Der Arzneimittel- und Naturkosmetikhersteller Weleda schreibt rote Zahlen. Die anthroposophischen Eigentümer bestimmen, wie es weitergeht.

Stuttgart - Eigentlich will sich die Weleda AG abheben von anderen Unternehmen. Nicht ausschließlich die Bilanzzahlen sollen Gradmesser des Erfolges sein, die nicht börsennotierte Firmengruppe mit deutschem Sitz in Schwäbisch Gmünd setzt vielmehr auf die Anthroposophie, eine Weltanschauung, die unter anderem besagt, dass Menschen vor allem durch Zutrauen voranzubringen sind.

 

Eine Probe aufs Exempel in Sachen Zutrauen ist momentan zu beobachten. Seit Weleda die wirtschaftliche Erfolgspur verlassen hat, scheint es auch Anthroposophen schwerzufallen, zuzutrauen: Kurz bevor in den vergangenen Tage bekannt wurde, dass Weleda im Jahr 2011 acht Millionen Euro Verlust (Umsatz: 309 Millionen Euro) erwirtschaftet hat, räumte urplötzlich der Weleda-Vorstandsvorsitzende Patrick Sirdey „aus privaten Gründen und auf eigenen Wunsch“ seinen Chefsessel. Ähnlich „zufällige“ und überraschende personelle Wechsel waren vor drei Jahren zu beobachten – auch damals gab es rote Zahlen. Entpuppt sich Weleda damit also nur als ein Schönwetterunternehmen und lässt sich der anthroposophische Anspruch vielleicht doch nicht vereinbaren mit dem Einmaleins einer marktwirtschaftlichen Unternehmensführung?

Die Fragen müssen die Haupteigentümer jetzt beantworten. Laut Weleda-Satzung haben überzeugte Anthroposophen das Sagen. So bestimmen die Allgemeine anthroposophische Gesellschaft – das Zentrum der anthroposophischen Bewegung – und die anthroposophische Ita-Wegman-Klinik (Schweiz) mit mehr als zwei Drittel der Stimmrechte die Richtung der Aktiengesellschaft. Beunruhigt durch den jüngsten Millionenverlust haben die beiden Haupteigentümer eine „Taskforce“ gebildet, um „Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten“.

Optionen werden gesucht

„Wir sind gemeinsam mit diesem Kreis daran, Optionen zu erarbeiten“, sagt der Weleda-Interimschef Peter Braun im Gespräch mit der StZ. Braun ist seit zwei Jahren für die Weleda-Arzneimittelsparte verantwortlich. Der 48-jährige ehemalige Nestlé- und Novartis-Manager weiß, dass bei Weleda nicht immer nach Vollkosten gerechnet wird. „Es ist unser Anliegen, ein genügend großes anthroposophisches Arzneimittelsortiment auf dem Markt zu halten.“ So hält Weleda für verschiedene Länder insgesamt 5000 offiziell zugelassene Arzneimittel vor. Alle Zertifikate und Beipackzettel stets auf dem neuesten Stand zu halten sowie die kleinen Losgrößen zu fertigen, ist extrem aufwendig. Weleda scheint sich zu verzetteln, und das ist teuer. Pro Arzneimittel und Jahr setzt Weleda im Schnitt nur 20 000 Euro um. „Klar, mit einer rein wirtschaftlichen Brille ist das schwierig“, sagt Braun.

Der Interimschef hält sich zurück, wenn er gefragt wird wie er die Verluste aus dem Arzneimittelgeschäft drosseln möchte. Ihm ist bewusst, dass er die Einschätzungen der Taskforce abzuwarten hat, zudem muss er abwarten, ob er im Mai noch der Chef der Weleda-Gruppe ist. Dann soll über die langfristige Nachfolge Sirdeys entschieden werden. Braun werden dabei zwar gute Chancen eingeräumt. Wohl auch deshalb sagt er: „Das Spezielle an Weleda ist es ja, dass wir nicht den Gewinn maximieren wollen und entsprechend keine Geldmaschine sind.“ Auf der anderen Seite weiß der Ökonom, dass Gewinne als Grundlage für Forschung und Investitionen unabdingbar sind. „Ohne angemessene Gewinne hat das Unternehmen keine Zukunft.“ Braun belässt es vorerst bei Änderungen in homöopathische Dosen. So schwebt ihm im defizitären Arzneimittelbereich vor, zumindest die Zahl der Darreichungsformen zu verringern. „Wir können uns fragen, ob wir jedes Mittel als Zäpfchen, als Tablette und als Salbe anbieten müssen: Brauchen wir diese Vielfalt?“

Einstellungsstopp ist verhängt worden

Zudem hat Braun einen Einstellungsstopp verhängt. „Es ist die Vorsichtspflicht des Managements, auf diese Weise dafür zu sorgen, dass die bestehenden Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ Weleda steht auf zwei Beinen. 80 Jahre lang waren die Erlöse aus dem Arzneimittelgeschäft der wichtigere Bereich. Seit zehn Jahren lebt die Gruppe hauptsächlich von der Naturkosmetik. Zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet Weleda mit Gesichts-, Körper- und Kinderpflegeserien. In diesem – inzwischen größeren Bereich – erzielt das Unternehmen Jahr für Jahr satte Gewinne. Warum sind im vergangenen Jahr die Erträge aber auch hier zurückgegangen? „Wir haben viel in Neuentwicklungen investiert, die aber erst jetzt auf den Markt kommen“, sagt Braun. Diese Wellentäler zeigen, dass Weleda noch den passenden Rhythmus für Neueinführungen zu suchen scheint. „Wir wollen jedes Jahr was Neues bieten“, sagt Braun.

Der Interimschef ist übrigens nicht überrascht über die Aufregung, die der neueste Weleda-Verlust in anthroposophischen Kreisen verursacht hat. „Das hat mit der Bekanntheit der Marke zu tun: Jeder fühlt sich berufen, Weleda einen Rat zu geben.“ Braun zieht die Mundwinkel nach oben: „Aber das ist in Ordnung.“