jetzt drückt das Oberflächenwasser nach unten. Im Neckar ist das 80 Prozent Klärwasser voller pharmazeutischer Rückstände, Reifenabrieb und anderem Dreck. Wenn das ins Grundwasser gelangt, gefährdet das die Trinkwasserversorgung. Außerdem sacken vielerorts Gebäude ab, weil der austrocknende Untergrund schrumpft. Trotzdem saugen wir munter weiter Wasser ab.
Wie bleibt man bei so einer Faktenlage sachlich als Dokumentarfilmer?
Die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus war mir immer wichtig. Ich mag keinen lauten Protest, ich bin für sachliche Auseinandersetzung. Aber die letzten Monate haben mir gezeigt: Eigentlich müssten wir viel lauter sein, weil die politischen Entscheider den Knall nicht gehört haben. Es gibt keine nationale Wasserstrategie, laut Hans Jürgen Hahn weiß niemand, wie viel Wasser wir haben und wie viel wir verbrauchen, weil das nie ein Problem war. Die Industriekonzerne haben längst verstanden, die decken sich mit Wasserrechten ein. Und wir Bürger werden am Ende astronomische Preise für Trinkwasser bezahlen.
Im Dokumentarfilm äußern sich nur bayerische Landespolitiker – warum?
Die Bundespolitiker ducken sich weg, weil sie das Thema viel zu lange vernachlässigt haben. Umweltthemen sind unpopulär, damit gewinnt man keine Wahlen. Wir haben Gesprächspartner gefunden zu Waffenexporten, Terror, Rechtsextremismus und Islamismus, beim Wasser wollte niemand vor die Kamera. Bundesumweltministerin Steffi Lemke lässt sich verleugnen, Wirtschaftsminister Robert Habeck antwortet nicht mal richtig. Auf der Landesebene waren nur die Bayern richtig zugänglich. Die Niedersachsen tun so, als wäre alles wunderbar, obwohl Konzerne dort seit Jahrzehnten Wasser abpumpen. Sie übernehmen die Trinkwasserversorgung, nennen das Public Private Partnership, behalten die lokalen Namen bei und sagen: Wir managen das ganz toll für Euch.
Was geht in Leuten vor wie dem Coca-Cola-Manager in der Doku, der keinen Anlass zur Sorge zu sehen scheint?
Ich glaube nicht dass die alle bösartig sind. Die reden sich das schön, engagieren sich für den Regenwald und blenden auch oft aus, dass der Klimawandel alles auf den Kopf stellt. Ist es ein Verbrechen, Wasser abzufüllen und zu verkaufen? Nein. Sicher ist nur: Solange wir als Konsumenten weiter Flaschenwasser kaufen, wird die Industrie die Nachfrage weiter bedienen.
Wie konnten Sie Ulrich Tukur und Sebastian Bezzel für Ihren Film gewinnen?
Alle waren sofort begeistert. Sebastians Vater ist Ornithologe, für den wollte er das auch machen. Wir haben ihnen die Rollen auf den Leib geschrieben, es war uns ganz wichtig, dass Spielfreude aufkommt.
Daniel Harrich und seine Filme
Regisseur
1983 in München geboren, hat Daniel Harrich als investigativer Regisseur unter anderem einen Grimme-Preis bekommen. Sein Spielfilm „Der blinde Fleck“ (2013) zum Oktoberfestattentat von 1980 rief die Bundesanwaltschaft auf den Plan, „Meister des Todes“ (2015) über illegale Waffenexporte nach Kolumbien und Mexiko führte zu Ermittlungen gegen den Waffenproduzenten Heckler & Koch. In „Saat des Terrors – Spur des Terrors“ (2018) deckte Harrich die Verstrickung westlicher Geheimdienste mit pakistanischen Kollegen auf, die Terroristen unterstützen.
Ausstrahlung
Der Spielfilm „Bis zum letzten Tropfen“ ist am 16. März um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen, die Dokumentation folgt im Anschluss um 21.45 Uhr. Beide Filme stehen in der ARD-Mediathek.