Unter dem Eindruck des aserbaidschanischen Einmarsches in der bis dahin autonomen armenischen Region Bergkarabach sind die armenischen Kulturtage in Stuttgart mit einem ausdrucksstarken Konzert eröffnet worden.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Das gewaltsame Ende der armenischen Enklave Bergkarabach wühlt die armenische Gemeinde auf. Die Ereignisse vom September prägen auch das Programm ihrer Kulturtage in Stuttgart. Musikalische Gäste aus Armenien konnten angesichts der angespannten politischen Lage mit Aserbaidschan nicht nach Stuttgart kommen. Dafür sprangen lokale Musiker ein.

 

Die aus Armenien stammende und seit zwölf Jahren in Stuttgart lebende charismatische Altistin Seda Amir-Karvan hatte befreundete Instrumentalisten um Unterstützung gebeten und mit dem Dirigenten Fritz Krämer ein kleines, feines Orchester zusammengestellt. Aus dem Stand heraus bestreiten sie am Donnerstagabend das Eröffnungskonzert in der Stiftskirche mit Werken von Johann Sebastian Bach und geistlichen Stücken aus Armenien. Den Abschluss bildet ein Arrangement des Komponisten Komitas mit dem Titel „Dona nobis pacem“.

Frieden lautet auch die Botschaft dieses Abends. Pfarrer Diradur Sararyan von der armenischen Gemeinde, wendet sich mit eindringlichen Worten an das Publikum und die Stadtgesellschaft: „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir leben und alles, was möglich ist, für den Frieden tun“, sagt er zur Eröffnung. Es gelte auf den Schmerz der Menschen hinzuweisen und zu zeigen, „wer wir sind“. Darin klingt auch die Bitte um Aufmerksamkeit an, denn angesichts des Krieges in der Ukraine und des Terrors und der kriegerischen Entwicklungen in Israel findet Armenien in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch statt. Sararyan bekräftigt die Bereitschaft seiner Gemeinde zum Dialog, wie er auch in den bis zum 29. Oktober stattfindenden Kulturtagen zum Ausdruck kommen soll. Sein Appell: „Lasst uns in allen möglichen Sprachen für den Frieden sprechen. Auch in der Sprache der Musik.“

Ein Wiegenlied für alle von Krieg und Terror betroffenen Kinder

Die Sprache der Musik – niemand spricht sie an diesem Abend besser als Seda Amir-Karvan. Mit und ohne Orchester bringt sie in ihrem „musikalischen Zuhause“, der Stiftskirche, die Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck. Ergreifend ihr Wiegenlied, das sie als Gebet für alle unter Krieg und Terror leidenden Kinder vorträgt und als „Friedensimpuls in alle Himmelsrichtungen“ versteht.