Armin Veh hat die Situation beim VfB Stuttgart falsch eingeschätzt. Nun hört er wieder auf sein Gefühl – und geht. Es ist nicht das erste Mal, dass Veh als Trainer so handelt.

Stuttgart - Knapp 80 Minuten sind absolviert, als sich Armin Veh die Hände vors Gesicht schlägt. Mehrere Sekunden steht er dann regungslos an der Seitenlinie. Der Trainer hadert vordergründig mit dem Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer, dem er eine gehörige Mitschuld an der 0:1-Niederlage gegen den FC Augsburg zuschreibt. Aber wer weiß, vielleicht kann Veh auch nicht mehr mitansehen, was seine Mannschaft an diesem Abend mal wieder abliefert – und womöglich hat er genau in diesem Moment mit dem Kapitel beim VfB Stuttgart abgeschlossen. Ein paar Stunden später erklärt Veh jedenfalls seinen Rücktritt – das Ende eines Missverständnisses.

 

Dass er sich alles ganz anders vorgestellt hat, sagte Veh in den vergangenen Wochen immer wieder – ganz anders und vor allem viel einfacher. Wie bei seiner ersten Ära beim VfB sollte es laufen, wie 2006, als er als Nachfolger von Giovanni Trapattoni verpflichtet und von dem alten Aufsichtsratschef Dieter Hundt als Übergangslösung bezeichnet wurde. Ein gutes Jahr später führte Veh den Club zur deutschen Meisterschaft. Aus der Interimsvariante war ein Erfolgsmodell geworden. Aber jetzt ist Abstiegskampf in Stuttgart.

Der Trainer ist im Sommer unter anderen Voraussetzungen zum VfB gekommen, da die Mannschaft in seinen Augen immer noch zur Spitze in der Liga gehörte – der Entwicklung in den vergangenen Jahren zum Trotz. Allem Anschein nach hat sich Veh in den Vertragsgesprächen im Frühjahr etwas blenden und anstecken lassen von dem Optimismus, den der Präsident Bernd Wahler verbreitete. Veh wollte ein neues Team aufbauen und merkte in der Praxis schnell, dass er an Grenzen stieß.

Keine Hoffnung auf Besserung

Das hatte zur Folge, dass er seinen Club und seine Spieler öffentlich kritisierte – was wiederum nicht jeder beim VfB gerne hörte und was nicht motivierend wirkte. So kam die Abwärtsspirale in Gang und sie war nicht mehr zu stoppen. Der Grund für seinen Schritt sei, „dass wir nach zwölf Spielen nur neun Punkte haben – und dafür trage ich die Verantwortung“, sagt Veh.

Er geht diesen Weg jetzt, weil er offensichtlich keine Hoffnung mehr hatte, die Talfahrt unterbinden zu können. Sonst hätte er zu diesem noch recht frühen Zeitpunkt in der Saison nicht schon resignieren müssen. „Warum macht man das als Trainer?“, fragt Veh, der nach seinem Abgang noch bei der Pressekonferenz des VfB auftritt – was sehr ungewöhnlich ist und die besondere Beziehung zwischen ihm und dem Verein belegt. Seine Frage hat er dann selbst beantwortet. „Man macht das in der Regel, wenn man seine Mannschaft nicht mehr erreicht oder wenn es taktische Mängel gibt oder wenn man müde ist.“ Bei ihm treffe aber nichts davon zu. Vielmehr sei es so gewesen, dass in dieser Saison schon mehrfach das nötige Quäntchen Glück gefehlt habe – „und das projiziere ich auf mich“, sagt Veh.

Damals bei Hansa Rostock

Es ist nicht das erste Mal, dass der bekennende Gefühlsmensch eine Situation so beurteilt. Ähnlich verhielt es sich vor elf Jahren, als er bei Hansa Rostock das Handtuch geworfen hat – und auch die erste Trennung beim VfB im November 2008 geschah maßgeblich auf Betreiben des Trainers, der mit solchen Erfahrungen also schon eine gewisse Routine hat.

Nach der Partie gegen Augsburg hat Veh noch am Sonntagabend das Gespräch mit Bernd Wahler gesucht und den Präsidenten mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt. Es ist Schluss in Stuttgart. Es gebe eben gelegentlich diese negativen Phasen im Leben, sagt Veh, „und ich glaube, dass ich davon gerade eine erwischt habe.“

Das ist seine Überzeugung, nachdem er in seinen letzten Tagen beim VfB noch mal alles probiert und manches geändert hatte. So redete er die Spieler nun stark, denen er zuvor die Qualitäten abgesprochen hatte. Die Truppe sei intakt und verfüge über genügend Potenzial, sagt Veh jetzt. Zudem versuchte er mit der Aufstellung gegen Augsburg noch ein Zeichen zu setzen, als er das mit einem Durchschnittsalter von 23,7 Jahren jüngste Team der Liga aufs Feld schickte. Aber es nützte nichts. Spätestens nach knapp 80 Minuten hat Veh wieder den Eindruck, als habe sich das Schicksal gegen ihn verschworen.