Der Anästhesist Jason Burke hat seinen Job im Krankenhaus aufgegeben und macht jetzt als Katerheiler in Las Vegas Schlagzeilen. Er verspricht Partygängern, ihren Brummschädel in nur 30 Minuten wegzuzaubern. Das Geschäft boomt.

Las Vegas - Jason Burke ging es schlecht. Richtig schlecht. Das ganze Wochenende hatte er mit Freunden gefeiert, das Bier floss, der Wein auch. Es war ein tolles Fest – mit einem weniger tollen Ausgang am nächsten Morgen: Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, das volle Programm. Doch diesen Morgen konnte Jason Burke nicht zu Hause im Bett verbringen, die Arbeit rief. Es half alles nichts, der Mann mit dem teenagerhaften Gesicht und den langen Haaren musste zum Dienst antreten. Was der junge Doktor zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte: ausgerechnet heute sollte ihm die Idee seines Lebens kommen.

 

Seit zehn Jahren arbeitete Jason Burke damals als Anästhesist in einem Krankenhaus in North Carolina. Patienten wurden von ihm in Narkose versetzt, er linderte Schmerzen und behandelte nervliche Störungen mit entsprechenden Medikamenten. Burke war ein guter, ein engagierter Arzt. Mit seiner beruhigenden Stimme nahm er Kindern die Angst vor der Spritze, ältere Damen schätzten seine zuvorkommende Art.

Wo, wenn nicht in Vegas, lässt sich aus der Idee Geld machen?

Doch selbst der größte Eifer konnte Burke an diesem Morgen nicht motivieren. Je besser es den Patienten ging, umso übler fühlte er sich selbst. Irgendwie ungerecht, dachte Burke, warum gibt es eigentlich kein Medikament gegen Kater? Und plötzlich war er hellwach. Burke erinnerte sich an sein Studium und daran, dass Alkohol dem Körper vor allem Wasser entzieht. Außerdem wirken die Stoffe, die beim Abbauen entstehen, wie eine Entzündung. Menschen, die wegen einer Verletzung innerhalb kurzer Zeit sehr viel Flüssigkeit verloren haben, wird deshalb meistens eine Kochsalzlösung ins Blut gespritzt, danach bessert sich der Zustand erheblich.

Dr. Burke war begeistert. Was bei Verletzten und Kranken funktioniert, müsste doch eigentlich auch bei einem Kater helfen, dachte er. Gemeinsam mit einem Freund startete er kurz darauf einen Selbstversuch. Zuerst gaben sich die beiden ordentlich die Kante, dann spritzten sie sich selbst eine Kochsalzinfusion und flößten zusätzlich einige Vitamine ein. „Das Ergebnis war beeindruckend“, erzählt Burke. „Was vorher ein Kater von mindestens zwölf Stunden gewesen ist, war nun plötzlich eine Sache von 30 Minuten.“ Für den Doc aus North Carolina war klar: „Diese Erkenntnis muss ich irgendwie nutzen.“ Jason Burke setzte alles auf eine Karte: Den sicheren Job im Krankenhaus schmiss er hin und fuhr nach Las Vegas. Wo, wenn nicht hier, sollten sich seine Erkenntnisse zu Geld machen lassen?

Er investierte 600 000 Dollar, mietete Praxisräume an und stellte Personal ein. Erst, als alles fertig war, ging er mit seinem Geschäftsmodell an die Öffentlichkeit – aus Angst vor Nachahmern.

159 Dollar – und der Kater ist wie weggeblasen

John ist diese interessante Geschichte gerade ziemlich egal. „Shut up!“, ruft er. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sitzt der stämmige Mittdreißiger auf einem der Behandlungssessel von Dr. Burke und hält sich die Ohren zu. „Weißt du“, keucht er, „wenn ich gewusst hätte, dass es mir heute so gehen wird, hätte ich das letzte Bier gestern Abend vielleicht doch lieber stehen lassen.“ „Hangover“ nennen sie hier in den USA das, was John grade plagt. Und genau diesen Hangover möchte John loswerden. Kein Problem für Dr. Burke und sein Team.

Jeder Handgriff sitzt, nach wenigen Minuten lehnt sich der Katergeplagte zurück und lässt das Kochsalz in seinem Körper arbeiten. 159 Dollar (130 Euro) wird John später für das „Premium Package“ bezahlen, aber das findet er okay. „Dafür kann ich heute weiterfeiern, als wäre nichts gewesen“, sagt er, und sein Gesicht bekommt langsam wieder seine ursprüngliche Farbe.

Therapie to go: am Wochenende rollt der Bus durch Vegas

„Es ist doch so“, ergänzt der Doktor: „Wenn Sie hier in Las Vegas sind, dann wollen Sie vor allem Spaß haben. Ein Kater kann Ihnen diesen Spaß aber ganz schön versauen.“ Und als hätte er die nächste Frage schon erahnt, sagt er: „Alkoholkonsum fördere ich damit auf keinen Fall. Mir geht es nur darum zu helfen, so ist das ja bei jedem anderen Arzt auch.“

John ist nicht der einzige Patient von Burke an diesem Tag. Gerade kommt Burke von einer Tour zu verschiedenen Hotels, auf Wunsch behandelt er Kateropfer dort direkt vor Ort. Gegen Aufpreis, versteht sich. Und auch für diejenigen, die der Kater eiskalt draußen erwischt, hat der Hang-over-Doc eine Lösung entwickelt – eine clevere Geschäftsidee: „Während ich unter der Woche Patienten hier in meiner Praxis behandele, gibt es die Therapie am Wochenende auch to go“, erzählt Burke. Gemeint ist damit das rollende Krankenzimmer, der sogenannte Hangover Bus. Sechs Doppelstockbetten gibt es dort, dazu einen VIP-Bereich für verkaterte Stars. Ein Anruf genügt, und der Hangover Bus ist innerhalb von einer Stunde da. Gesprochen wird während der Behandlung meistens nicht viel, stattdessen läuft entspannende Musik.

Goldene Regel: Betrunkene werden nicht behandelt

Michelle gehört mittlerweile schon zu den Dauergästen von Dr. Burke. „Das ist einfach praktisch“, sagt sie. „Du kannst so viel trinken, wie du willst, weil du ja weißt: Am nächsten Tag kommt der Bus und alles ist wieder gut.“ Und nicht nur sie schwärmt in den höchsten Tönen von den Kräften des Heilers aus Vegas. Auch auf der Homepage von Jason Burke finden sich zahlreiche Videos mit Lobeshymnen.

Bei so viel Lob musste natürlich auch ein Superlativ im Titel her. „Hangover Heaven“, zu Deutsch „Katerhimmel“, hat der Doktor sein Business getauft. Übertrieben findet er das nicht, eher lustig: „Wer einen Kater hat, der fühlt sich alles andere als wie im Paradies“, sagt er. „Da ist das, was wir anbieten, quasi wie der Himmel.“

Dass der Hangover Heaven seit dem Start vor etwa einem halben Jahr sehr erfolgreich ist, überrascht nicht. Bis Dezember ist Jason Burke schon fast ausgebucht. Skrupel, mit dem Leid anderer Menschen Geld zu verdienen, hat er nicht. „Dafür ist ja jeder selbst verantwortlich“, sagt er. Allerdings gäbe es eine Regel, an die sich jeder halten müsse: „Betrunkene behandele ich nicht, das ist nicht sinnvoll.“

Nicht sinnvoll, aber auch nicht unbedingt nötig. Denn am Tag nach dem Rausch statten die Trinklustigen dem Doc dann ja sowieso meistens einen Besuch ab.